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Die vermeintliche Krankheit Mohammeds – 2: Hysterie
Herman Somers (1921-2004)
Die biografischen Informationen, die ich zu diesem Autor gefunden habe, sind nicht sehr solide, weshalb ich sie mit Vorbehalt präsentiere. Somers war kein Arzt, sondern ein promovierter Psychologe, der im belgischen Löwen arbeitete, allerdings nicht an der Universität. Er war zunächst Jesuit, wurde aber später Skeptiker und veröffentlichte viel über psychopathologische Elemente in den Äußerungen verschiedener Propheten und Religionsstifter. Aus seinen niederländisch abgefassten Schriften geht hervor, dass sein Hauptziel darin bestand, Religionen zu entlarven.
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Obwohl nicht mal Arzt hat Somers sich in seinem Buch Een andere Mohammed (Ein anderer Muhammed) erdreistet, einen Patienten zu diagnostizieren, den er nicht gesehen hatte und der schon lange tot war: Mohammed. Auch er konnte sein Bild vom Propheten nur auf der Grundlage von Texten aufbauen, von denen er viel weniger zur Verfügung hatte als Sprenger, da er kein Arabisch konnte und auf Übersetzungen angewiesen war. Es muss jedoch gesagt werden, dass er sich sehr bemüht hat, Übersetzungen zu finden.
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Nicht sein ganzes Buch handelt von Mohammeds Krankheit. Der Autor trifft seine eigene Wahl aus den Übersetzungen der Quellen und macht sich daran, dessen Biographie zusammenzufassen— mit viel Aufmerksamkeit für die Psychologie. Mohammeds Vater starb vor seiner Geburt, seine Mutter, als er noch ein Säugling war; welche psychischen Folgen hatte das? Der Autor denkt nach über die Bindung an die Amme und an den Großvater, der die Rolle des Vaters erfüllte, aber auch über Abraham, der später den abwesenden Vater ersetzte. Mohammeds viel ältere Frau Khadidja erfüllte die Rolle einer Mutter. Ich lege wenig Wert auf diese Art von psychologischer Spekulation, zumal sie auf der Annahme beruht, dass die biografischen Texte Wort für Wort wiedergeben, wie alles wirklich gewesen ist.
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Und das alles gegen besseres Wissen. Somers folgt ja dem Grundsatz, der sich wie folgt zusammenfassen lässt: „Wir wissen fast nichts, aber wir wissen trotzdem sehr viel“. Dies ist eine Strategie moderner gebildeter Menschen mit horror vacui: Zuerst sagen, dass die Quellen unzuverlässig sind und dass wir fast nichts wissen, und dann eine detaillierte Biographie schreiben. Rodinson (Mohammed, 1961) war sich der Natur der Quellen bereits bewusst und schrieb trotzdem eine dicke Biographie, als ob das noch möglich wäre! Bei F. E. Peters (Muhammad and the origins of Islam, 1994) ist es nicht anders, ganz zu schweigen von Tilman Nagel (Mohammed, Leben und Legende, 2008). Somers macht etwas Ähnliches: „Wenn wir sehr streng sein wollen, können wir sagen, dass wir alles, was wir […] wissen, auf eine kleine Postkarte schreiben können.“ (S. 12) Doch wenn er Hadithe liest, hat er „den starken Eindruck, dass sie weitgehend authentisch sind,“ nämlich weil sie so detailliert sind—eine alte Falle. Die Texte, in denen er meint, Mohammeds Krankheitsbild zu erkennen, müssen wohl echt sein, denn sie bestätigen, was die (seriöse, medizinische) Wissenschaft lehrt (S. 18-19).
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Und was ist jetzt mit der Krankheit? Nun, „der andere Mohammed“ ist nicht anders, das fällt sofort ins Auge. Seit Jahrhunderten wird Mohammed als geistig gestörter Betrüger und Lustmolch dargestellt. Für eine Weile schien es, als wäre das vorbei, aber bei Somers sind die Hauptlinien wieder wie gehabt: Muhammad war geisteskrank. Infolgedessen war er impotent und (daher) von Sex besessen. Seine Verlogenheit, Grausamkeit und Rachsucht lassen sich ebenfalls durch seine Krankheit erklären.
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Aber an Epilepsie oder Hysterie als Ursache dieser Geisteskrankheit konnte Somers nicht glauben. Ihm zufolge litt Mohammed an Akromegalie, einer Krankheit, die von einem Hypophysentumor herrührt. „Wenn der einen Überdruck im Gehirn verursacht, sehen und hören die Menschen Dinge, die nicht da sind.“ Ich fasse einige weitere Symptome und Phänomene zusammen, nach Somers S. 70-79: große Ohren, Nase, Kinn, Hände und Füße; zarte Handflächen und dicke Finger; eine tiefe Stimme; durch fusionierte Wirbel verursachte Rückenschmerzen; starke Transpiration; dichtes Haar; eine gelbliche Hautfarbe; Unersättlichkeit; eine Hühnerbrust; Impotenz; Neigung zu Halluzinationen und Halluzinosen; starke Kopfschmerzen und Bewusstseinsstörungen nach einem Schlaganfall. Die Erkrankung tritt hauptsächlich nach dem 40. Lebensjahr auf; die meisten Patienten sterben im Alter von etwa 60 Jahren.
Dies und mehr behauptet Somers in den Quellen über den Propheten bestätigt gefunden zu haben.
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Um in Muhammad die Krankheit seiner Wahl zu entdecken musste Somers an den Quellentexten herumpfuschen. Akromegalie-Patienten haben ein großes Kinn und eine grobe Haut. Somers hat diese Symptome nirgendwo gefunden: Die Texte schweigen über das Kinn und bezeichnen Mohammeds Haut als schön. Aber keine Sorge: Die Symptome waren natürlich unter starken Bartwuchs verborgen (S. 75–6)! Die Haut von Akromegalen soll gelblich sein. Einer Überlieferung zufolge war Mohammed aber „weder hell noch dunkel im Teint, sondern eher etwas rötlich“. Aber gelblich oder rötlich, für Somers ist es einerlei. So druckte er die Texte in Modell. Zudem war er nicht in der Lage oder willens, alle verfügbaren Texte zu lesen, denn es gibt auch andere Beschreibungen von Mohammeds Hautfarbe und von seinen anderen körperlichen Merkmalen. Um nur eine zu nennen: Der Prophet soll breite Schultern gehabt haben; wie passt das zu einer Hühnerbrust?
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Somers Motivation ist eindeutig nicht das Streben nach Wissenschaft, sondern ein tief empfundener Hass auf die Religion und insbesondere auf den Islam, von dem „wir“—wen meint er damit?—eine natürliche Abneigung haben. Er braucht Mohammeds vermeintliche Krankheit, weil der Koran seiner Meinung nach von Mohammed zusammengestellt wurde, weil der gesamte Islam seinem kranken Gehirn entstammte und weil vom Islam nichts Gutes zu erwarten ist. Kein Wunder also, dass der niederländische populistische Politiker Geert Wilders von diesem Pamphlet begeistert war.
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Auf Somers‘ Fehleinschätzungen, Trugschlüsse und seinen Umgang mit den Quellentexten werde ich zurückkommen, nachdem ich auch Armin Geus besprochen habe, der Mohammed für schizophren hielt.
Wird fortgesetzt
BIBLIOGRAPHIE
– Herman Somers, Een andere Mohammed, Antwerpen/Baarn 1993. Online hier.
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