Mohammeds Katze Made in China?

Bekannt ist eine obskure, sehr späte aber rührende Geschichte, die gerne erzählt wird um Mohammeds Liebe für seine Katze Mu‘izza und für Katzen im Allgemeinen zu illustrieren.:

  • Eines Tages wollte der Prophet aufstehen zum Gebet, aber die Katze lag schlafend auf dem Ärmel seines Gewandes. Um das Tier nicht zu wecken schnitt er den Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand beim Gebet. Als er zurückkam aus der Moschee dankte Mu‘izza ihm, indem sie sich verneigte.

Für diese Anekdote fand ich nur zwei Quellen, die beide keine sind: Wikipedia und ein Buch der Katzenliebenden Orientalistin Annemarie Schimmel.1 Obwohl sie eine Gelehrte war, gibt sie auch keine wirkliche Quelle. Kurz gesagt, es ist unbekannt, woher die Geschichte stammt.

Die Erzahlung gibt es aber auch in ganz anderer Besetzung. Nach dem chinesischen Historiker Bān Gù (32–92) versuchte der Han-Kaiser Āi dì (reg. 7–1 v.Chr.) einmal aufzustehen, als sein Geliebter auf dem Ärmel seines Gewandes eingeschlafen war. Um ihn nicht zu wecken schnitt er seinen Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand in der Öffentlichkeit. Seine Hofdiener übernahmen darauf diese Tracht um die Liebesbeziehung zu feiern.

Patrick Huang in London hat mir den chinesischen Originaltext geschickt. Ich kann ihn selbst nicht lesen, aber ich drucke ihn hier ab für diejenigen, die es können.2 Huang merkt an, dass das Hàn Shū 漢書, die Schrift des Bān Gù 班固, in dem die Geschichte vorkommt, ein großes historisches Werk mit offiziellem Status ist, das sich ausschließlich mit China befasst. Obwohl es auch in Korea, Japan und Vietnam gelesen wurde, hatte es dem „Westen“ nichts zu bieten und wird wohl nicht in die islamische Welt gebracht worden sein. Die Geschichte dieser homosexuellen Liebe und des Ärmels ist Huang zufolge in der chinesischen Überlieferung mehrmals überliefert und sogar sprichwörtlich geworden.

Von der Flöte oder dem Rad kann man sich vorstellen, dass sie mehrmals an verschiedenen Orten in der Welt erfunden wurden. Auch gibt es Motive in der Mythologie und in Volksmärchen, die universell erscheinen. Aber eine solch spezifische Erzählung wird nur einmal erfunden und macht danach eine Reise durch die Kulturen. Die chinesische Erzählung ist mindestens acht Jahrhunderte älter als die islamische; wahrscheinlich noch viel mehr. Wie aus dem Kaiser ein Prophet und aus seinem Freund eine Katze wurde, bleibt unklar.

Noch komplizierter wird es durch den Hinweis von Patrick Huang auf ein undatierbares japanisches(!) Bild, das eine Frau zeigt, die die Kante ihres Kimonos abschneidet, um eine schlafende Katze nicht zu wecken.3 Das Bild erwähnt ein Gedicht von Ki no Tsurayuki 紀 貫 之, einem Japanischen Dichter des 9. Jahrhunderts, in dessen Werk das Motiv jedoch nicht vorkommt. Der Verweis scheint apokryphisch und das Bild frühneuzeitlich zu sein.

Wie das Motiv durch die Welt gereist ist bleibt schleierhaft.

ANMERKUNGEN
1. Wikipedia und Annemarie Schimmel, Die orientalische Katze. Geschichten, Gedichte, Sprüche, Lieder und Weisheiten, München [1989], S. 11. Weder die Wikipedia noch Frau Schimmel bietet einen brauchbaren Quellennachweis.
2. 賢傳漏在殿下,為人美麗自喜,哀帝望見,說其儀貌,識而問之,曰:「是舍人董賢邪?」因引上與語,拜為黃門郎,繇是始幸。問及其父為雲中侯,即日徵為霸陵令,遷光祿大夫。賢寵愛日甚,為駙馬都尉侍中,出則參乘,入御左右,旬月間賞賜絫鉅萬,貴震朝廷。常與上臥起。##嘗晝寢,偏藉上袖,上欲起,賢未覺,不欲動賢,乃斷袖而起##。其恩愛至此。Es ist der biografische Teil zu Dong Xian 董賢, der Freund des Kaisers Āi dì 哀帝. Der Satz ab ## handelt vom Abschneiden des Ärmels.
3. https://twitter.com/aymro/status/989647167844335618?lang=en

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