Manchmal arbeite ich an der Herausgabe eines arabischen Textes, Kitāb al-i‘tibār fī al-malakūt,1 wohl datierend auf ca. 850, der ungefähr hundert teleologische Gottesbeweise enthält (arguments from design).
Die Gottesbeweise laufen meist wie folgt. Erst kommt die Beschreibung von etwas in der Schöpfung, was besonders kompliziert oder zweckmäßig oder schön ist. Darauf wird gesagt, dass etwas so Kompliziertes usw. doch unmöglich durch Zufall zu Stande gekommen sein könne, und dass also ein intelligenter Entwerfer dahinter stecken müsse. In diesem Text wird dieser nicht Gott genannt, sondern der Schöpfer, der Entwerfer u.Ä..
Ist der Gottesbeweis nicht längst veraltet? Ja, aber in den USA ist er wieder quicklebendig. Unter Christen, die die Evolutionstheorie ablehnen, läuft er unter Intelligent Design. Und in der islamischen Welt passt er den Konservativen auch sehr gut, so dass das Kitāb al-i‘tibār neu aufgelegt wird und auch im Internet bruchstückweise verbreitet wird. Der Koran ist voller Hinweise auf die Zeichen Gottes in der Schöpfung, so dass der „Markt“ für ausgearbeitete Gottesbeweise noch sehr lange gegeben sein wird.
Warum sitze ich an einem Text mit solch altem Kram? Nicht um etwa doch noch die Existenz Gottes zu beweisen, sondern weil es interessant ist zu sehen, wie Texte seit der Antike zirkulierten und ständig wiederholt und neu überarbeitet wurden. Mein Text ist nämlich gar nicht islamisch, sondern vielmehr christlich, mit einem gehörigen Schuss Antike. Spuren von Xenophon und Cicero findet man darin, aber auch Gedankengut aus De providentia vom Kirchenvater Theodoret (393–±460). Das Kompendium ist irgendwann ins Syrische übertragen worden, und ins Mittelpersische, und von dort ins Arabische. Es muss Leser gegeben haben, die das Büchlein in seiner ältesten Fassung nicht islamisch genug fanden, denn eine etwas mehr islamisierte Überarbeitung ist auch bewahrt geblieben.
Die Sammlung ist also interessant weil sie die Möglichkeit bietet, die Überlieferung alter griechischen Texte in arabischer Übersetzung zu verfolgen. Manchmal kann mit Hilfe des Arabischen ein mangelhaft überlieferter griechischer Text besser verstanden, oder ein im griechischen Original nicht mehr existierender Text sichergestellt werden. Und auf jeden Fall wird mal wieder ersichtlich, wie die westliche Kultur im Laufe der Jahrhunderte einen großen Kreis beschrieben hat: von Griechenland und Rom über Syrien und Irak nach Spanien und Sizilien. In Europa tat man daraufhin, als hätte man alles nur direkt von den Griechen übernommen oder selbst erfunden; ein Übel, von dem wir immer noch nicht ganz frei sind.
Hier folgt eine Kostprobe aus der ältesten Fassung, und zwar zum Rüssel des Elefanten. Welche Handschriften ich benutzt habe verrate ich später mal.
- Schau doch mal auf den Rüssel des Elefanten, wie subtil der entworfen worden ist. Diesem Tier ersetzt er eine Hand um Futter und Wasser aufzunehmen und zu seinem Magen zu bringen. Ohne ihn hätte er nichts vom Boden aufnehmen können, denn er hat keinen Hals, den er hätte ausstrecken können, wie die anderen Pflanzenfresser. Aber weil ihm kein Hals gegeben worden war, wurde ihm stattdessen der lange Rüssel beschert, den er herunterhängen lassen kann um hochzuheben was er braucht. Dieser ist hohl gemacht, so dass dadurch Futter und Wasser zu seinem Magen gebracht werden können. Überdies ist er seine Waffe, mit dem er geben und nehmen, sich verteidigen und angreifen kann.
Und wer ist derjenige, der ihm etwas als Ersatz für das fehlende Körperteil gegeben hat, wenn nicht der gütige Schöpfer? Wie hätte so etwas durch Zufall zu Stande kommen können, wie die Sünder behaupten?
Wenn du jetzt fragst: Warum hat er ihn nicht mit einem Hals erschaffen, wie die anderen Pflanzenfresser auch? so antworten wir nach dem Maße unserer Kenntnis und sagen: Der Kopf und die Ohren eines Elefanten sind enorm groß und sehr schwer. Wenn diese auf einem Hals ruhen würden, würde er sie nicht tragen können und zerbrechen. Um das zu verhindern, ist der Kopf unmittelbar am Körper befestigt, und anstatt eines Halses ist für ihn also der Rüssel erschaffen worden, mit dem er sein Futter aufnehmen und auch ohne Hals alle seine Bedürfnisse erfüllen kann.
Weitere Gottesbeweise: Der Drache und die Wolken Die Giraffe Der Schöpfer beugt Inflation vor Der schreiende Hirsch Die Stimme. Ein Gottesbeweis mit Dudelsackvergleich Der Penis als Gottesbeweis Die Dummheit von Babys als Gottesbeweis
ANMERKUNG
1. Auch bekannt als Dalā’il al-i‘tibār. Das kleine Werk wird oft al-Ǧāḥiẓ (gest. 868) zugeschrieben. Die erste (nicht-kritische) Ausgabe erschien 1928 in Aleppo.
أنظر الى مشفر الفيل وما فيه من لطف التدبير فانّه صار يقوم له مقام اليد في تناول العلف والماء وايرادهما جوفه. فلولا ذلك لما استطاع أن يتناول شيئًا من الأرض، فانّه ليست له عنق يمدّها كسائر الأنعام. فلمّا عدم العنق أخلف عليه مكان العنق ذلك الخرطوم الطويل ليسدله ويتناول به حاجته. وجُعل أجوف لأنّه وعاء لما يحمل الى صدره من طعامه وشرابه وأيضًا فهو سلاحه وبه يعطي ويتناول ويقابل ويصول . فمن الذي عوّضه مكان العضو الذي عدمه ما يقوم له مقامه الاّ الرؤوف بخلقه؟ وكيف يأتي مثل هذا بالاهمال كما قال الظلمة؟ فان قلت: ما باله لم يخلق ذا عنق كسائر الأنعام؟ أجبنا بمبلغ علمنا فقلنا: انّ رأس الفيل وأذنيه أمر عظيم وثقل ثقيل، فلو كان ذلك على عنق لهدّها وأوهنها. فجعل رأسه ملصقًا بجسمه لكيلا يناله منه شيء مما وصفنا وخلق له مكان العنق هذا المشفر يتناول به غذاءه فصار مع عدمه العنق مستوفيًا ما فيه بلوغ حاجته.
Vgl. Arist. PA 658b-659a; Physiologus syr. no. 10; Basil. Hom IX, 85D-86A, Übers. 133
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