Ibn Dawud: Hadith

Ibn Dāwūds Kitāb al-Zahra enthält ungefähr zehn Hadithe; darunter drei, die erwähnenswert sind.1

1. Der erste wird im Rahmen der Liebestheorie präsentiert: 

  • Abū Bakr Muhammad ibn Ishāq as-Sāghānī – Ibn Abī Maryam – Yahyā ibn Ayyūb – Yahyā ibn Sa‘īd – ‘Amra – Aischa – der Prophet: „Die Seelen sind einberufene Soldaten; diejenige, die sich ineinander wiedererkennen, suchen Gesellschaft miteinander; diejenigen, die das nicht tun, stoßen aufeinander.“ 2

2. Der berühmte Liebeshadith (hadīth al-‘ishq) lautet in der Zahra so:

  • Von meinem Vater – Suwayd ibn Sa‘īd al-Hadathānī – Alī ibn Mushir – Abū Yahyā al-Qattāt – Mudjāhid – Ibn ‘Abbās – der Prophet: „Wer leidenschaftlich liebt, keusch bleibt, es verbirgt und dann stirbt, der stirbt als Märtyrer.“ 3

Ein Märtyrer war ursprünglich jemand, der auf dem Schlachtfeld im Kampf für den Islam umkam und dafür im Jenseits extra Lohn bekam. Weil im Laufe der Zeit immer weniger Muslime an Kampfhandlungen teilnahmen, man sich aber die Privilegien der Märtyrer nicht entgehen lassen mochte, ist der Märtyrerbegriff erweitert worden. Auch Menschen, die z. B. im Ausland oder durch eine Epidemie, im Wochenbett, durch Krankheit, Armut oder Ertrinken starben, galten späterhin als Märtyrer. Der obige Hadith rechnet auch Liebeskummer zu diesen schwierigen Umständen.4 Vielleicht war der *Zāhirite Ibn Dāwūd der erste, der diesen Schmerz ernst nahm. Aber er hat den Hadith sicherlich nicht selbst erfunden, wenigstens nicht dessen Kern. Der Dichter Abū Nuwās (757–815) hatte ihn nämlich schon hundert Jahre zuvor als Witz lanciert. Seine Absicht war wohl auf das sich schnell erweiternde Märtyrerwesen anzuspielen oder es zu verspotten. Sein Hadith hat einen Fantasie-Isnad; der Text lautet: „Wer als Verliebter stirbt, erhält den Lohn des Martyriums.“ Abū Nuwās kann den Text entweder selbst erdacht oder fertig vorgefunden haben.5

3. Mit Hilfe des dritten Hadiths versuchte man die Poesie islamisch zu legitimieren. Auch Ibn Dawud zitiert ihn:

  • (mit unvollständigem Isnad:) Ibn ‘Abbās – der Prophet: „Manche Poesie besteht aus Weisheiten; manche Eloquenz ist Zauberei.“ 6

ANMERKUNGEN
1. W. Raven, Ibn Dāwūd, 13–15.
2. Ibn Dāwūd, Zahra i, 14; A.J. Wensinck, Concordance s.v. djannada; Giffen, Theory 55, Ibn Qayyim al-Djawzīya, Rauda 83. الأرواح جنود مجنَّدة فما تعارف منها ائتلف وما تناكر منها اختلف. Ibn Dāwūd kann as-Sāġānī eventuell noch selbst gekannt haben; dieser wohnte in Bagdad und starb 883, als Ibn Dāwūd 15 Jahre alt war; al-Khatīb al-Bagdādī, Ta’rīḫ Bagdād i, 240–241; Ibn Hadjar al-‘Asqalānī, Tahḏīb at-tahdhīb ix, 35–37.
3. Ibn Dāwūd, Zahra i, 66; nicht in Wensincks Concordance; Giffen, Theory 99ff..قال رسول الله ص من عشق فعفّ فكتمه فمات فهو شهيد
4. E. Kohlberg, Art. „Shahīd,“ in EI 2; W. Raven, Art. „Martyrs,“ in EQ.
5. E. Wagner, Abū Nuwās. Eine Studie zur arabischen Literatur der frühen ʿAbbāsidenzeit, Wiesbaden 1965, 34–5. (ramal)

ولـــقـــد كـُــنّــا رويـْـنــا ‪*‬ عـن سـعـيـدٍ عـن قـتـادةْ
عـن سعيـدِ بـنِ الـمســـيَّـــــبْ أنّ سعْـدَ بـنَ عُبـادةْ
قــال: مـَنْ مـات مُـحِـبـّاً *  فــلـه أَجْــر الــشــهادةْ

6. Es ist der letzte Satz des Kitāb az-Zahra, wenigstens in seiner uns überlieferten Form: Ibn Dāwūd, Zahra ii, 372: إنّ من الشعر لحكمًا وإنّ من البيان لسحرًا . Ungefähr identisch steht es in Abū Dāwūd, Sunan, Adab 87; die beiden Teile des Hadith werden oft separat zitiert.

Diakritische tekens: Muḥammad ibn Isḥāq aṣ-Ṣāġānī, Yaḥyā, ʿĀʾiša, ḥadīth, al-Ḥadaṯānī, Abū Yaḥyā, Muǧāhid, Ẓāhirite, al-Ǧawzīya, Rauḍa, al-Ḫaṭīb al-Baġdādī, Taʾrīḫ Baġdād, Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb at-tahḏīb

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Türken

Hier bekommen Sie keine ethnologische Abhandlung über die Türken geboten; nur einige Hinweise auf die Türken in der arabischen Vergangenheit.

In der Antike
Im Oströmischen Reich war der Name Türken (Τούρκοι) bereits bekannt; er bezeichnete Stämme in Zentralasien. Das ist ein riesiges Gebiet, das in vorindustrieller Zeit hauptsächlich von Reitervölkern und ihren Pferden bewohnt wurde. Von alters her zogen Gruppen von Auswanderern aus diesem Gebiet zu sesshaften Umgebungen: nach Europa, aber auch nach China und Indien: Hunnen, Magyaren, Türken und Mongolen — und wahrscheinlich vergesse ich noch einige. Der Lebensraum, wie gewaltig er uns erscheinen mag, hat den Bewohnern wohl doch nicht gereicht. Oder sie hatten einfach Lust auf the high life.
In der Antike hat man im Westen die zentralasiatischen Völker nicht gut auseinander halten können. Rätselhaft ist z.B. die Mitteilung beim Geographen Strabo (63 v.Chr.–23 n.Chr.): „Die Türken sind die Magyaren.“ 1 Die Magyaren sind bei uns bekannt als die Ungarn, die um 900 nach Europa einwanderten. Im Wolgadelta wohnten auf jeden Fall schon früh Türken. Es scheint auch altgriechische Quellen zu geben, denen zufolge im Kaukasus Türken lebten, ungefähr im heutigen Armenien. Bei den Historikern Priskos und Prokop müsste etwas zu finden sein. Aber sich in ein fremdes Fachgebiet zu begeben nimmt Zeit; das kann also noch etwas dauern.
Das Gebiet nördlich vom Kaukasus hatte in der Spätantike einen schlechten Ruf: Man glaubte, dass dort die wilden Stämme Yādjūdj und Mādjūdj (Yagug und Magug, Gog und Magog)2 wohnten. Der „Hörnermann“ (Alexander der Große?) hat dem Koran zufolge einen Damm gebaut, hinter dem diese böswilligen Völker sicher weggesperrt waren. Zu dieser Erzählung haben vielleicht die eindrucksvollen Mauern der Stadt Derbent inspiriert, die auf einer Landenge in Süddagestan liegt. Man erwartete, dass in der *Endzeit, also kurz vor dem *Jüngsten Tag, die Yādjūdj und Mādjūdj von hinter dem Damm ausbrechen würden. Es hat Koranausleger gegeben, die sie zu den Türken rechneten.3
Die vorislamischen Araber auf der Halbinsel haben wohl kaum Türken zu Gesicht bekommen. In den von Arabern bewohnten Teilen Syriens können einige vorbeigekommen sein, aber das hat nicht zu historisch überlieferten Begegnungen geführt.
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Früher Islam
Als die Araber Persien erobert hatten, lernten sie an der Nordostgrenze des Reiches sicherlich auch Türken kennen. Diese machten einen sehr tüchtigen, kriegerischen und bedrohlichen Eindruck, wie ein dem Propheten zugeschriebener Hadith uns in zwei Versionen vermittelt:

  • … von Abū Huraira, der Prophet habe ihm erzählt: „Der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis ihr nicht gegen Menschen gekämpft habt, deren Schuhe aus Haar bestehen. Und der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis ihr nicht gegen Menschen mit kleinen Augen und Nasen gekämpft habt.“ 4
  • … von Abū Huraira: Der Prophet hat gesagt: „Der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis nicht die Muslime gegen die Türken gekämpft haben, ein Volk, dessen Gesichter wie doppelt genähte Lederschilder aussehen, die sich in Haar kleiden und auf Schuhen aus Haar gehen.“ 5

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TürkischerReiterSöldner
Abgesehen von türkischen Auswanderern an der Ostgrenze und wohl auch versklavten Kriegsgefangenen, kamen die ersten Türken nach Bagdad, weil die ersten *Abbasidenkalifen Soldaten brauchten. Sie heuerten türkische Söldner für ihre Leibgarde an, erstens weil die Türken den Ruf hatten sehr gute Soldaten zu sein, zweitens weil diese isolierten Fremden keine Wurzeln im Irak hatten, so dass sie (wenigstens anfangs) kaum für Stammesloyalitäten, Cliquenbildung und Korruption anfällig waren. Kalif al-Mu‘tasim (833–842) führte das in großem Stil durch: Er importierte 25.000 bis 30.000 Mann. Und bald bestand die ganze Armee nur noch aus „Türken“ (d.h. Auswanderer aus Zentralasien; sie waren wohl nicht alle türkischsprachig). Islamische Staaten haben noch bis ins 19. Jahrhundert Sklaven, Soldaten und manchmal sogar Herrscher von weit hergeholt: Mamluken, Janitscharen usw..
Al-Djāhiz (781–868) schreibt über die Türken:

  • Der Khāridjit verläßt sich im Kampfgedränge vor allem auf den Lanzenstoß, die Türken aber stoßen mit der Lanze ebenso gut wie die Khāridjiten. Und wenn tausend ihrer Reiter zum Angriff übergehen, schießen sie ihre Pfeile in einem Fluge ab und werfen tausend Reiter zu Boden; keine Truppe vermag einer solchen Angriffsart standzuhalten.
    Weder die Khāridjiten noch die Beduinen sind dafür bekannt, mit dem Bogen vom Rücken der Pferde zu schießen. Der Türke aber trifft so ein Wild, einen Vogel, eine Zielscheibe, einen Menschen, ein liegendes Tier, ein aufgestellten Grenzstein oder einen sich auf die Beute stürzenden Raubvogel. Er hetzt sein Reittier vorwärts und rückwärts, rechts und links, bergauf und bergab und schießt zehn Pfeile ab, bevor der Khāridjit einen einzigen Pfeil auflegt. Beim Herunterkommen von einem Berg oder beim Abstieg in die Tiefe eines Flußbettes treibt er sein Reittier zu schnellerem Galopp an, als es der Khāridjit auf ebener Erde vermag.
    Die Türken haben vier Augen, ein Augenpaar im Gesicht und ein anderes Augenpaar im Hinterkopf.6
  • Dementsprechend sind die Türken Zeltleute, Steppenbewohner und Herdenbesitzer; sie sind sozusagen die Beduinen der Nichtaraber. […] Sie beschäftigen sich weder mit Handwerk, Handel, Medizin, Ackerbau, Geometrie, Baumzucht, Baukunst noch mit der Anlage von Kanälen und mit der Erhebung von Steuern, sie haben kein anderes Streben als nach Plünderungszug und Raubeinfall, Jagen und Reiten, Streit gegen Kämpfer, Suche nach Beute und Unterjochung fremder Länder.7

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Migranten
Ab ± 1000 kam aber auch eine spontane, große Völkerwanderung ins Abbasidenreich in Gang; ab 800 hatte es schon getröpfelt. Es kamen immer mehr, ganze Stämme zogen gen Westen. Ich nenne hier nur die Seldschuken (Selçuklular, Saldjūq), die 960 zum Islam übergingen, 1055 Bagdad eroberten und 1071 bei Manzikert die Ost-Römer entscheidend schlugen. Danach lag auch Kleinasien für sie offen. Konya, ihre dortige Hauptstadt, erlebte eine große Blüte. Nach dem schiitischen Jahrhundert (945–1055) der Buyiden und der drohenden Einnahme Bagdads durch die ägyptischen Fāṭimiden vertraten die Seldschuken einen sturen sunnitischen Islam und die hanafitische Rechtschule.
Türkische Stämme streunten anfangs noch als Nomaden herum und wurden z.B. von den vorbeiziehenden Kreuzfahrern (1097) ziemlich überrascht. Beim zweiten Kreuzzug waren sie schon besser organisiert und verteidigten sich. Aber das Bild der „wüsten Nomaden,“ die gen Westen zogen, ist viel zu einseitig. Es kamen sicherlich Nomaden, aber die Seldschuken brachten auch Wiederaufbau und neues Leben ins ziemlich heruntergekommene Abbasidenreich, in den Irak und nach Syrien: Infrastruktur, Geldsystem, Staatseinrichtung, Städtebau usw. Kenntnis der urbanen Kultur und der Staatseinrichtung hatten sie in dem ebenfalls türkischen Reich der Ghaznawiden in Afghanistan (977–1186) erworben.
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Osmanen
Später kamen die türkischen Osmanen. Konstantinopel fiel ihnen bekanntlich 1453 in die Hände. Davor war bereits der Balkan erobert worden, der zum Teil noch bis ins 20. Jh. türkisch blieb. Das Osmanenreich war bis 1700 eine sehr starke, auch Europa bedrohende Militärmacht. Danach wurde es allmählich schwächer — und dadurch kulturell auch attraktiver —, bis es als „kranker Mann Europas“ verendete. Der osmanische Vielvölkerstaat nahm 1918–20 ein Ende; seitdem besteht die Türkische Republik weiter. Auch diese ist überwiegend sunnitisch, wobei die hanafitische Rechtsschule dominant ist. Um 1500 hatte das Osmanenreich das modernste Rechtssystem Europas – und das war nicht die Scharia.

Die Türken hatten auch den Großteil der arabischen Welt erobert. 1517 hatten sie die Mamlukenherrschaft in Ägypten beendet. Seitdem wohnten die meisten Araber im türkischen Osmanenreich, das sich bis nach dem 1. Weltkrieg gehalten hat. Osmanisch-Türkisch war dort die Sprache der Macht und der Elite, während das Arabische in die Domänen der Religion, des Handels und des Alltagslebens zurückgedrängt war. Die besten Schriftsteller, Gelehrten und Handwerker wurden aus Kairo nach İstanbul gebracht; andere gingen freiwillig, denn die Karrierechancen lagen in der Hauptstadt.
Haben die Araber unter den Türken gelitten, sich unterjocht gefühlt? Ich weiß es nicht, ich würde meinen, bis tief ins 19. Jahrhundert eher wenig. Der Nationalismus und der Freiheitsdrang der Griechen z.B., die sich 1822 mit europäischer Hilfe selbständig machten, waren in der Arabischen Welt noch nicht angekommen. Etwas Groll hegte schon ‘Alī Mubārak, der spätere Ali Pascha Mubarak (1823–1893), ein ägyptischer Junge, der 1844 in Frankreich an der Militärakademie studieren durfte. Seine Kommilitonen aus Ägypten waren alle türkischsprachig, bekamen Vergünstigungen und mehr Taschengeld, und waren oft weniger fleißig als er. Sie hatten ihren Studienplatz nur bekommen, weil sie zur türkischen Oberschicht gehörten. Ein Gemisch aus ethnischer und sozialer Diskriminierung wurde hier also peinlich spürbar.8 Ab 1850 wurden sowohl die Türken wie auch die Araber mit dem Virus des Nationalismus angesteckt. Spätestens seitdem fühlten sich Araber im Osmanenreich weniger wohl und fingen an zu schmollen und zu rebellieren, während die Türken ihrerseits auch überheblicher wurden. In der 2. Hälfte des 19. Jh. emigrierten viele arabische Intellektuelle aus dem noch-türkischen Syrien ins relativ unabhängige, ab 1882 aber britisch besetzte Ägypten. Ab 1920 waren sie die Türken los.
Die osmanische Herrschaft hat schwere Folgen für die arabische Kultur gehabt. Kairo und Damaskus wurden ausgeräumt: Fachleute, Intellektuelle und auch Handschriften wurden nach İstanbul verschleppt oder gelockt. Die arabische Kultur blieb jahrhundertelang zweitrangig, bis ab ± 1850 die sog. nahda („arabische Renaissance“) anfing. Anknüpfen an die eigene Vergangenheit erwies sich nach so vielen Jahrhunderten als schwierig.
Heute sprechen die Araber (wie die Griechen auch) manchmal von der türkischen Besatzung — und damit meinen sie nichts Gutes. Aber ist es sinnvoll, eine vier Jahrhunderte dauernde Herrschaft eine Besatzung zu nennen? Als das Osmanenreich und das Kalifat nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst wurden, vermissten viele Araber sie doch stark. Der Sultan-Kalif war ja seit dem 19. Jh. weltweit als geistliches Oberhaupt der Muslime betrachtet worden. Und huwa aslu turki, „er ist türkischer Herkunft“ bedeutete in Ägypten bis vor Kurzem, dass die betreffende Person zur alten Elite, die aristūqrātīya, gehört. Die Elite sprach dort Türkisch und Französisch und hörte noch sehr lange über einen eigenen Rundfunksender osmanische Schlager und klassische türkische Musik. Sie dürfte jetzt ausgestorben sein oder nur noch Französisch sprechen. Nagib Mahfus hat sich in seinem Roman Das junge Kairo (al-Qāhira al-djadīda; 1945) über eine Prinzessin lustig gemacht, die eine kurze Ansprache auf Arabisch halten sollte, diese aber nur aus einem französischen Transkript vorlesen konnte, wodurch sie zum Großteil unverständlich wurde.
Das Osmanenreich war ein islamisches Reich, das aber religiösen Minderheiten viel Raum bot. Diese bildeten zusammen ungefähr 30% der Bevölkerung, wenn nicht noch mehr. Einige Minoritäten (Griechen, Juden, Armenier) waren für den Handel und die internationalen Kontakte unentbehrlich. Ob und ab wann man die Einwohner auch nach Ethnien registriert hat, ist mir nicht bekannt. Die Türken selbst bildeten im Reich eine ethnische Minderheit.
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Moderne Türken
Momentan gilt die Türkei vielen Arabern als Beispiel eines modernen, erfolgreichen Staats, dem die Einbindung des Islams in ein modernes, säkulares Staatsgefüge gelungen ist. Andererseits wird auf türkische Einmischung in arabische Angelegenheiten keinen Wert gelegt.

ANMERKUNGEN
1. Stelle fehlt noch!@
2. Koran 18:83–98, 21:95–97.
3. Keith Lewinstein, „Gog and Magog,“ in Encyclopaedia of the Qurʾān.
4. Muslim, Sahīh, Fitan 64:

وحدثنا أبو بكر بن أبي شيبة حدثنا سفيان بن عيينة عن أبي الزناد عن الأعرج عن أبي هريرة يبلغ به النبي ص قال: لا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما نعالهم الشعر ولا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما صغار الأعين ذلف الآنف.

5. Muslim, Sahīh, Fitan 65:

حدثنا قتيبة بن سعيد حدثنا يعقوب يعني ابن عبد الرحمن عن سهيل عن أبيه عن أبي هريرة أن رسول الله ص قال لا تقوم الساعة حتى يقاتل المسلمون الترك قوما وجوههم كالمجان المطرقة يلبسون الشعر ويمشون في الشعر.

6. Al-Djāhiz, „Manāqib at-turk,“ in: Rasā’il al-Djāhiz, hg. ‘Abd al-Salām Hārūn, Kairo o.J., S. 45. Übersetzung Charles Pellat, Arabische Geisteswelt. Ausgewählte und übersetzte Texte von al-Djāhiz, übers. Walter Müller, S. 150–151.    es fehlt der letzte Satz noch.@

وقال: الخارجي عند الشِدة إنما يعتمد على الطِعان، والأتراك يطعن طعنَ الخوارج وإن شدّ منهم ألف فارس فرموا رِشقًا واحدًا صرعوا ألف فارس، فما بقاء على هذا النوع من الشدّة.
والخوارج والأعراب ليست لهم رماية ومذكورة على ظهور الخيل، والتركي يرمي الوحش والطير والبرجاس والناس والمجثَّمة والمُثل الموضوعة، ويرمي وقد ملأ فروجَ دابّته مدبرًِا ومقبلاً ويَمنة ويسرة وصُعُدًا وسُفْلاً، ويرمي بعشرة أسهم قبل أن يفوّق الخارجي سهمًا واحدًا، ويركض دابّته منحدرًا من جبل أو مستفلاً إلى بطن واد بأكثر مما يمكن الخارجي على بسيط الأرض.

7. Al-Djāhiz, ibid. i, 70–71. Übersetzung S. 158.

وكذلك الترك أصحاب عمد وسكَّان فيافٍ وأرباب مواشٍ، وهم أعراب العَجَم كما أنّ هُذيلًا أكراد العرب. فحين لم تشغلهم الصناعات والتجارات والطب والفلاحة والهندسة ولا غرس ولا بنيان ولا شقّ أنهار ولا جباية غلاّت، ولم يكن همّهم غير الغزو والغارة والصيد وركوب الخيل ومقارعة الأبطال وطلب الغنائم وتدويخ البلدان.

8. ‘Alī Pāshā Mubārak, al-Khitat at-taufīqīya, ix, 41. @Text und Kontrolle@

Diakritische Zeichen: Yāǧūǧ und Māǧūǧ, Yaʾǧūǧ und Maʾǧūǧ, Yagug Magug Yadjudj Madjuj Jagog Gog Magog, al-Muʿtaṣim, Al-Ǧāḥiẓ, Ḫāriǧit, Salǧūq, Baġdāḍ, nahḍa, aṣlu, arisṭūqrāṭīya, Naǧīb Maḥfūẓ, al-ǧadīda, Ṣaḥīḥ, ‘Alī Pāšā Mubārak, al-Ḫiṭaṭ

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Hadithe suchen und zitieren

(Zielgruppe: hadithforschende Arabisten)

Das Suchen von Hadithen geht heutzutage schnell: nach ungefährem Thema in →Wensinck, Handbook;1 nach arabischem Wortlaut in →Wensinck, Concordance.2
Noch schneller geht es im Internet. Die beste Webseite mit den arabischen Texten scheint mir diese zu sein.
(Postskript 25.10.2019: Diese schöne Webseite ist verschwunden, gibt es einfach nicht mehr! Ein Schlag für das Hadithstudium.)
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Aber das Nachschlagen oder Zitieren von Hadithen ist eine zeitraubende, ja mühselige Arbeit, was z. T. erklärt, warum man sie so ungern systematisch erforscht. Die Ausgaben der gängigen Hadithsammlungen sind, bis auf drei, schlecht und chaotisch; die Uneinheitlichkeit bzw. Schlampigkeit der Zitierweise in vielen Veröffentlichungen macht auch das Lesen und Kontrollieren der Fachliteratur mühsam. Zitieren Sie bitte nie so etwas wie: Bukhārī, Sahīh, Beirut 1981, Bd. ii, S. 135! Denn von den zwanzig Bukhārī-Ausgaben hat Ihr Leser wahrscheinlich eben nicht die Beiruter aus dem Kriegsjahr 1981 zur Hand. Nie auffindbar, nie kontrollierbar! Bei irgendwelchen Phantasienummern aus dem Internet oder von einer (vielleicht unter dem neuesten Windows gar nicht mehr brauchbaren) CD-ROM oder DVD oder ist es genau so schlimm.
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Es gibt eine Zitiermethode von Wensinck und ‘Abd al-Bāqī, die mühsam ist und sich leider nicht weltweit durchgesetzt hat, die aber besser ist als alle andere. Die bereits genannten Werke →Wensinck, Handbook 1 und →Wensinck, Concordance 2 haben neun Traditionssammlungen erschlossen.4 Acht davon sind sog. Musannaf-Werke, in denen der Stoff thematisch geordnet ist nach den Bedürfnissen der Juristen. Die zitiert man wie folgt: erst der Name des Sammlers (evtl. verkürzt), dann Titel oder Nummer des „Buches,“ Nummer des Kapitels (nur bei Muslim: die des Hadith; Einl. nach Seitenzahl zitiert). Beispiel:

  • Abū Dāwūd, Buyū‘ 12 (so in der Concordance),     oder:
    A. D., 22, 12 (so im Handbook).

Das Suchen geht in diesen traditionellen Nachschlagewerken zwar langsamer als im Internet, aber Sie bekommen eine wasserfeste Methode des Zitierens dazugeschenkt.
Vorne in Wensinck, Handbook sind die „Buch“-Titel abgedruckt. In meinem eigenen Exemplar habe ich dort von Hand die Band- und Seitenzahlen eingegeben, um das Aufschlagen zu beschleunigen.
Zum obigen Beispiel: Abū Dāwūd, Buyū‘ 12 findet man in Band 3 der „einzig wahren“ Ausgabe;5 dort Seite 242 aufschlagen und dann weiter blättern bis Kapitel Nr. 12.
Wo die Nummerierung der Traditionen in den Drucken fehlt, dient → ‘Abd al-Bāqī, Taisīr 6 als Führer.
Die Nummerierung stimmt nur in den drei von Muḥammad Fu’ād ‘Abd al-Bāqī besorgten Ausgaben, i.e. Muslim, Mālik und Ibn Mādja. Dort ist das Suchen leicht und die Ausgaben sind „gut“ — auch wenn es sich nicht um kritische Ausgaben handelt. In den anderen Ausgaben sollen Forscher die richtigen Kapitelnummern erst mit Bleistift am Rand einfügen. Das ist viel Arbeit, aber eine Alternative sehe ich nicht.
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Der nicht thematisch, sondern nach Überlieferern geordnete Musnad von Ahmad ibn Hanbal wird nach Bandnummer und Seitenzahl der Erstausgabe Kairo 1313/1895 zitiert. Man schreibt dann z.B. Ahmad b. Hanbal, Musnad vi, 145, oder A.b.H. vi, 145. In den neueren Ausgaben sind diese Seitenzahlen oft am Rand abgedruckt.
Bei ‘Abd ar-Razzāq as-San‘ānī, Musannaf, genügt die Hadithnummer. Als kleine Höflichkeit Ihrem Leser gegenüber könnten Sie noch die Bandnummer in der einzig existierenden Ausgabe hinzufügen: ‘Abd ar-Razzāq, Musannaf vii, 13135, oder einfach A.R. vii, 13135. Bei Ibn Abī Shaiba, Musannaf verfährt man ähnlich.

Siehe jetzt auch: Christopher Melchert, How to cite hadith: some proposed conventions.

ANMERKUNGEN
1. A.J. Wensinck, Handbook of Early Muhammadan Tradition, Leiden 1927.  [Hat den Stoff nach englischen Stichwörtern thematisch geordnet. Probeseiten hier.]
2. A.J. Wensinck et. al., Concordance et indices de la Tradition musulmane (arab. Titel: Al-Mu‘djam al-mufahras li-alfāz al-hadīth an-nabawī), 8 Bde., Leiden 1936–1988.  [Arabische Wortkonkordanz; auch Ortsnamen und Koranverse. Probeseiten hier.]
3. Die nicht-arabischen Seiten dieses Portals lassen aber viel zu wünschen übrig.
4. Auch hadith.al-islam.com spricht von neun Büchern, al-kutub at-tis‘a.
5. Abū Dāwūd, Sunan, 4 Bde, o.O., o.J. (!).
6. Muhammad Fu’ād ‘Abd al-Bāqī, Taisīr al-manfa‘a bi-kitābai Miftāh kunūz as-sunna wal-Mu‘djam al-mufahras li-alfāz al-hadīth an-nabawī, Kairo 1935–9.

Diakritische Zeichen:
Buḫārī, Ṣaḥīḥ, Muṣannaf, Ibn Māǧa, Aḥmad ibn Ḥanbal, aṣ-Ṣanʿānī, Ibn Abī Šaiba, Al-Muʿǧam al-mufahras li-alfāẓ al-ḥadīṯ, Muḥammad, Miftāḥ

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Der Isnad als Erzählung

(Zielgruppe: the happy few)

Die Überlieferungskette (isnād) ist Bestandteil eines Hadiths und somit keine eigene Literaturgattung. Muslime schätzen den Isnad als Mittel zur Authentifizierung von Hadithen. Einige Islamwissenschaftler benutzen ihn als Hilfsmittel zu deren Datierung. Die meisten Menschen schätzen ihn überhaupt nicht und lesen schnell weiter.
Wie dem auch sei, man kann den Isnad auch als Erzählung betrachten. Bereits die Grundform, eine kahle Mitteilung wie z.B.:

  • X hat mir überliefert von Y, dass er von Z gehört habe, dass dessen Vater den Prophet habe sagen hören … usw.

kann man als Mini-Erzählung betrachten.
Ziel der Isnad-Autoren ist immer Authentifizierung: glaubhaft machen, dass der darauf folgende Text tatsächlich von den Überlieferern und letztendlich vom Propheten stammt.

Es gibt auch Isnade mit narrativen Zusätzen. Diese dienen demselben Zweck. Einer der Überlieferer teilt z.B. mit: „Ich war damals noch ein junger Mann,“ oder: „XY fragte mich: Erzähl doch mal über …,“ oder „Ich war damals im Haus von XY angestellt,“ oder: „Ich war dabei, als X dem Y erzählte,“ z.B. in:

  • Ibn Ishāq sagt: Wahb ibn Kaisān, der Schutzbefohlene der Familie Zubair hat mir erzählt: Ich hörte ‘Abdallāh ibn az-Zubair zu ‘Ubaid ibn ‘Umair ibn Qatāda al-Laithī sagen: Erzähl uns doch mal, ‘Ubaid, wie es mit dem Anfang des Prophetentums beim Propheten war, als Djibrīl zu ihm kam! Darauf erzählte ‘Ubaid in meiner Anwesenheit dem ‘Abdallāh ibn az-Zubair und den anderen, die da waren: „Der Prophet war …“ usw.1

Wer würde nach einer solchen Einleitung noch an der Wahrhaftigkeit der darauf folgenden Erzählung zweifeln?

Der folgende Isnad hat eine merkwürdige Drehung:

  • ‘Ayyāsh ibn al-Walīd hat uns überliefert: ‘Abd al-A‘lā hat erzählt: Saʿīd hat gesagt: Ich hörte Nadr ibn Anas ibn Mālik dem Qatāda erzählen: Ich war bei Ibn ‘Abbās, als ihm eine Frage gestellt wurde, [und er beantwortete diese] ohne den Propheten zu erwähnen. Schließlich wurde er danach gefragt; dann sagte er: Ich habe Mohammed sagen hören: … [folgt Inhalt].2

Ibn ‘Abbās überliefert hier zwar direkt vom Propheten, aber erst nachdem er sich erdreistet hatte selbst eine Antwort auf eine Rechtsfrage zu geben. Auf den letzten Drücker korrigiert er sich noch. In der Welt des Hadiths gelten eigenständige Meinungen von Prophetengefährten nicht als interessant. In den ersten zwei Jahrhunderten des Islams war dies anders. Die Sunna des Propheten hatte damals noch nicht ihre Vormachtstellung erlangt und Prophetengefährten zugeschriebene Meinungen wurden noch gerne gehört. Es ist denkbar, dass der betreffende Hadith zunächst Ibn ‘Abbās zugeschrieben und erst nachträglich mittels des Isnads zu einem prophetischen Hadith aufgewertet wurde. Auch würde es mich nicht wundern, wenn es irgendwo eine Version des Hadiths ohne den Zusatz gäbe.

Im Rahmen des Isnads kann auch ein Schlagabtausch über das Thema des Hadiths stattfinden:

  • Abū at-Tāhir und Harmala haben mir überliefert (mit ungefähr demselben Wortlaut): Uns hat Ibn Wahb berichtet: Yūnus hat mir berichtet auf Gewähr von Ibn Shihāb [az-Zuhrī], dass Abū Salama ibn ‘Abd ar-Rahmān ibn ‘Auf ihm berichtet hat: Der Prophet hat gesagt: „Es gibt keine Ansteckung,“ aber er überliefert auch, dass der Prophet gesagt habe: „Gesunde und kranke Tiere soll man nicht zusammen trinken lassen.“
    Abū Salama sagte: Abū Huraira hat uns beide Traditionen des Propheten überliefert. Danach hat uns Abū Huraira aber verschwiegen, dass er gesagt hat: „Es gibt keine Ansteckung,“ und er blieb bei: „Gesunde und kranke Tiere soll man nicht zusammen trinken lassen.“
    Al-Hārith ibn abī Dhubāb—das ist der Vetter Abū Hurairas— sagte: Ich habe dich schon noch einen anderen Hadith überliefern hören, Abū Huraira, aber den verschweigst du jetzt! Du hast auch erzählt, dass der Prophet gesagt hat: „Es gibt keine Ansteckung!“ Aber Abū Huraira weigerte sich das zuzugeben und sagte: „… nicht zusammen trinken lassen!“
    Al-Hārith drängte so lange, bis Abū Huraira sich erboste, Äthiopisch zu brabbeln anfing und sagte: Weißt du, was ich sage! Ich sage: Auf gar keinen Fall!
    Abū Salama sagte: Bei meinem Leben, Abū Huraira hatte uns sehr wohl überliefert, dass der Prophet gesagt habe: „Es gibt keine Ansteckung“! Ich weiß nicht, ob Abū Huraira dies vergessen hatte oder ob der eine Hadith den anderen *abgeschafft hat.3

Offenbar hatte jemand versucht von zwei Hadithen mit widersprüchlichem Tenor über das Thema Ansteckung (alias: Gottes Vorherbestimmung) einen zu eliminieren. Mittels (fiktiver) isnadinterner Überliefererkritik wird die Sache richtig gestellt. Abū Hurairas Wut und sein Zurückfall in seine Muttersprache4 bringen uns gleichsam die Sitzung lebendig vor Augen. Aber Abū Salama hat das letzte Wort: Soll doch niemand mehr an der Existenz beider Traditionen zweifeln!

ANMERKUNGEN
1. Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, uitg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 151.@arabischer Text folgt noch!@
2. Bukhārī, Sahīh, Libās 77:

حَدَّثَنَا عَيَّاشُ بْنُ الْوَلِيدِ حَدَّثَنَا عَبْدُ الْأَعْلَى حَدَّثَنَا سَعِيدٌ قَالَ سَمِعْتُ النَّضْرَ بْنَ أَنَسِ بْنِ مَالِكٍ يُحَدِّثُ قَتَادَةَ قَالَ كُنْتُ عِنْدَ ابْنِ عَبَّاسٍ وَهُمْ يَسْأَلُونَهُ وَلَا يَذْكُرُ النَّبِيَّ ص حَتَّى سُئِلَ فَقَالَ سَمِعْتُ مُحَمَّدًا ص يَقُولُ مَنْ صَوَّرَ صُورَةً فِي الدُّنْيَا كُلِّفَ يَوْمَ الْقِيَامَةِ أَنْ يَنْفُخَ فِيهَا الرُّوحَ وَلَيْسَ بِنَافِخٍ

3. Muslim, Sahīh, Salām 104:

‎وَحَدَّثَنِي أَبُو الطَّاهِرِ وَحَرْمَلَةُ وَتَقَارَبَا فِي اللَّفْظِ قَالَا أَخْبَرَنَا ابْنُ وَهْبٍ أَخْبَرَنِي يُونُسُ عَنْ ابْنِ شِهَابٍ أَنَّأَبَا سَلَمَةَ بْنَ عَبْدِ الرَّحْمَنِ بْنِ عَوْفٍ حَدَّثَهُ أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ ص قَالَ لَا عَدْوَى وَيُحَدِّثُ أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ ص قَالَ لَا يُورِدُ مُمْرِضٌ عَلَى مُصِحٍّ قَالَ أَبُو سَلَمَةَ كَانَ أَبُو هُرَيْرَةَ يُحَدِّثُهُمَا كِلْتَيْهِمَا عَنْ رَسُولِ اللَّهِ ص ثُمَّ صَمَتَ أَبُو هُرَيْرَةَ بَعْدَ ذَلِكَ عَنْ قَوْلِهِ لَا عَدْوَى وَأَقَامَ عَلَى أَنْ لَا يُورِدُ مُمْرِضٌ عَلَى مُصِحٍّ قَالَ فَقَالَ الْحَارِثُ بْنُ  أَبِي ذُبَابٍ وَهُوَ ابْنُ عَمِّ أَبِي هُرَيْرَةَ قَدْ كُنْتُ أَسْمَعُكَ يَا أَبَا هُرَيْرَةَتُحَدِّثُنَا مَعَ هَذَا الْحَدِيثِ حَدِيثًا آخَرَ قَدْ سَكَتَّ عَنْهُ كُنْتَ تَقُولُ قَالَ رَسُولُ اللَّهِ ص لَا عَدْوَى فَأَبَى أَبُو هُرَيْرَةَ أَنْ يَعْرِفَ ذَلِكَ وَقَالَ لَا يُورِدُ مُمْرِضٌ عَلَى مُصِحٍّ فَمَا رَآهُ الْحَارِثُ فِي ذَلِكَ حَتَّى غَضِبَ أَبُو هُرَيْرَةَ فَرَطَنَ بِالْحَبَشِيَّةِ فَقَالَ لِلْحَارِثِ أَتَدْرِي مَاذَا قُلْتُ قَالَ لَا قَالَ أَبُو هُرَيْرَةَ قُلْتُ أَبَيْتُ قَالَ أَبُو سَلَمَةَ وَلَعَمْرِي لَقَدْ كَانَ أَبُو هُرَيْرَةَ يُحَدِّثُنَا أَنَّ رَسُولَ اللَّهِ ص قَالَ لَا عَدْوَى فَلَا أَدْرِي أَنَسِيَ أَبُو هُرَيْرَةَ أَوْ نَسَخَ أَحَدُ الْقَوْلَيْنِ الْآخَرَ .

4. Abū Huraira stammte meines Wissens aus Südarabien. Vielleicht ist Altsüdarabisch gemeint?

Diakritische Zeichen: al-Laiṯī, ʿAyyāš ibn al-Walīd, Naḍr, Abū aṭ-Ṭāhir, Ḥarmala, Ibn Šihāb, al-Ḥāriṯ ibn abī Ḏubāb, Ṣaḥīḥ

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Die Isnade Ibn Ishaqs

Bei dem Prophetenbiographen Muhammad ibn Ishāq († 767) sind viele Überliefererketten (Isnade) mangelhafter als in den gängigen Hadithsammlungen, die erheblich jünger sind. Kein Wunder: Er schöpfte oft aus dem Material der „Erzähler“ (qussās), die sich noch kaum um Isnade kümmerten; überdies war zu seiner Zeit der Isnad noch nicht Pflicht und existierte die Isnad-Kritik noch gar nicht. Einen kurzen Bericht zur Schwangerschaft der Mutter Mohammeds leitet er z. B. wie folgt ein:

  • Die Menschen behaupten in dem, was sie so erzählen — aber Gott weiß es am besten — dass Āmina zu erzählen pflegte, dass sie … , usw.1

Mit solchen Worten, genau an der Stelle, an der ein Isnad stehen sollte, drückt der Verfasser/Überlieferer seinen eigenen Zweifel am Wahrheitsgehalt des Berichts aus – und das gleich dreimal.
Anderswo leitet Ibn Ishāq in seinen sīra-Texten einen Bericht manchmal so ein: „Jemand, dem ich vertraue …,“ oder: „Jemand, dem ich nicht misstraue, hat mir erzählt ….“. Ibn Isḥāq hätte dort auch ganz schweigen können, aber er hielt es wohl für nötig, an diesen Stellen doch etwas Isnad-Ähnliches anzubieten. In solchen Fällen können wir von Isnad-Ersatz reden.
Deutlich „schuldbewusst“ ist auch ein Isnad wie dieser:

  • 1. Ibn Isḥāq sagt:
    2. ‘Abd al-Malik ibn ‘Abdallāh ibn Abī Sufyān ibn al-‘Alā’ ibn Djāriya ath-Thaqafī, der sehr viel Kenntnis besaß, hat mir erzählt
    3. auf Gewähr eines Gelehrten (ba‘d al-‘ulamā’),
    4. dass der Prophet … usw. 2

Dieser Isnad ist wertlos, denn das dritte Glied ist gleich Null. Ibn Isḥāq dehnt das zweite Glied extra weit aus, mit vielen Namen und einem lobenden Prädikat, in der offensichtlichen Hoffnung, dass hierdurch das mangelhafte dritte Glied nicht auffallen möge.

ANMERKUNGEN
1. Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, uitg. F. Wüstenfeld, 2 Tle., Göttingen 1858–60, 101.
2. Das Leben Muhammed’s, 151.

Diakritische Zeichen: Muḥammad ibn Isḥāq, quṣṣāṣ, ʿAbd al-Malik ibn ʿAbdallāh ibn Abī Sufyān ibn al-ʿAlāʾ ibn Ǧāriya aṯ-Ṯaqafī, baʿḍ al-ʿulamāʾ

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Hadith, Isnad (Kurzdefinitionen)

Ein Hadith oder „Tradition“ (Arabisch hadīth, Pl. ahādīth حديث، أحاديث) ist eine meist kurze Überlieferung, „die Worte des Propheten mitteilt oder von einer Handlung des Propheten berichtet. Eine Sondergruppe bilden Hadithe, die berichten, was eine Person (oder Personengruppe) im Beisein des Propheten getan oder gesagt hat, während der Prophet dies nicht weiter kommentierte. Die Muslime interpretieren dies als stillschweigendes Einverständnis des Propheten.“ (→ Schöller, Nawawī, S. 265). Ein Hadith hat meist die Form eines Augenzeugenberichts von einem Zeitgenossen, einem „Gefährten“ (sāhib, Pl. ashāb; صاحب، أصحاب , engl. Companion) des Propheten. Vor dem Text steht grundsätzlich eine Überliefererkette (isnād) mit den Namen der mündlichen Überlieferer.

Der Isnad (Arabisch isnād إسناد) ist die Überliefererkette, in der die Namen der mündlichen Überlieferer eines Hadith aufgelistet werden. Typisch ist das Wörtchen ‘an عن , „auf Gewähr von,“ „auf Autorität von“.

  • Beispiel eines ḥadīt:
    Überliefererkette (isnād): A überlieferte von (‘an) B, der es gehört hatte von (‘an) C: D hat mir überliefert:
    Text (matn): „Der Prophet verrichtete das Gebet am Grab nach der Beerdigung, und er sprach dabei vier Mal das Allāhu akbar aus.“

Also, nicht zu verwechseln sind:

  • Die Sunna des Propheten ist das normbildende Verhalten des Propheten, ein abstrakter Begriff.
  • Hadithe oder Traditionen sind die T e x t e, in denen die Sunna niedergelegt worden ist.

Ein Hadith ist ein Text dieser Gattung; der Hadith als Sammelbegriff auch: die Hadithliteratur, die gesammelten Hadithe.

LITERATURHINWEISE:
– Yaḥyā ibn Sharaf al-Nawawī, Das Buch der vierzig Hadithe. Kitāb al-arbaʿīn, mit dem Kommentar von Ibn Daqīq al-‘Īd, Übers u. Hrsg. Marco Schöller, Frankfurt/Leipzig 2007. [In diesem Buch versteckt sich S. 265–307 die neueste deutschsprachige Einleitung in die Hadithliteratur.]
– Ignaz Goldziher, Muhammedanische Studien, Halle 1888-90, ii, 1–274 (Kap. „Über die Entwickelung des Ḥadîth“). [Ältere Wissenschaft, aber gemütlich lesbar. Vermittelt einen guten ersten Eindruck in die Gattung.]

Weiteres zum Hadith im Lesewerk Arabisch
HadithsammlungenHadithe suchen und zitieren.
Wovon handeln Hadithe?
– Islamische Hadithkritik: Hadiththeorie und -kritik, islamisch. Die Überliefererketten (Isnade). Die Inhalte (mutūn)
– Nichtislamische Hadiththeorie und -kritik: Die Entstehungsgeschichte des Hadith. Die Inhalte (mutūn). Die Überliefererketten (Isnade): Der Isnad als ErzählungDie Isnade des Ibn Isḥāq. Hadithe datieren: die Common-Link-Theorie.
– Behandelte Hadiththemen:
Der Prophet als Hirte. Mohammed und Aischa: Ehe mit einem Kind? Mohammed: Eselreiter oder Kamelreiter? Die Maultiere des Propheten. Katzen, Hunde und der Prophet. Das Lachen des Propheten. Ibn Sayyad (engl. Artikel). The chewstick (siwak) of the Prophet. Ibrahim, der Sohn des Propheten. Die Koptin Mariya. Ansteckung oder Vorherbestimmung?  Die Bestrafung im Grab. Ibn Sayyad (englischssprachiger Artikel)Komisches Kerlchen zerstört die Kaʿba: Dhu as-SuwaiqatainDer Negus von Abyssinien. Der Antichrist auf der Insel. Das Sperma der Frau. Umar und der Prophet.
Des Weiteren können Sie Hadith als Suchbegriff im Suchfenster in der rechten Spalte eingeben.
Weitere Kurzdefinitionen: Anlässe der Offenbarung, DhimmiFatwa, Isra’iliyatKalif, Koranauslegung, Muslim, Naskh, ProphetenerzählungenSabab an-nuzulSchariaSiraSunnaTafsirTaqiya,

Diakritische Zeichen: ḥadīth, aḥādīth, ṣāḥib, aṣḥāb

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Sunna (Kurzdefinition)

Sunna ist „Verhalten, Brauch, gewohnte Handlungsweise, überlieferte Norm“. Heutzutage denkt man bei sunna meist sofort an die sunna des Propheten: dasjenige, was der Prophet Mohammed gesagt, getan, geduldet oder bewusst unterlassen hat. Sie ist in verbürgten Traditionen (Hadith) und zum Teil auch in der Prophetenbiographie (sīra) niedergelegt worden.
Die sunna ist also ein Abstraktum; nicht etwas Greifbares, wie ein Text oder ein Buch oder Bücher. Die relevanten Texte sind die Hadithe, und es ist gut die beiden Begriffe auseinander zu halten.

  • Noch mal:
    Sunna ist das normbildende Verhalten des Propheten.
    Hadithe sind T e x t e, in denen die sunna niedergelegt worden ist.

Dazu kommt noch, dass es kein fest umschriebenes Corpus von Texten gibt, die Träger der sunna wären. Die Texte selbst sind manchmal unter einander in Widerspruch oder zweideutig und auf jeden Fall einer Interpretation unterworfen.
Phrasen wie: „In der sunna steht …“ oder „Die sunna sagt …’, oder die Frage: „Wer hat die sunna geschrieben?“ sind deshalb nicht sinnvoll. Die Wortkombination „Reformierung der sunna“ (Wikipedia) ist ebenfalls unsinnig. An Verhalten und Aussagen des Propheten gibt es nichts mehr zu reformieren, und die alten Hadithe, die darüber berichten, lassen sich ebensowenig neu schreiben. Was man mit Reformierung meint, ist vielleicht die Ablehnung der sunna als Quelle der Scharia, oder eine Änderung in der Wertschätzung der Hadithe, oder eine Einschränkung der Texte, die man als Erkenntnisquelle der sunna akzeptieren will. Dann sollte man dies aber präziser ausdrücken.

Kurzdefinitionen: Anlässe der Offenbarung, DhimmiFatwa, Hadith, Isnad, Isra’iliyatKalif, Koranauslegung, Muslim, Naskh, ProphetenerzählungenSabab an-nuzulSchariaSiraTafsirTaqiya

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Der Lohn der Märtyrer

🇳🇱 Junge islamische Märtyrer dürften sich am meisten auf das Paradies freuen wegen des Verkehrs mit den Huris. Eine weit verbreitete Überzeugung ist, dass jeder Märtyrer nach seinem Tod sofort in das Paradies kommt, wo zweiundsiebzig Jungfrauen ihn erwarten.
Maher Jarrar1 hat die Verbindung zwischen Märtyrertod und Huris erforscht in Texten von ‘Abdallāh ibn al-Mubārak (736–797),2 die größtenteils nicht mit einer korrekten Überlieferungskette (Isnad) auf den Propheten zurückgehen und daher für Muslime keine große Autorität besitzen. Trotzdem haben diese und ähnliche Texte durch die Jahrhunderte Männer von himmlischen Bräuten für tapfere Krieger träumen lassen, auch in Zeiten, als es gar keinen Krieg gab. In manchen dieser Texte äugeln die Huris bereits auf dem Schlachtfeld mit den Kämpfern.
Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die Märtyrer nach ihrem Tod gerade in diesem Punkt schlecht wegkommen werden. Der Koran bleibt vage in Bezug auf das Wie und Wann der Belohnung für ihren kriegerischen Einsatz. An verschiedenen Stellen im Koran werden die Paradiesjungfern erwähnt, aber nicht speziell in Verbindung mit Märtyrern. Die Rede ist von einem gewaltigen Lohn, von Barmherzigkeit und Vergebung, und vom Paradies; die Märtyrer werden zu Gott versammelt werden (K. 3:158). Aber das alles wird auch den anderen Gläubigen zuteil. Das wirklich Besondere ist, dass die Märtyrer nicht tot sind:

  • Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind. Nein, sie sind lebendig, und ihnen wird bei ihrem Herrn Lebensunterhalt gegeben.“3

Die Auslegung und die Hadithe des Propheten zu diesem Thema sind nicht einstimmig. Der Gedanke, dass Märtyrer sofort nach ihrem Tode ins Paradies eintreten werden, ist alt, wie eine Passage bei Ibn Ishāq (704-767) beweist. Als die Muslime eines Tages das kostbare Gewand eines besiegten Kleinkönigs bestaunten, sagte der Prophet:

  • „Findet ihr das schön? Bei Ihm, in dessen Hand mein Leben ist: die Servietten von Sa‘d ibn Mu‘ādh im Paradies sind viel schöner!“ 4

Sa‘d war ein Märtyrer, denn er war kurz zuvor an einer Kriegsverletzung gestorben. Von Huris wird hier nicht gesprochen; Sa‘d sitzt offenbar an einem Festgelage. In der als kanonisch geltenden Hadithliteratur, die von allen frühen Texten außer dem Koran unter Muslimen das meiste Prestige hat, kommen diese zweiundsiebzig Huris nur einmal vor:

  • Der Prophet hat gesagt: „Ein Märtyrer hat sechs Verdienste bei Gott: Ihm wird beim ersten Blutschwall Vergebung gewährt, ihm wird sein Platz im Paradies gezeigt,5 er wird vor der Bestrafung im Grabe geschützt, er ist vor dem allergrößten Schrecken6 sicher, ihm wird die Krone der Würde aufgesetzt, deren Rubin prachtvoller ist als die ganze Welt und was darin ist, ihm werden zweiundsiebzig großäugige Huris geschenkt und er wird für siebzig Verwandten zum Fürsprecher gemacht.” 7

Der Augenblick, in dem die Märtyrer mit diesen Huris vereinigt werden sollen, bleibt unklar. Der Text ist ein sogenannter Sammelhadith: Hier wird eine Anzahl von Verdiensten der Märtyrer so summarisch aufgelistet, dass jeder einzelne an anderer Stelle wohl ausführlicher besprochen worden sein muss. In den kanonischen Hadithsammlungen hat das jedoch keine Spuren hinterlassen. Es gibt nur einen Hadith, der um 800 mit einem unvollständigen, um 850 auch mit einem vollständigen isnād überliefert wird: Als in Anwesenheit des Propheten einmal über Märtyrer geredet wurde, sagte er:

  • „Das Erdreich ist noch nicht trocken vom Blut eines Märtyrers, da kommen schon seine beide Gattinnen herbeigeeilt, wie Kamelstuten, die ihre Jungen in einem weiten Land verloren haben. Jede von beiden erscheint in einem Gewand, das prachtvoller ist als diese ganze Welt und was darin ist.“ 8

Hier werden also nur zwei Frauen erwähnt, die zwar sofort nach dem Martyrium zur Verfügung stehen, aber deren Verlangen nach den Märtyrern mit dem Mutterinstinkt (!) von Kamelstuten verglichen wird.

Mindestens so weit verbreitet wie die Hadithe bezüglich der sofortigen Aufnahme ins Paradies ist die Auffassung, dass die Märtyrer nach ihrem Tod nicht sofort dorthin gehen. „Die Märtyrer sind an der Bāriq,“ heißt es bei Ibn Ishāq, „ein Fluss beim Paradiestor, in einem grünen Rundzelt, und ihren Lebensunterhalt bekommen sie morgens und abends aus dem Paradies.“ 9 Dies scheint eine Art Warteraum für das jüngste Gericht zu sein. In dieser Vorstellung existiert das Paradies schon, aber es ist noch nicht zugänglich. Der Koranausleger at-Tabarī (839–923) weiß es genau:

  • Sie sind bei ihrem Herrn, sie werden ernährt mit den Früchten aus dem Paradies und sie riechen dessen Brise, aber sie sind nicht darin. Ihr Privileg in dem Zwischenzustand (barzakh) ist, dass sie ernährt werden mit Paradiesnahrung, die vor der Auferstehung niemand außer ihnen zu essen bekommt.

At-Tabarīs Auffassung wird durch den sogenannte „Vogelhadith“ gestützt. Dieser ist in zahlreichen Fassungen mit und ohne anerkannten Überlieferungskette überliefert worden. Eine kurze Fassung lautet:

  • Die Seelen der Märtyrer befinden sich in der Gestalt weißer Vögel, die sich von den Paradiesfrüchten ernähren.11

Und eine längere Fassung, die wahrscheinlich älter ist:

  • Der Prophet hat gesagt: „Als eure Brüder in Uhud gefallen waren, tat Gott ihre Seelen in das Innere grüner Vögel, die aus den Flüssen des Paradieses trinken, von seinen Früchten essen und nisten in goldenen Lampen im Schatten von Gottes Thron. Als sie den Wohlgeruch ihres Essens und ihrer Getränke rochen und die schöne Stätte ihrer Mittagsruhe gewahr wurden, sagten sie: ‘Ach, wenn doch unsere Brüder wüssten, was Gott uns getan hat, so dass sie den Dschihad nicht aufgeben und nicht vor dem Kampf zurückschrecken.‘ Dann sagte Gott: „Ich werde ihnen von euch berichten.“ Darauf offenbarte Er: „Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind“ … (folgt der Rest des Verses).12

Nach diesem Text suchen die Märtyrer in diesen Vögeln oder durch sie Nahrung im Paradies, wo sie sogar Siesta halten, aber sie wohnen dort nicht. Ihr Aufenthaltsort ist sehr nahe bei Gott; vielleicht ist es dort sogar besser als das Paradies. Huris gibt es an dem Ort bestimmt nicht, aber in ihrem Zustand hätten sie wohl kaum Bedürfnis danach.

Wie wird es übrigens den Märtyrerinnen vergehen? Die Tschetschenische Terroristin, die 2002 im dem Moskauer Theater von der russischen Polizei getötet wurde, wird vielleicht da oben mit ihrem Gatten vereint, der ja auch getötet wurde. Aber unverheiratete palästinensische Mädchen, die sich und einige Mitmenschen „für Gottes Sache“ in die Luft jagen, worauf können die sich freuen? In einem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm von Dan Setton und Helmar Büchel: In Gottes Namen: Die Rekruten des heiligen Krieges, wird kleinen pakistanischen Mädchen in der Schule erzählt, dass Märtyrerinnen ins Paradies kommen. Dazu wird jedoch nicht gesagt, wann das sein wird, und ebenso wenig, dass sie dorthin als normale Gläubige auch kommen würden. Eine ältere Frau im Film erwartet etwas ganz Konkretes: sie glaubt, dass die zweiundsiebzig Huris ihr im Haushalt helfen werden. Die Hadithe des Propheten haben weibliche Märtyrer einfach nicht vorgesehen. Auf dem Schlachtfeld sollen die Frauen Wasser reichen und die Verletzten versorgen. Von der Kriegsbeute bekommen sie auch nichts; bestenfalls eine kleine Aufmerksamkeit, wie die Sklaven auch.13

Der Lohn der Märtyrer ist also in den maßgebenden Texten des Islam nicht eindeutig festgelegt, und der der Märtyrerinnen noch weniger. Frauen halten sich vielleicht am besten an dem „Vogelhadith“, die ihnen wenigstens Rechtsgleichheit von Mann und Frau bietet.

ANMERKUNGEN
1. Maher Jarrar, „The martyrdom of passionate lovers. Holy war as a sacred wedding,“ in Angelika Neuwirth et al. (hrsg.), Myths, historical archetypes and symbolic figures in Arabic literature. Towards a new hermeneutic approach, Beirut 1999, 87–107.
2. ‘Abdallāh ibn al-Mubārak, Kitāb al-Djihād, Tunis 1972@, Dschidda o.J. und online.
3. K. 3:169; auch 2:154.
4. In: Das Leben Muhammed’s nach Muhammad Ibn Ishâk, bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hg. Ferdinand Wüstenfeld, Göttingen 1858-60, S. 903. In der Übersetzung von Alfred Guillaume, The Life of Muḥammad, Oxford 1955, sind die Seitenzahlen dieser Ausgabe am Rande gedruckt.
5. Vgl. Koran 47:6, … in den Garten, den Er ihnen zu erkennen gegeben hat. Siehe auch die Paradiesbeschreibung hier.
6. Der jüngste Tag.
7. At-Tirmidhī (825–892), Fadāʾil al-djihād 25; vgl. Ahmad ibn Hanbal (780–855), Musnad iv, 131; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2799.
8. ‘Abd ar-Razzāq as-San‘ānī, Musannaf, Beirut 1972, 19832, no. 9561 (‘Abd ar-Razzāq lebte von 744– 827; seine Traditionssamlung ist lange unbeachtet geblieben); Ahmad ibn Hanbal, Musnad ii, 297, 427; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2798.
9. Ibn Ishāq, o. c. 605; bei Ahmad ibn Hanbal, Musnad i, 266 ist dies ein Hadith des Propheten.
10 At-Tabarī, Tafsīr zu Koran 2:154.
11. ‘Abd ar-Razzāq as-Sanʿānī, Musannaf no. 9553.
12. Ibn Ishāq, o. c. 604–5; Muqātil ibn Sulaimān (gest. 767), Tafsīr, Kairo 1979, i, 314; at-Tabarī, Tafsīr zu Koran 3:169; Abū Dāwūd, Djihād 25.
13. Muslim, al-Djihād was-siyar, 134–142.

Diakritische Zeichen: Ibn Isḥāq, Saʿd ibn Muʿāḏ, aṭ-Ṭabarī, barzaḫ, Uḥud, Ǧihād, at-Tirmiḏī, Faḍāʾil al-ǧihād, Aḥmad ibn Ḥanbal, Ibn Māǧa, aṣ-Ṣanʿānī, Muṣannaf, aṭ-Tabarī

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Das Lachen des Propheten

Jesus weinte (Joh. 11:35). Der Buddha lächelt, indische Gurus lächeln auch, manche etwas zwielichtig. Andere Gründerfiguren wie Lenin, Hitler oder Khomeini schauen meistens grimmig oder griesgrämig drein. Laut zu lachen, das gehört sich nicht für einen geistigen Führer. Fromme Menschen lassen schon Raum für „angemessene Freude,“ aber lautes Gelächter wird schon bald mit dem schallenden Gelächter der Hölle in Verbindung gebracht. 1
Der Prophet Mohammed dagegen hat laut gelacht. So ist es zumindest in einigen Hadithen zu lesen: „Der Prophet lachte so, dass man seine Eckzähne sah.“ 2 Ein Geräusch machte er auch dazu: „Wenn der Prophet lachte, sagte er: qah qah 3 — was wohl dem deutschen Ha ha entspricht.
Andererseits gibt es auch einen Hadith , aus islamischer Sicht genau so gut verbürgt, in der es heißt: „Wenn der Prophet lachte, lächelte er nur,“ 4 und in vielen Texten, in denen der Prophet lachend geschildert wird, steht nicht einmal mehr das Wort „lachen“ (dahika), sondern man hat schon gleich „lächeln“ (tabassama) geschrieben.5
Wer alle korrekt überlieferte Hadithe
on und über den Propheten als Augenzeugenberichte auffasst, bekommt hier vielleicht ein Problem. Denn wie ist das „nur Lächeln“ des Propheten mit seinem ausgelassenen, schallenden Lachen in Einklang zu bringen? Es sind nicht nur tiefgläubige Muslime, die hierüber grübeln können. Der deutsche Orientalist Sellheim hat manchem Fachkollegen einen Lachkrampf beschert mit seiner These, dass der Prophet so etwas wie eine Hasenscharte hatte. Nur so könne er zur gleichen Zeit lächeln und auch seine Eckzähne entblößen! Der Artikel des Gelehrten ist sogar illustriert: man sieht ein Lippenpaar, das die Vorderzähne bedeckt, aber die Eckzähne sichtbar lässt.
In diesem Fall hat ein humorloser Orientalist getan, was normalerweise nur Theologen und fromme Menschen tun: er hat sein Heil in dem Harmonisieren von Texten gesucht. Genau wie ein traditioneller Schriftgelehrter hat Sellheim alle Hadithe für Augenzeugenberichte gehalten und nicht ertragen können, dass sie zueinander in Widerspruch stehen. Beim Harmonisieren wird an den Texten gerüttelt und gedreht, Wörtern wird eine andere Bedeutung als die normale gegeben; strittige Behauptungen schließen einander aus, aber „eigentlich“ sollen sie dasselbe bedeuten. Die Ergebnisse von Harmonisierung sind intellektuell unbefriedigend und oft einfach albern.
Zurück zu den Texten. Es gibt also zwei Arten Hadithe über das Lachen des Propheten: die, in denen er schallend lacht, und die, in denen er nur lächelt. Beide sind sprachlich völlig klar: an den Wortbedeutungen gibt es nichts herumzubasteln. Am Wortlaut der Texte ist erkennbar, dass es keine neutralen Mitteilungen sind, sondern dass die Sprecher mit gewisser Betonung einen Standpunkt hervorbringen wollen. Denn warum würde sich jemand die Mühe machen, zu verkünden, dass der Prophet immer nur lächelte, wenn nicht zuvor jemand das Gegenteil gedacht oder gesagt hatte? Anderseits hat, nach den Texten mit schallendem Gelächter, der Prophet seinen Mund sperrangelweit aufgesperrt und dabei auch Geräusche von sich gegeben. Es sieht aus, als hätten sich deren Erzähler aufgeregt über das nur fade Lächeln, das man ihrem Propheten andichten wollte. Die Lächelfaktion schlug zurück, indem sie mittels einer Aussage Aischas dem Propheten übertriebenes Lachen absprach und zugleich das Lächeln propagierte: „[…] Ich habe nie gesehen, dass der Prophet lachte bis ich sein Zäpfchen sah; er lächelte immer nur.“ 6
Es betrifft keine Berichte aus der Zeit des Propheten, aber man hat in den Hadithen die Frage diskutiert, ob und wie der Prophet gelacht hat. Die Frage war wichtig, denn das Vorbild des Propheten war und ist bestimmend für das Verhalten der Muslime.
Die Idee der Antike, ein Prophet, Gründer, Führer, usw. habe ein ernsthafter Mann zu sein, für den schallendes Gelächter unpassend ist, hatte also im frühen Islam schon Anhänger. Aber es gab auch genügend Muslime, die dies energisch bestritten und auch die Texte mit schallendem Gelächter in den islamischen ‘Kanon’ aufgenommen zu bekommen wussten, nämlich in die Hadithsammlungen von al-Bukhārī und Muslim. Der Widerspruch ist nie aufgelöst worden; wie immer kann jeder sich die Hadithe wählen, bei denen er oder sie sich am wohlsten fühlt. Das Lachen hat also im Islam durchaus Chancen.

Hier folgt ein Witz in Form eines Hadiths auf Kosten des islamischen Rechts, in dem man den Propheten selbst mitlachen lässt:

  • … von Abū Huraira: Wir saßen beim Propheten, als ein Mann vorbeikam, der sagte: „Prophet, es ist um mich geschehen!“
    Der Prophet fragte: „Wieso, um dich geschehen?“
    „Ich habe während des Fastens im Ramadan mit meiner Frau geschlafen.“
    „Hast du einen Sklaven, den du als Sühne freilassen kannst?“
    „Nein.“
    „Kannst du zwei Monate hinter einander fasten?“
    „Nein.“
    ‘Hast du die Möglichkeit, sechzig Arme zu speisen?“
    „Nein.“
    Darauf setzte sich der Mann zu uns. Inzwischen wurde dem Propheten ein großer Korb Datteln gebracht. Er fragte: ‘Wo ist der Mann von gerade eben?“
    „Hier bin ich,“ rief der Mann.
    „Nimm diese Datteln und verschenke sie als Almosen!“
    „An Menschen, die noch bedürftiger sind als ich, Prophet? Bei Gott, es gibt in Medina keine Familie, die sie mehr braucht als die meine!“
    Darauf lachte der Prophet so laut, dass man seine Backenzähne sehen konnte, und er sagte: „Gut, bring sie dann zu deiner Familie!“ 7

 

ANMERKUNGEN
1. Vgl. Jesus Sirach 27:13:„Die Rede der Narren ist unerträglich, und sie lachen, wenn sie in Sünden  schwelgen.“
2. Bukhārī, Adab 68: فضحك النبي ص حتى بدت نواجذه  u.v.a!
3. Oder ’ih ’ih Quelle@!!.
4. U.a. at-Tirmidhī, Manāqib 1: مَا كَانَ ضَحِكُ رَسُولِ اللَّهِ  ص إِلَّا تَبَسُّمًا. Bukhārī, Libās 6 KONTROLLE@  Vgl. Jesus Sirach 21:29: „Ein Narr lacht überlaut; ein Weiser lächelt nur ein wenig.“
5. Al-Bukhārī, Ādhān 46, 94: ثم تبسم يضحك
6. Bukhārī, Tafsīr S. 46, 2, Muslim, Istisqā’ 16 u.a.:  ما رأيت رسول الله ص ضاحكا حتى أرى منه لهواته إنما كان يتبسم.
7. Al-Bukhārī, Saum 30; Muslim, Siyām 81.

BIBLIOGRAPHIE
– Rudolph Sellheim, „Das Lächeln des Propheten,“ in: Festschrift für A. E. Jensen, München 1964, 621–630.
– Ludwig Amman, Vorbild und Vernunft. Die Regelung von Lachen und Scherzen im mittelalterlichen Islam, Hildesheim 1993.

Diakritische Zeichen: ḍaḥika, al-Buḫārī, at-Tirmiḏī, āḏānṣaum, ṣiyām

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