Der Penis als Gottesbeweis

Wieder mal ein Fragment aus dem arabischen, überwiegend christlichen Text von Gibrīl ibn Nūh al-Anbārī,  Kitāb al-i‘tibār fī al-malakūt,1 eine Sammlung von ungefähr hundert teleologischen Gottesbeweisen (arguments from design) aus dem 9. Jahrhundert. Ich hatte hier schon mal etwas zu diesem Text erzählt und ein Fragment zum Rüssel des Elefanten präsentiert. Ein Fragment zur Dummheit von Babys steht hier.

Heute ein Text zum Penis des Mannes:

  • Verflucht seien Epikur und seinesgleichen, denn ihre Herzen sind so blind für diese wunderbare Schöpfung, dass sie deren Entwurf und Zweckmäßigkeit verneinen.
    Wenn das Geschlechtsteil eines Mannes immer schlaff wäre, wie könnte es je den Boden der Gebärmutter erreichen um den Samentropf dort ansässig zu machen? Andererseits, wenn es immer erigiert wäre, wie könnte ein Mann sich dann im Bett umdrehen, oder unter den Menschen herumgehen mit so einem steifen Ding vor sich? Abgesehen davon, dass es hässlich aussähe, es würde ständig Lust wecken unter sowohl Männern als auch Frauen. Das triebe sie dazu ständig miteinander zu schlafen, was auf Dauer zu ihrem Untergang führen würde. Deshalb ist es so vorgesehen, dass es meist schlaff herunterhängt, so dass es nicht ständig ins Auge fällt und lästig wird für den Mann. Aber dem Penis ist auch das Vermögen gegeben, bei Bedarf steif aufrecht zu stehen, nämlich für den Akt, der ständige Fortpflanzung und sein Fortleben gewährleistet.

Der text Text geht auf den guten Aristoteles zurück (De Partibus Animalium 689a25):

  • Dieses Organ ist das einzige, das wachsen und schrumpfen kann, abgesehen von krankheitsbedingten Veränderungen. Dass es größer wird, ist nützlich für den Geschlechtsverkehr, dass es kleiner wird, ist nützlich für den Rest des Körpers, weil es für die anderen Körperteile schwierig wäre, wenn es immer aufstehen würde.

Djibrīl (oder seine Quelle) stellte sich Letzteres offenbar gern konkret vor.

ANMERKUNG
1. Auch bekannt als Dalā’il al-i‘tibār. Das kleine Werk wird zu Unrecht oft al-Ǧāḥiẓ (gest. 868) zugeschrieben. Die erste (unkritische) Ausgabe erschien 1928 in Aleppo.

فتبّاًلافيقورس وأشباهه حين‏ عميت قلوبهم عن هذه الخلقة العجيبة حتّى أنكروا التدبير والعمد فيها‏. لو كان فرج‏ الرجل مسترخيًا أبدًا كيف كان يصل الى قعر الرحم حتى تقرّ النطفة فيه؟‏ ولو كان منعظًا أبدًا كيف كان الرجل يتقلب في الفراش ويمشي بين الناس وشيء شاخص أمامه؟ ثم كان في ذلك مع قبح‏ المنظر تحريك الشهوة في كلّ وقت من الرجال والنساء جميعًا فيدعوهم تحريكهما الى المباضعة، وهذا على الأوان يؤدّيهم الى الهلاك. فقُدّر أن‏ يكون في‏ أكثر ذلك مسترخيًا  لكيلا‏ يبدو للبصر في كلّ وقت ولا يكون على الرجل منه مؤنة وجعلت فيه قوّة‏ علي الانتصاب عند الحاجة الى ذلك لما فيه من دوام النسل وبقاؤه‏.

Zurück zum Inhalt

Die Dummheit von Babys als Gottesbeweis

Noch ein Fragment aus dem arabischen Text Kitāb al-i‘tibār fī al-malakūt,1 eine Sammlung von ungefähr hundert teleologischen Gottesbeweise  (arguments from design) christlicher Herkunft, wahrscheinlich aus dem 9. Jahrhundert. Ich hatte hier schon mal etwas zu diesem Text erzählt und ein Fragment zum Rüssel des Elefanten als Gottesbeweis gebracht.

Ist der Gottesbeweis nicht längst veraltet? Ja, aber in den USA ist er wieder quicklebendig. Unter Christen, die die Evolutionstheorie ablehnen, läuft er unter Intelligent Design. Und in der islamischen Welt passt er den Konservativen ebenfalls sehr gut, so dass das Al-i‘tibār neu aufgelegt wird und auch im Internet bruchstückweise verbreitet wird. Der Koran ist voller Hinweise auf die Zeichen Gottes in der Schöpfung, so dass der „Markt“ für ausgearbeitete Gottesbeweise noch sehr lange gegeben sein wird. Obwohl die Gattung eigentlich völlig sinnlos ist, denn Gläubige brauchen die Beweise nicht und Ungläubige lassen sich dadurch nicht beeindrucken. Überdies würde der Beweis der Existenz eines Gottes nicht reichen. Man müsste auch noch beweisen, dass der so nachgewiesene Gott etwas mit der Bibel, dem Koran oder anderen verehrten alten Texten zu tun hätte, was völlig unmöglich ist, es sei denn, man glaubt es schon im Voraus.

Hier folgt eine Kostprobe über die Dummheit von Säuglingen. Welche Handschriften ich benutzt habe verrate ich später im Buch.

  • Überdenke mal einen anderen Aspekt der Beschaffenheit des Menschen, und zwar dass er dumm und ohne Vernunft geboren wird. Würde er mit Vernunft und Verständnis geboren, so fände er die Welt bei seiner Geburt derart merkwürdig, wenn er seine neue Umgebung betrachtete und mit Sachen konfrontiert würde, die er noch nie gesehen, dass er vollkommen in Verwirrung geraten und den Kopf verlieren würde. Denke zum Beispiel an einen erwachsenen, welterfahrenen Mann, der als Gefangener vom einen Land ins Andere überführt wird. Er wird dort wie ein verwirrter Idiot sein und nicht so schnell die Sprache lernen und die Manieren aufschnappen wie jemand, der bereits im jugendlichen Alter gefangen genommen wird. Dazu kommt noch Folgendes: Ein intelligent geborener Säugling würde darunter leiden herumgeschleppt, gestillt, in alten Lappen eingepackt und in der Wiege zugedeckt zu werden, obwohl er das alles schon braucht, weil sein Körper bei seiner Geburt so weich und zart ist. Des Weiteren wäre er dann gar nicht mehr so süß und er würde nicht mehr diesen besonderen Platz in den Herzen einnehmen. Aber sowie es jetzt ist, kommt ein Kind dumm auf die Welt, ohne Ahnung von der Sachlage mit allen diesen Verwandten rund um ihn, und er tritt allem mit schwacher Intelligenz und mangelhafter Kenntnis entgegen. Dann nimmt seine Kenntnis ganz allmählich zu, bis er mit den Dingen vertraut wird und Erfahrungen sammelt; dann verlässt er die Phase des verwirrten Sinnierens und fängt an seine eigenen Sachen zu regeln und aktiv seinen Lebensunterhalt zu verdienen.Es gibt noch andere Gesichtpunkte. Wenn ein Mensch mit ausgewachsener Intelligenz und selbständig geboren würde, so würde sowohl der Anlass zur Kindererziehung wie auch das für die Eltern an dieser Tätigkeit vorgesehene Interesse entfallen, weil das Großziehen durch die Eltern nämlich ein Anspruch auf Sorge und Zuneigung von ihren Kindern einbringt, im Augenblick, da sie diese ihrerseits brauchen. Überdies würden dann Kinder und Eltern keine gegenseitigen Bande mehr knüpfen, weil die Kleinen die Erziehung und Fürsorge ihrer Eltern nicht brauchten. Sie stünden schon gleich bei der Geburt auf eigenen Füßen, so dass niemand seine Eltern kennen lernen würde. So würde ein Junge auch nicht davon abgehalten werden Geschlechtsverkehr mit seiner Mutter und Schwester zu haben, weil er diese nicht kennte. Wenn ein Kind den Bauch seiner Mutter vernunftbegabt verließe, wäre das geringste Übel noch, dass er Unerlaubtes von ihr zu sehen bekäme, das er besser nicht gesehen hätte.

Meist steht bei solchen Beispielen noch die rhetorische Frage: Kann ein derart wunderbarer Entwurf wirklich auf Zufall zurückgehen, oder steckt doch ein intelligenter Entwerfer dahinten? Hier fehlt diese Frage, aber Sie können sie hinzudenken und wenigstens anerkennen, dass es schön geregelt ist, so wie es ist.

ANMERKUNG
1. Auch bekannt als Dalā’il al-i‘tibār. Das kleine Werk wird zu Unrecht oft al-Djāhiz (gest. 868) zugeschrieben. Die erste (nicht-kritische) Ausgabe erschien 1928 in Aleppo.

فكر‏ في‏ أمر الانسان‏ في‏ باب‏ آخر وهو‏ ولاده‏‏ حين‏ يولد‏ غبيّاً‏ غير ذي‏ عقل وفهم‏. فانّه لو كان‏ يولد‏ عاقلاً‏ فاهمًا‏‏ لأنكر العالَم عند ولاده‏ حتّى‏ يبقى حيرانًا تائه العقل اذا رأى ما‏‏‏ لم‏ يعرف وورد عليه‏ ما لم‏ ير مثله‏. واعتبر‏‏ ذلك بأن من سبي‏ من بلد الى بلد وهو‏ محتنك يكون كالواله الحيران ولا يسرع‏ في‏ تعلم‏ الكلام‏ وقبول الأدب كما يسرع‏ الذي‏ سبي صغيرًا. ثم كان لو ولد‏ عاقلًا وجد‏ غضاضة أن‏ يرى نفسه محمولاً‏ ومرضعًا معصّبًا بالخرق ومسجىً في المهد،‏ على أنّه كان لا‏ يستغني‏ عن هذا كلّه لرقّة بدنه ورطوبته حين‏ يولد‏. ثم كان لا‏ يوجد له من الحلاوة والموقع في‏ القلوب‏ ما‏ يوجد للطفل.‏ فصار يدخل‏ العالم‏ غبيّاً غافلاً‏ عمّا فيه أهله فيلقي‏ الأشياء بذهن ضعيف ومعرفة ناقصة‏. ثم لا‏ يزال‏ يتزيّد في‏ المعرفة قليلاً‏ قليلاً‏ وشيئًا بعد شيء حتى‏ يألف الأشياء ويتمرّن‏ عليها فيخرج من حد التأمّل لها والحيرة‏ فيها‏ الى التصرّف في‏ الأمور‏ والاضطراب في‏ المعاش‏.

‏وفي هذا أيضًا‏ وجوه أخر،‏ فأنّه لو كان‏ يولد‏ تام العقل مستقلاً‏ بنفسه لذهب موضع تربية الأولاد وما دبّر‏ أن‏ يكون للوالدين في‏ الاشتغال به من المصلحة وما توجب التربية للآباء على البنين‏ من المكافأبة بالبرّ‏ والعطف عند حاجتهم الى ذلك منهم‏. ثم كان الأولاد لا‏ يألفون آباءهم ولا الآباء‏ يألفون‏ أبناءهم لأنّه كان‏ الأولاد‏ يستغنون عن تربية الأباء وحياطتهم فيتفرّقون عنهم حين‏ يولدون‏ حتّى لا‏ يعرف الرجل أباه وأمّه. ولا‏ يمتنع من نكاح أمّه وأخته إذ كان لا‏ يعرفها‏. وأقلّ‏ ما كان‏ يكون في‏ ذلك أن يخرج‏‏ من بطن أمّه‏ وهو يعقل فيرى منها ما‏ لا‏ يحلّ‏ له‏ ولا‏ يحسن به أن‏ يراه‏.

Zurück zum Inhalt

Der Rüssel als Gottesbeweis

Manchmal arbeite ich an der Herausgabe eines arabischen Textes, Kitāb al-i‘tibār fī al-malakūt,1 wohl datierend auf ca. 850, der ungefähr hundert teleologische Gottesbeweise enthält (arguments from design).
Die Gottesbeweise laufen meist wie folgt. Erst kommt die Beschreibung von etwas in der Schöpfung, was besonders kompliziert oder zweckmäßig oder schön ist. Darauf wird gesagt, dass etwas so Kompliziertes usw. doch unmöglich durch Zufall zu Stande gekommen sein könne, und dass also ein intelligenter Entwerfer dahinter stecken müsse. In diesem Text wird dieser nicht Gott genannt, sondern der Schöpfer, der Entwerfer u.Ä..
Ist der Gottesbeweis nicht längst veraltet? Ja, aber in den USA ist er wieder quicklebendig. Unter Christen, die die Evolutionstheorie ablehnen, läuft er unter Intelligent Design. Und in der islamischen Welt passt er den Konservativen auch sehr gut, so dass das Kitāb al-i‘tibār neu aufgelegt wird und auch im Internet bruchstückweise verbreitet wird. Der Koran ist voller Hinweise auf die Zeichen Gottes in der Schöpfung, so dass der „Markt“ für ausgearbeitete Gottesbeweise noch sehr lange gegeben sein wird.

Warum sitze ich an einem Text mit solch altem Kram? Nicht um etwa doch noch die Existenz Gottes zu beweisen, sondern weil es interessant ist zu sehen, wie Texte seit der Antike zirkulierten und ständig wiederholt und neu überarbeitet wurden. Mein Text ist nämlich gar nicht islamisch, sondern vielmehr christlich, mit einem gehörigen Schuss Antike. Spuren von Xenophon und Cicero findet man darin, aber auch Gedankengut aus De providentia vom Kirchenvater Theodoret (393–±460). Das Kompendium ist irgendwann ins Syrische übertragen worden, und ins Mittelpersische, und von dort ins Arabische. Es muss Leser gegeben haben, die das Büchlein in seiner ältesten Fassung nicht islamisch genug fanden, denn eine etwas mehr islamisierte Überarbeitung ist auch bewahrt geblieben.
Die Sammlung ist also interessant weil sie die Möglichkeit bietet, die Überlieferung alter griechischen Texte in arabischer Übersetzung zu verfolgen. Manchmal kann mit Hilfe des Arabischen ein mangelhaft überlieferter griechischer Text besser verstanden, oder ein im griechischen Original nicht mehr existierender Text sichergestellt werden. Und auf jeden Fall wird mal wieder ersichtlich, wie die westliche Kultur im Laufe der Jahrhunderte einen großen Kreis beschrieben hat: von Griechenland und Rom über Syrien und Irak nach Spanien und Sizilien. In Europa tat man daraufhin, als hätte man alles nur direkt von den Griechen übernommen oder selbst erfunden; ein Übel, von dem wir immer noch nicht ganz frei sind.

Hier folgt eine Kostprobe aus der ältesten Fassung, und zwar zum Rüssel des Elefanten. Welche Handschriften ich benutzt habe verrate ich später mal.

  • Schau doch mal auf den Rüssel des Elefanten, wie subtil der entworfen worden ist. Diesem Tier ersetzt er eine Hand um Futter und Wasser aufzunehmen und zu seinem Magen zu bringen. Ohne ihn hätte er nichts vom Boden aufnehmen können, denn er hat keinen Hals, den er hätte ausstrecken können, wie die anderen Pflanzenfresser. Aber weil ihm kein Hals gegeben worden war, wurde ihm stattdessen der lange Rüssel beschert, den er herunterhängen lassen kann um hochzuheben was er braucht. Dieser ist hohl gemacht, so dass dadurch Futter und Wasser zu seinem Magen gebracht werden können. Überdies ist er seine Waffe, mit dem er geben und nehmen, sich verteidigen und angreifen kann.
    Und wer ist derjenige, der ihm etwas als Ersatz für das fehlende Körperteil gegeben hat, wenn nicht der gütige Schöpfer? Wie hätte so etwas durch Zufall zu Stande kommen können, wie die Sünder behaupten?
    Wenn du jetzt fragst: Warum hat er ihn nicht mit einem Hals erschaffen, wie die anderen Pflanzenfresser auch? so antworten wir nach dem Maße unserer Kenntnis und sagen: Der Kopf und die Ohren eines Elefanten sind enorm groß und sehr schwer. Wenn diese auf einem Hals ruhen würden, würde er sie nicht tragen können und zerbrechen. Um das zu verhindern, ist der Kopf unmittelbar am Körper befestigt, und anstatt eines Halses ist für ihn also der Rüssel erschaffen worden, mit dem er sein Futter aufnehmen und auch ohne Hals alle seine Bedürfnisse erfüllen kann.

Weitere Gottesbeweise: Der Drache und die Wolken Die Giraffe Der Schöpfer beugt Inflation vor Der schreiende Hirsch Die Stimme. Ein Gottesbeweis mit Dudelsackvergleich Der Penis als Gottesbeweis Die Dummheit von Babys als Gottesbeweis

ANMERKUNG
1. Auch bekannt als Dalā’il al-i‘tibār. Das kleine Werk wird oft al-Ǧāḥiẓ (gest. 868) zugeschrieben. Die erste (nicht-kritische) Ausgabe erschien 1928 in Aleppo.

أنظر الى مشفر الفيل وما فيه من لطف التدبير فانّه صار يقوم له مقام اليد في تناول العلف والماء وايرادهما جوفه. فلولا ذلك لما استطاع أن يتناول شيئًا من الأرض، فانّه ليست له عنق يمدّها كسائر الأنعام. فلمّا عدم العنق أخلف عليه مكان العنق ذلك الخرطوم الطويل ليسدله ويتناول به حاجته. وجُعل أجوف لأنّه وعاء لما يحمل الى صدره من طعامه وشرابه وأيضًا فهو سلاحه وبه يعطي ويتناول ويقابل ويصول . فمن الذي عوّضه مكان العضو الذي عدمه ما يقوم له مقامه الاّ الرؤوف بخلقه؟ وكيف يأتي مثل هذا بالاهمال كما قال الظلمة؟ فان قلت: ما باله لم يخلق ذا عنق كسائر الأنعام؟ أجبنا بمبلغ علمنا فقلنا: انّ رأس الفيل وأذنيه أمر عظيم وثقل ثقيل، فلو كان ذلك على عنق لهدّها وأوهنها. فجعل رأسه ملصقًا بجسمه لكيلا يناله منه شيء مما وصفنا وخلق له مكان العنق هذا المشفر يتناول به غذاءه فصار مع عدمه العنق مستوفيًا ما فيه بلوغ حاجته.

Vgl. Arist. PA 658b-659a; Physiologus syr. no. 10; Basil. Hom IX, 85D-86A, Übers. 133

Zurück zum Inhalt