Al-Hakim: ein Verrückter auf dem Thron?

🇳🇱 In jedem politischen System landet schon mal ein Verrückter auf dem Thron. Nebukadnezar, Nero, Caligula, Iwan, Adolf, Bokassa und etliche andere—wie man weiß, passiert es auch heute noch. Aus dem arabischen Kulturkreis kann ich Ihnen den Kalifen al-Hākim (geb. 985, reg. 996-1021) anbieten, der aus seiner Hauptstadt Kairo heraus über ein Reich herrschte, das sich von Tunis bis in den Norden des heutigen Syriens erstreckte. Er gehörte zur Dynastie der Fātimiden, die schiitisch war nach ismailitischem Bekenntnis (die „Siebener-Schiiten”). Für sie hatte ein Kalif—oder ein Imam, wie sie ihn lieber nannten—absolute Macht und war so etwas wie ein Demiurg oder Messias.
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Dass al-Hākim geisteskrank war, meinte bereits Yahyā al-Antākī, ein christlicher Arzt und Historiker, der in Ägypten lebte, bis er dem Land 1014 entfloh. Er attestierte dem Kalifen Gehirnkrämpfe und Melancholie. Wie machte sich al-Hākims Geistesstörung bemerkbar? Er folgte seinem Vater auf dem Thron als er elf Jahre alt war. Mit fünfzehn wollte er nicht länger von seinem Vormund, dem Eunuchen Bargawān, gegängelt werden; er ließ ihn während eines gemeinsamen Spaziergangs ermorden. Das war die erste Äußerung seiner blutrünstigen Neigungen. Ein schönes Kind soll er eigenhändig getötet und ausgeweidet haben, einen Diener persönlich mit einem Hackbeil umgebracht haben, aber meistens überlies er dass Töten seinen Sklaven.
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Al-Hākim versuchte sein Reich in Ordnung zu bringen indem er Korruption und Machtmissbrauch am Hof und in den Verwaltungsorganen bekämpfte. Was anfangs vielleicht als eine gutgemeinte Säuberungsaktion erschien, erwies sich bald als ein Terrorregime. Der Kalif mochte Schnellverfahren und das Strafmaß war oft die Todesstrafe; dabei wurden Minister und hohe Beamte nicht verschont. Er hatte ja die absolute Macht, und jemand umbringen zu lassen war kinderleicht, wie er früh gelernt hatte. Während seiner Regierung sind unzählige Menschen, gerne auch aus der Elite, standrechtlich verurteilt und hingerichtet worden. Beim „Volk“ war er aber beliebt, und er war sogar bekannt für seine Zugänglichkeit und Gerechtigkeit.
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Mehr als die Hälfte der Einwohner Ägyptens zu jener Zeit waren Christen; Juden gab es ebenfalls. Die meisten Muslime waren Sunniten, während der Herrscher Schiit war. Weil viele Verwaltungsfunktionen in christlichen Händen waren, fielen seinen „Säuberungen“ viele Christen zum Opfer. Der Kalif ließ auch Kirchen, Klöster und gelegentlich eine Synagoge zerstören. Er enteignete die Besitztümer seiner Mutter und Schwester und ließ seinen Onkel Arsenios im Jahr 1010 sogar meucheln; der war der griechisch-orthodoxee Patriarch von Alexandrien und Jerusalem. Seine Mutter war nämlich eine Christin, und zwar eine griechisch-orthodoxe: orientiert an Konstantinopel — dem Feind! Es fanden erzwungene Bekehrungen zum Islam statt — obwohl der Koran das verbietet. Christen und Juden sollte erniedrigende, sie von den Muslimen absetzende Kleidung tragen, und sogar lächerlich große Unterscheidungsmerkmale im Badehaus. Spektakulär war die Zerstörung der Grabeskirche in Jerusalem 1009, die in Europa noch Jahrzehnte nachhallte und mit zum ersten Kreuzzug führte. Einige Jahre später war alles wieder anders: Zerstörte Kirchen durften wiederaufgebaut werden, manche sogar auf Staatskosten. Zwangsbekehrte Christen und Juden durften, falls sie das wünschten, zu ihrer alten Religion zurückkehren.
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Ab 1003 regnete es Dekrete (sigillāt), die die Sittlichkeit in Ägypten verbessern sollten. Als junger Mann hatte der Kalif sich noch gerne an den Volksfesten in Fustāt (Alt-Kairo) beteiligt. Die Christen, die dort wohnten, tranken gerne Wein und oft kam es zu Ausschreitungen. Es hatte ihm gefallen zuzuschauen, wenn Männer auf der Straße aneinander gerieten, sogar wenn das in eine blutige Schlacht zwischen Gruppen ausartete. Aber eines Tages meinte al-Hākim, dass die Unordnung und die Gewalt aus dem Ruder liefen. Per Dekret verbot er den Ausschank von Wein und die Teilnahme von Frauen am Nachtleben; sie sollten abends lieber zu Hause bleiben. Laut einem späteren Dekret sollten sie das auch tagsüber, es sei denn mit einer Sondergenehmigung, wenn es wirklich nötig war. Spazierfahrten auf dem Nil wurden verboten; später durften auch Männer nicht mehr abends auf die Straße: das ganze Nachtleben kam zum Erliegen. Wein und alles, was damit zu tun hatte, wie Krüge usw. wurden öffentlich vernichtet, Kneipen wurden zugemacht, Reben entwurzelt; sogar die Honigproduktion wurde gedrosselt, damit die Leute nicht in Honigwein Zuflucht suchen konnten. Musik, Schach und Ausritte in die Wüste wurden verboten, wie auch Erker an der Straße und sogar mulūḫīya, ein Gemüse, das Mu‘awiya, der bei den Schiiten so verhasste Rivale ‘Alīs, gerne gegessen hatte.
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Aber auch sunnitische Muslime wurden nicht verschont. Man machte ihnen klar, dass sie immer einer Irrlehre angehangen hatten, und sie wurden aufgefordert sich zu bekehren. Es wurden Kurse zum schiitischen Glauben gegeben und bald waren die Hörsäle zu klein, so viele Sunniten wollten dorthin, um ihren Job oder ihr Leben zu behalten. Mit allerlei Dekreten über Speisen und Details des Kultus wurden sie weiter belästigt. Erst in al-Hakims letzten Regierungsjahren, als der Kalif eher zur Mystik neigte, wurde aber der sunnitische Glaube wieder anerkannt, und fast sah es nun so aus, als wäre die Schia gar nicht mehr so wichtig.
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Wenn ein Dekret des Kalifen nicht befolgt wurde oder unausführbar war, wie etwa das Alkoholverbot, zog er es zurück und versuchte es später noch mal durchzusetzen. Oft genug aber wurden Dekrete auch „einfach so“ zurückgezogen, weil der Kalif auf andere Gedanken gekommen war. Er war tatsächlich bekannt für seine Launenhaftigkeit. Manch Untertan entschloss sich, wenn eine neue Anordnung in der Luft lag, eine Zeitlang aufs Land zu ziehen, wenn möglich in Besitz eines Schutzbriefs (amān).
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In seinen letzten Jahren wurde al-Hākim Asket. Er fühlte sich den Mystikern verwandt, trug vor lauter Bescheidenheit ein schlichtes, selten gewaschenes Gewand und machte oft nächtliche Ausritte auf einem Esel. Beim Volk wurde er noch beliebter, weil er viele Staatseigentümer verschenkte. Der stark verkleinerte Hof fragte sich inzwischen, ob der Herrscher überhaupt noch zurechnungsfähig sei. Der ließ unterdessen einen Propagandisten in seinem Palast wohnen, der dort an einem Buch arbeitete, in dem er die Göttlichkeit des Kalifen nachwies. Dieser hinderte ihn nicht daran.
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Im Februar 1021 unternahm der Kalif eines Abends wieder einen einsamen Ausritt auf seinem Esel, auf einem Hügel etwas außerhalb von Kairo. Diesmal kam er nicht zurück. Nach einigen Tagen wurden seine blutige Kleidung und der Esel gefunden. Anzunehmen ist, dass er ermordet worden war. Ein verschwundener Imam: eine in schiitischen Augen vertraute und schöne Vorstellung.

Nuance
Bis hierher habe ich das traditionelle Bild wiedergegeben, wie es beispielsweise Marius Canard in einem Artikel, der 1971 in der Encyclopaedia of Islam erschien, dargestellt hatte. Aber war der Kalif wirklich ein Geisteskranker? Wie so oft standen Gelehrte auf, die das Bild nuancierten, die neue Fakten entdeckten und alte als fake news entlarvten. Ein wenig schade ist das schon, denn es gibt ein enormes Bedürfnis nach markanten Fakten und Horrorgeschichten; aber die Wissenschaft ist streng. Meist erweist sich bei solchen Forschungen, dass die verrückten gar nicht so verrückt waren, oder wenigstens nicht ganz. Der babylonische König 
Nebukadnezar (reg. 605–562 v. Chr.) war dem Propheten Daniel 4:29–34 zufolge sieben Jahre lang geisteskrank, aber der Autor stand ihm feindselig gegenüber. Und vielleicht hat er ihn verwechselt mit König Nabonidus (reg. 556–539 v. Chr.), der als gestört galt und einige Jahre im arabischen Taima verbrachte — zur Kur vielleicht? Moderne Altphilologen haben längst nachgewiesen, dass „verrückte“ Kaiser wie Nero und Caligula zwar grausam und gewalttätig waren, aber nebenbei ganz vernünftige Dinge taten.
Auch al-Hākim ist Gegenstand solcher kritischen, nuancierenden Studien geworden, u.a. von Josef van Ess und vor allem Heinz Halm. Inzwischen erkennt man, dass viele Erzählungen über al-Hakim von Christen stammen, die unter ihm gelitten hatten, oder von Sunniten, die ihn im Nachhinein kaputtschreiben wollten, weil er Schiit war.
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Manche Gräueltaten z.B. können einfach gestrichen werden, wenn man bedenkt, dass die Autoren Christen waren und ihre „Klassiker“ kannten: So soll Al-Hākim Alt-Kairo (Fustāt) in Brand gesteckt haben und noch zwei Tage genüsslich vom Berg Muqattam aus auf die Flammen geschaut haben. Aber das ist natürlich ein narratives  recycling des großen Brandes von Rom, den Kaiser Nero befohlen haben soll. Ein Großbrand in Fustāt ist zu der fraglichen Zeit weder in Texten belegt noch archäologisch nachgewiesen.
Auch wird erzählt, der Kalif wusch sich sieben Jahre lang nicht, wohnte in einem unterirdischen Gewölbe, ließ seine Haare wachsen bis sie lang waren wie Löwenmähnen, und seine Fingernägel, bis sie Adlerklauen glichen. Dies hört sich an wie die Verrücktheit Nebukadnezars, wie sie Daniel beschrieben hatte. In den Augen christlicher Historiker eine schöne Parallele: Nebukadnezar musste wie ein Verrückter herumirren, weil er den Tempel in Jerusalem zerstört hatte; al-Hakim, weil er dort die Grabeskirche hatte abreißen lassen.
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Die berühmten bizarren Dekrete entsprachen bei näherer Betrachtung in weiten Teilen dem islamischen Recht. Auch in anderen Umgebungen wurden schon mal Weinfässer kaputt geschlagen oder Juden und Christen mit diskriminierenden Maßnahmen belästigt; nur nie so eindringlich und nie alles auf einmal. Al-Hākims Dekrete waren auffällig, weil niemand je die Regeln so streng angewendet hatte. Dass sie ständig aufs Neue erlassen werden mussten, zeigt, dass die Bevölkerung so viel Rechtschaffenheit nicht gewöhnt war. Frauen auf der Straße und Alkohol waren einfach nicht zu unterbinden. Die Scharia wird in ihrer vollen Pracht nur von Fundamentalisten für ausführbar gehalten, und al-Hākim war einer. Das war er sich selbst und seinem Stand verpflichtet: War er nicht der Messias?
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Andererseits musste der Kalif die Bevölkerung zufrieden halten. Mit der Abschaffung von Steuern und Zöllen befolgte er islamische Regeln und erfreute zugleich das Volk. Leider konnte die Staatskasse nicht ohne diese Einnahmen auskommen, so dass sie auch wieder eingeführt werden mussten. Auch seine Dekrete schaffte al-Hākim manchmal wieder ab, wenn sie nicht durchführbar waren oder wenn das die Stimmung im Volk hob. Auch seine wechselhafte Haltung der sunnitischen Mehrheit gegenüber wird so verständlich: in schwierigen Zeiten konnte er keine unzufriedene Massen Sunniten gebrauchen. Was reine Willkür zu sein schien, war eine pragmatische Strategie des Machterhalts.
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Eine generelle Christenverfolgung gab es nicht: Einen Tag nach der Zerstörung einer Kirche konnte ein Christ zu Minister ernannt werden. Al-Hākim konnte nicht allzu streng sein mit den Christen: Er brauchte sie ja für die Staatsverwaltung. Gelegentliche Plünderung von Kirchen und Klöstern erfolgte, wenn die Staatskasse leer war. Aus dem gleichen Grund konfiszierte er auch die Erbschaften der hingerichteten Funktionäre und das Vermögen seiner Mutter.
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Sogar die Gewohnheit des Kalifen, ganz bescheiden auf einem Esel zu reiten steht in einer Tradition: So verhält sich nämlich ein Messias (siehe hier oder zenith 4/2014).
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Für al-Hākim wird das Regieren nicht immer leicht gewesen sein. Soldaten maghribinischer und türkischer Herkunft kämpften ständig um die Macht und mussten in Schach gehalten werden. Als geistiger Führer oder gar der Messias der Schiiten (den Drusen zufolge sogar Gott selber!) herrschte er über ein Reich, das hauptsächlich von Sunniten und Christen bewohnt war. Das hätte eigentlich gereicht zum Verrücktwerden; um so mehr, weil er durch seine griechisch-orthodoxe Mutter selbst eine gehörige christliche Komponente hatte.
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Kurzum: al-Hākim war verhaltensauffällig, aber nicht total behämmert. Allerdings ein sehr strenger und unberechenbarer Herrscher, der viel mehr Hinrichtungen auf dem Buckel hatte als zu der Zeit üblich war. Volksnah, aber gerade dem Hof und den höheren Beamten gegenüber sehr misstrauisch.

Alt Hist
Nun ist die Nuancierung bestehender Auffassungen eine Sache; es gibt aber auch propagandistische Geschichtsschreibung, die das Bild einer Person gänzlich revidieren kann. Stalin, zum Beispiel war, nachdem russische Historiker und Medien die Fakten neu gemischt hatten, ein Spitzenmanager, ein netter Kerl, unter dessen Regierung das Leben in der Sowjet-Union, wie er selber sagte, „besser, fröhlicher geworden ist“.
Zu al-Hākim findet man solche „Geschichtsschreibung“ unter anderem in der Encyclopaedia Iranica. Die ist ein meistens vorzügliches englischsprachiges Nachschlagewerk, das alle Themen zu Iran und zum schiitischen Islam behandelt.1 Den Artikel „Hākem be-Amr-Allah“ aber kann man nur parteiisch nennen. Nichts als Lob dort für diesen Kalifen, der sein Reich so schön zusammenhielt und sogar noch zu vergrößern wusste, der sich um die Sittlichkeit seiner Untertanen kümmerte und die Wissenschaft förderte. Kein Wort zu der Zerstörung von Kirchen, den Hinrichtungen, den Dekreten, der Vergöttlichung oder etwaigen Geistesstörungen. Der Mord an seinem Vormund Bargawan heißt dort zum Beispiel: „the latter’s removal“ (Hervorhebung von mir). Dass al-Hākim einen so schlechten Ruf hatte, liegt dem Autor zufolge nur an der feindseligen Haltung christlicher und sunnitischer Historiker.2 Der Autor ist Farhad Daftary, ein führender Ismailit, also von derselben Glaubensrichtung wie der Kalif.

Volksepik
Es gibt noch eine Textgattung, die sich mit al-Ḥākim beschäftigt hat: die Volksepik.3 Fantastische, vielbändige Heldengeschichten über historische Personen oder wenigstens unter Verwendung ihrer Namen waren in der ganzen islamischen Welt weit verbreitet. Das Klientel dürfte solche Erzählungen oft für Geschichte gehalten haben. Postum erschien auch eine Sīrat al-Hākim, „Lebensgeschichte al-Hākims“. Den fiktiven Lebenslauf des Kalifen aus diesen 1600 Seiten zusammenzufassen wäre verlorene Liebesmüh. Aber wo war der Kalif letztendlich geblieben? Für die seriösen Historiker war er wohl ermordet worden; den Drusen zufolge war er verschwunden. Die Volkserzähler „wussten“ aber, dass er nicht auf, sondern in dem Berg Muqattab (eine Verballhornung von Muqattam) verschwunden war. Er war ja mit 360 Schätzen vertraut gemacht worden; nur zwei Schätze blieben ihm verwehrt, in einer Höhle im Berg. Sein Rivale ‘Abd al-‘Azīz, der aus magischen Büchern viel Wissen gesammelt hatte, führte ihn in das Höhlensystem, das randvoll mit Gold und Juwelen war, und er wusste ihn dort unten zurückzulassen. Selbst eilte er nach Kairo, um die Macht zu ergreifen und für die Bluttaten des Kalifen Rache zu üben.
Der Kalif war also tief im Berg eingeschlossen, aber für seine Ernährung war gesorgt. Jahre später fand seine Tochter ihn dort, als er gerade verstorben war.

 

ANMERKUNGEN
1. Die EIr wird von Gelehrten außerhalb Irans herausgegeben. Von der Islamischen Republik Iran ist sie unabhängig. Siehe auch hier.
2. „Ḥākem also concerned himself with the moral standards of his subjects; many of his numerous edicts (sejellāt) preserved in later sources are of an ethico-social nature. He was also prepared to mete out severe punishment to high officials of the state who were found guilty of malpractice. Anṭāki and the Sunni historiographers have generally painted a highly distorted and fanciful image of this caliph-imam, portraying him as a person of unbalanced character with strange and erratic habits. However, modern scholarship is beginning to produce a different account on the basis of Ḥākem’s own edicts and the circumstances of his reign. As a result, Ḥākem is emerging as a tactful leader who was popular with his subjects.“
3. Auch Volksroman genannt, Arabisch: sīra sha’bīya; man spricht vielleicht besser von epischen Erzähltexten. Zur Gattung s. → Heath, Sīra.

BIBLIOGRAPHIE
– Marius Canard, „al-Ḥākim bi-Amr Allāh,“ EI2.
– Farhad Daftary, „Ḥākem be-Amr-Allāh,“ Encyclopaedia Iranica, XI/6, blz. 572-573, online hier (zuletzt gesehen am 12. Mai 2017).
– Josef Van Ess, Chiliastische Erwartungen und die Versuchung der Göttlichkeit. Der Kalif al-Hakim (386-411 H.), Abhandlungen der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse, Jg. 1977, Abh. 2.
– Heinz Halm, Die Kalifen von Kairo. Die Fatimiden in Ägypten (973–1074), München 2003, S. 167–304.
– Heinz Halm, „Der Treuhänder Gottes. Die Edikte des Kalifen al-Ḥākim,“ Der Islam 63 (1986), 11–72.
– Peter Heath, „Sīra sha‘biyya,“ EI2.
– Antje Lenora, Der gefälschte Kalif. Eine Einführung in die Sīrat al-Ḥākim bi-Amrillāh, Diss. Halle/Saale 2011. Hier herunterzuladen.
– Claudia Ott, „Wo versteckt sich al-Ḥākim? Eine Spurensuche in der Sīrat al-Ḥākim bi-Amrillāh und ihrer Berliner Handschrift.“ In H. Biesterfeldt and V. Klemm (Hrsg.), Differenz und Dynamik im Islam. Festschrift für Heinz Halm zum 70. Geburtstag, Würzburg 2012, 399–410.

Diakritische Zeichen: Al-Ḥākim, Fāṭimiden, Yaḥyā al-Anṭākī, Barǧawān, siǧillāt, Fusṭāṭ, Muqaṭṭam, Muqaṭṭab

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Asche über Medina?

Medina war am Anfang des 7. Jahrhunderts eine Oase von 50 km2 (Kontrolle@), also etwas größer als Offenbach. In der Antike war es voller Dattelpalmen. Oasen konnten immer nur eine gewisse Anzahl Einwohner ernähren. Wurden es mehr, so mussten die Überzähligen wegziehen—oder es mussten Lebensmittel von außen importiert werden. Wenn die Ernte gering ausfiel, wurde gehungert. Es war aber nicht so, dass die Einwohner Medinas nur die Datteln aßen, die dort wuchsen. Sie tauschten einen Teil davon gegen Kamel- und Hammelfleisch, das die Halbnomaden aus dem Umland lieferten. Selbst hatten sie auch Milchschafe und wahrscheinlich gingen sie auf die Jagd. Aus Syrien importierten sie Getreide, das mit Gütern oder Goldklümpchen bezahlt wurde.
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Als der Prophet Mohammed 622 sich nach der Hidschra mit geschätzten achtundachtzig Männern und ihren Familien in Medina niederließ, drückte das auf das verfügbare Lebensmittelkontingent der Oasenbewohner. Die Neuankömmlinge kompensierten das, indem sie Raubzüge außerhalb der Oase unternahmen. Die ärmeren Emigranten, die ahl al-suffa,1 durften in der Moschee wohnen und wurden aus der Staatskrippe ernährt.
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Während der arabischen Eroberungen nach Mohammeds Tod wurde reiche Beute gemacht, die in der Staatskasse landete und verteilt wurde. Viele Männer genossen nach abgeleistetem Dienst ihren Ruhestand in Medina und hatten eigenes Geld in der Tasche. Die Oase wurde immer wohlhabender. Es wurde auch in Bewässerungsprojekte investiert, u.a. vom Kalifen Mu‘āwiya. Die Importe nahmen zu. Später im 7. Jahrhundert war Medina ein Luxuswohnort. Der Lebemann Hasan ibn ‘Alī wohnte dort und die grande dame Sukaina, aber auch Aischa und viele Intellektuelle. Dazu ein anderes Mal.
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Es lief aber nicht gleich so prächtig. Das Jahr 18 der islamischen Jahreszählung, das ist 639,2 war ein Jahr von Hunger und Not. ‘Ām ar-ramāda wurde es genannt, das „Jahr des Untergangs“.
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Im Geschichtswerk von at-Tabarī (gest. 923; tatsächlich, fast drei Jahrhunderte später!)3 steht dazu u.a.: „Die Menschen wurden in dem Jahr durch eine schwere Hungersnot, Unfruchtbarkeit und Trockenheit getroffen; es war das Jahr das ‘ām ar-ramāda geannt wird.“ Welche Menschen? Die Einwohner von Medina? Gleich darauf redet er von ‘Amwās in Palästina, wo die Pest ausbrach (25.000 Tote).4 Das war, so erklärt er (oder vielmehr seine Quelle), weil die Menschen dort angefangen hatten Wein zu trinken. Die Übeltäter wurden ausgepeitscht und Kalif ‘Umar fluchte: „Volk von Syrien, möge euch etwas Unerhörtes widerfahren!“ worauf die ramāda ausbrach.“ Merkwürdig, dass ein Staatsoberhaupt so etwas seinen Untertanen wünscht. Aber er wird das wohl nicht wirklich gesagt haben. Alle diese Erzählungen sind hauptsächlich Dichtung.
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Die ramāda war jedoch in Medina und davon handelt aṭ-Ṭabarī’s Folgetext. Es könnte natürlich sein, dass auch in Syrien gehungert wurde, aber dann wäre es unglaubwürdig, dass aus Syrien nicht weniger als 4.0004 Kamellasten Getreide als Hilfe nach Medina übergebracht wurden, wie wir noch sehen werden.

  • „Während der Regierung ‘Umars wurden die Bewohner Medinas und das Umland von einem unfruchtbaren Jahr (sana) heimgesucht, in dem der Staub aufgewirbelt wurde, wenn es wehte, als wäre es Asche (ramād). Deshalb wird es das Jahr des Untergangs genannt.“
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    „Die ramāda war eine Hungersnot, die Medina und das Umland traf und so viel Tod und Zerstörung verbreitete, dass die wilden Tiere in den Wohnstätten der Menschen Zuflucht suchten. Die Menschen fingen sogar an ihre Schafe zu schlachten, aber sie ekelten sich davor, so abscheulich sah das aus—und das obwohl sie hungerten.“

In einem Paralleltext wird der Ekel erklärt: weil die Tiere nur Haut und Knochen waren, und an ihnen kaum Fleisch zu sehen war.

Der Kalif zögerte lange, bevor er sich entschied, die Garnisonsstädte im Norden um Hilfe zu bitten. Schließlich kam eine Karawane von 40004 Kamelen, mit Getreide beladen. Das war eine große Erleichterung, aber sie kam ziemlich spät. Erst wurde gezögert, dann ein Kurier ausgeschickt, dann musste das Getreide gesammelt und aufgeladen werden und die Karawane brauchte auch einige Wochen—kurzum, es werden wohl noch viele Menschen verhungert sein. Einige Jahre später sollte Getreide über den Seeweg aus dem frisch eroberten Ägypten kommen, aber 639 war davon noch nicht  die Rede.
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VulkaanVOLCANIC_11_57415Noch kurz zu den Wörtern: „…indem der Staub aufgewirbelt wurde, wenn es wehte, als wäre es Asche (ramād).“ Die Staubteilchen in der Luft wurden also nicht durch Regen oder Feuchtigkeit festgehalten—aber war das etwas Besonderes? Schauen Sie mit auf das (heutige) Wetter in Medina. Monatelang kein Regen, sehr geringe Luftfeuchtigkeit: Selbstverständlich waren dort Staubteilchen in der Luft. Hier war aber die Rede von Staub „als wäre es Asche.“

Und wenn es nun wirklich Asche gewesen wäre? Die Umgebung Medinas ist sehr vulkanisch. Des Öfteren haben Vulkanausbrüche in der Umgebung die Oase bedroht; am Rande der heutigen Stadt fangen gleich die Lavafelder an. Der Harrat ‘Uwayrid, 300 km nordwestlich von Medina, hatte einen Ausbruch um 640; der viel näher gelegene Harrat Khaybar zehn Jahre später. So sagen es Vulkanologen, die für ihre Schlussfolgerungen keine Texte brauchen. Unweit ist der al-Djabal al-Baidā’, der „weiße Berg“, der so heißt, weil er der Aschekrater eines Vulkans ist. Könnte vielleicht ein Vulkanausbruch die Ursache des Notjahrs 639 gewesen sein? Hier weiß ich nicht weiter. Verschwinden die Regenwolken, regnet es (noch) weniger als sonst, wenn etwas weiter ein Vulkan ausbricht? Hatte der unterirdische Wasservorrat der Oase sich unter dem Einfluss der Naturgewalten vorübergehend zurückgezogen? Sterben Schafe, wenn allerlei Partikel vom Himmel auf sie fallen oder ihr Futter mit Asche bedeckt ist? War die Handelsroute nach Syrien eine Zeitlang blockiert? Das alles sollen Geo-, Bio- und Vulkanologen erforschen.

„Year of Drought’, schreibt G.H.A. Juynboll in seiner Tabarī-Übersetzung. Aber „Trockenheit“ bedeutet das Wort ramāda eigentlich nicht. Was macht ein Arabist um eine Wortbedeutung herauszufinden? Er kann z.B. das alte Wörterbuch von Lane4 zur Hand nehmen. Der nahm alle jahrhundertealten arabischen Wörterbücher, schrieb ab, was darin stand, und übersetzte es in viktorianisches Englisch. Deshalb findet man bei ihm oft strittige und „mittelalterlich“ anmutende Umschreibungen. Es ist ein trauriges Hilfsmittel, aber wir haben nicht viele andere. Wenn Farbbezeichnungen vorkommen, ist es immer gut, noch mal bei Fischer5 nachzuschauen. Es stellt sich heraus, dass die Wurzel r-m-d zwei hier relevante Basisbedeutungen hat:

ramada: „untergehen, kaputt gehen“, und zwar durch verschiedene Ursachen. In Lanes Wortlaut: by becoming old and worn-out, and had no goodness and lastingness; by reason of cold or of hoar frost or rhyme; by drought, barrenness, or dearth. Das „Untergehen“ ist primär; dessen Ursache, also auch die Trockenheit, ist sekundär. ramāda ist das Verbalsubstantiv: „das Untergehen, der Untergang“.
ramād, „Asche“ und das Farbwort armad: „in Bezug auf die Farbe durch Asche (ramād) besonders charakterisiert; vom Auge: Grauer Star usw.“

Die beiden Basisbedeutungen haben nichts miteinander zu tun, wenn auch sowohl die Texte als auch die Wörterbücher sich manchmal durch die Ähnlichkeit von ramāda und ramād hinreißen lassen. Man muss ihnen in ihrer Volksetymologie nicht folgen.
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Also, ramāda ist „Untergang“. Es war das Jahr des Untergangs, nicht das der Trockenheit und auch nicht das der Asche, wie ich einen Augenblick dachte. Ein Vulkanausbruch ist mit Hilfe des Lexikons nicht belegbar. Bleibt aber meine Verwunderung über die Meldung vom aufgewirbelten Staub „als wäre es Asche“. In großen Teilen des Nahen Osten regnet es doch immer Staub? Wenn es nur Staub gewesen wäre, wäre es wohl kaum erwähnenswert, oder?

ANMERKUNGEN
1. Klar, das ist unser Wort Sofa, Ruhebank.
2. Anderen zufolge war es Ende 17 bis Anfang 18. Die Jahreszahlen für diese Periode stimmen nie so wirklich.
3. At-Tabarī, Ta’rīkh i, 2570–8.
4. Bei großen Zahlen in der Antike hilft diese Regel: Teile durch zehn!
5. Edward William Lane, Al-madd al-qamoos. An Arabic-Eglish Lexicon, 8 Bde., London/ Edinburgh 1863.
6. Wolfdietrich Fischer, Farb- und Formbezeichnugen in der Sprache der altarabischen Dichtung, Wiesbaden 1965.

Diakritische Zeichen: ṣuffa, Ḥarrat, al-Ǧabal al-Baiḍāʾ, aṭ-Ṭabarī,Ta’rīḥ

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Beim Frisör im „Islamischen Staat“

Ein Frisör im „Islamischen Staat“ teilt seinen Kunden Folgendes mit:1

  • Sehr geehrte Kunden
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    Im Gehorsam gegenüber Gott und Seinen Gesandten schneiden wir keine Frisuren, die denen der Ungläubigen ähneln, der Aussage des Propheten Folge leistend: „Wer Menschen ähnlich sieht, gehört zu ihnen.“
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    Im Gehorsam gegenüber Gott und Seinen Gesandten rasieren wir keine Bärte, der Aussage des Propheten Folge leistend: „Lass den Bart frei wachsen aber schneide den Schnurrbart zurecht.“ Und: „Macht es anders als die Heiden: lasst eure Bärte wachsen, aber kürzt eure Schnurrbärte.“
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    Im Gehorsam gegenüber Gott und Seinen Gesandten rasieren wir die Augenbrauen nicht und zupfen sie nicht, was namṣ genannt wird, der Aussage des ‘Abdallāh ibn Mas‘ūd Folge leistend: „Der Prophet verfluchte Frauen, die ihre Augenbrauen rasierten oder zupften.“ Dies gilt für Frauen; umsomehr also für Männer.
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    Im Gehorsam gegenüber Gott und Seinen Gesandten rasieren wir nicht einen Teil des Haars weg und lassen einige Locken stehen, was qaza‘ genannt wird, der Aussage des Ibn ‘Umar Folge leistend: „Der Prophet hat qaza‘ verboten.“

Qaza‘ wurde in vorislamischer Zeit vor allem bei kleinen Jungen angewandt, die mit Glatzen und Stirnlocken (dhu’āba, Pl. dhawā’ib) herumliefen. Für diese vorislamische Mode dürfte es aber im letzten Jahrtausend kaum Kundschaft gegeben haben—außer vielleicht in Punkkreisen. Heutzutage wird der Begriff aber auch für bestimmte Irokesenschnitte benutzt. Auf jeden Fall ging und geht es bei diesem Verbot ebenfalls darum, sich nicht wie die Heiden frisieren zu lassen.

Frisöre scheinen also im „Islamischen Staat“ nicht viel zu tun zu haben, denn sogar der Kochtopfschnitt, der Bürstenschnitt und die Glatze haben alle ihre Vorbilder im gottlosen Westen. Aber vielleicht kommen sie über die Runden, indem sie Bärte gelb färben, in Anbetracht des Hadiths:

  • „[..] und er [der Prophet] färbte seinen Bart gelb mit wars und Safran.“2

Islamistenbärte sollten also gelb oder orange sein; das wäre ein echtes Alleinstellungsmerkmal. ‘Abdallāh ibn ‘Umar und andere Prophetengefährten sollen tatsächlich ihre Bärte gelb gefärbt haben. Dem nachzufolgen geht aber den neumodischen Frömmlern wohl zu weit.

Meinen Sie aber bloß nicht, dass der Prophet seinen Bart färbte, weil er alt und grau wurde:

  • „[…] und er [der Prophet] hatte auf seinem Kopf und in seinem Bart noch nicht mal zwanzig graue Haare.“ 3

Kämpfer des „Islamischen Staats“, die gerne etwas mehr Haar auf dem Kopf hätten um richtig mannhaft auszusehen, müssen für eine Haartransplantation ins Ausland fahren oder fliegen, z. B in die Türkei.

LESETIPP:
G.H.A. Juynboll, „Dyeing the Hair and Beard in Early Islam | A Ḥadīth-analytical Study,“ Arabica 33 (1986), 49–75.

ANMERKUNGEN
1. CN0YVC7WIAACTMg-1
2. An-Nasā’ī, Zīna 66 u.a: ويصفّر لحيته بالورس والزعفران  Wars (Memecylon tinctorium) ist eine Pflanze, aus der der Farbstoff Indischgelb gewonnen wurde.
3. Mālik, Ṣifat an-Nabī 1 u.a.: وليس في رأسه ولحيته عشورن شعرة يبضاء

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Marxistisches Kalifat

Robert Hoyland zur Inspirationsquelle des „Kalifats“:

  • The founding fathers of this revolutionary thinking, Karl Marx (Communist Manifesto, 1848) and Friedrich Engels (On Authority, 1874), had been very clear: the aims of revolutionaries could only be achieved “by the forcible overthrow of all existing social conditions”, and the rule brought about by revolution could only be preserved “by means of the terror which its arms inspire.” Such radical thinking has no parallel in the message of Muhammad and the first caliphs, who simply preached a return to the original monotheism that all mankind had once followed. (Lesen Sie den ganzen Artikel!).

Ich habe früher beim Marxismusunterricht nie gut aufgepasst, aber die erstaunlichen Zitate stimmen tatsächlich. Von dem renommierten Oxfordhistoriker wäre auch nichts anderes zu erwarten. Die Militärführer des „Islamischen Staats“ haben während ihrer Ausbildung und Karriere unter Saddam Hussein mit Sicherheit mehr von Marx, Lenin, Stalin und Hitler als vom Propheten Mohammed und den ersten Kalifen gelernt. Erst nach dem 2. Golfkrieg wurden sie so etwas wie Muslime, dazu von Saddam gezwungen, der mal eine neue Strategie ausprobierte.
Die Bibel des „Islamischen Staats“ ist Abū Bakr Nādjī, Idārat al-tawahhush, ins Englische übersetzt als The Management of Savagery. Es ist ein ziemlich mühsames, halbintellektuelles Buch. Was für ein Schund ist das! Ich möchte hier keine Werbung machen; wenn Sie es unbedingt sehen wollen, suchen Sie bitte selbst im Internet.
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Wenn das Buch auch voller verzerrter Geschichtsschreibung über das erste islamische Jahrhundert ist, die Idee, dass nur Terror zu einer neuen Ordnung führt, wird auch hier verbreitet. Und das hat der Autor wirklich nicht aus dem Koran oder von den ersten Muslimen übernommen. Bei den frühesten arabischen Eroberungen (632-661) wurde schon mal eine Stadt in Brand geschossen oder ein Blutbad angerichtet, je nach der politischen Lage und der Stimmung in der Truppe. Aber meist herrschte Pragmatismus und lief es wie immer in der Antike: Es wurden weiße Fahnen geschwenkt und verhandelt, es wurden Abstandssummen bezahlt und so weiter. Es war ja für die Eroberer interessanter, intakte, funktionierende Städte und Landgüter zu bekommen als kaputte, während die Leidtragenden gerne noch ihr Leben und wo möglich ihre Besitztümer behielten. Sie wurden auch gebraucht, denn die Araber konnten nicht auf Anhieb ein Reich regieren.
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Von einem „neuen Menschen“ war damals auch nicht die Rede: Die Besiegten konnten anfangs weder Araber noch Muslime werden. Den Islam gab es noch nicht sofort und als er Gestalt annahm, wollten die Araber von den Besiegten lieber Kopfsteuer erheben als allerlei fremde Leute in ihre Reihen aufnehmen.
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Ich denke schon, dass Hoyland recht hat mit seiner Parallele zum Marxismus. Als religiöse Soße zur IS-Doktrin dient eine Auswahl aus Koranversen und alten islamischen Texten. Und auch noch etwas von den Wahhabiten; die kommen in Hoylands Artikel nicht vor. Einfache Gemüter werden sicher auch durch blutige Computerspiele, apokalyptische Filme und Gewaltfilme u.a. beeinflusst worden sein.

Diakritische Zeichen: Abū Bakr Nāǧī, Idārat al-tawaḥḥuš

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Das Schwert des Islams

Kennen Sie die Vorstellung, dass Mohammed und nach ihm die Muslime den Islam „mit dem Schwert in der einen Hand und dem Koran in der anderen” verbreitet hätten? Sie geht zurück auf den britischen Historiker Edward Gibbon, der 1781 schrieb:1

  • […], mit dem Schwert in der einen Hand und dem Koran in der anderen errichtete Mohammed seinen Thron auf den Ruinen des Christentums und Roms.

Hier muss man das Schwert und das Buch nicht wörtlich nehmen, genau so wenig wie die Ruinen: Es handelt sich um eine bildliche Darstellung. Aber etwas weiter im selben Kapitel ließ Gibbon sich bei seiner Beschreibung des Martyriums von Alīs Sohn Husain bei Kerbela wohl von seiner eigenen Bildersprache mitreissen:

  • Am Morgen des Schicksalstags stieg er auf sein Pferd, mit dem Schwert in der einen Hand und dem Koran in der anderen […]

Dieser Satz liest sich, als habe Husain sich an seinem Todestag wirklich mit diesen Attributen in den Sattel geschwungen. Anzunehmen ist aber, dass er nur sein Schwert bei sich trug. Den Koran als Taschenbuch gab es noch nicht.
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dOhssonOffensichtlich besaß auch D’Ohsson ein Exemplar von Gibbons Werk. Der Armenier war Dolmetscher des schwedischen Botschafters im Osmanenreich gewesen und wohnte lange in Paris. Sein Buch über das Reich2 hat in Europa viel Kenntnis und Unkenntnis über die Türkei und den Islam verbreitet. Und siehe da: Auf der Titelseite seines Werks hat er Gibbons Vorstellung wörtlich genommen. Man erkennt dann gleich, wie unsinnig die ist: Der Koran existierte noch gar nicht als Buch —und überdies: Welcher Muslim würde ihn in die linke Hand nehmen? Abgesehen davon, dass es wohl eher lästig wäre, so zu kämpfen. Hinter dem Propheten stehen denn auch Herren mit Turbanen, die die Tätigkeiten unter sich aufgeteilt haben: Die eine Hälfte beschäftigt sich mit der Schrift, die andere fuchtelt wenig überzeugend mit Schwertern herum. Links ist die Ka‘ba zu sehen, auf dem Dach die Götzenbilder, die es zu zerstören galt. Laut Überlieferung befanden sich diese Statuen in der Ka‘ba, aber das macht sich auf einer Abbildung nicht so gut.
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MahomethSchon erheblich früher hatte der niederländische Graphiker Romeyn de Hooghe (1645–1708) Mohammed auf einem Kupferstich dargestellt — mit einem Schwert in der rechten Hand und einem Schreibstift in der linken.3 Der Künstler drückte ihm diese Attribute in die Hand, genau so, wie man es von Abbildungen christlicher Evangelisten, von Aposteln und Heiligen gewohnt war — wenngleich diesen die Dynamik der Mohammed-Darstellungen fehlt. Konkret bezog de Hooghe sich wohl auf den Stift, der im Koranvers 96:4 erwähnt wird. Vielleicht schwang auch die Vorstellung mit, dass Mohammed den Koran selbst geschrieben habe, wie man früher in Europa glaubte. Im Laufe des 18. Jahrhunderts hat sich der Stift dann zu einem Buch weiterentwickelt. 
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Bei einer bloß oberflächlichen Suche habe ich noch etwa zehn westliche Abbildungen des Propheten gefunden, zwei davon nur mit Schwert und eine mit Schwert und Buch. Allzu unentbehrlich scheint das Attribut doch nicht gewesen zu sein.
Jemand hat mich darauf hingewiesen, dass sowohl Gibbon als auch d’Ohsson Freimaurer waren. Könnte es sein, dass es eine freimaurerische Tradition war, Mohammed mit besagten Attributen abzubilden? Das ist auf die Schnelle schwer zu sagen.4

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RegnaultExécutionWie dem auch sei: Ganz unabhängig vom Propheten hat das Schwert des Islams seit Jahrhunderten eine Rolle in europäischen Vorstellungen gespielt. Europa hatte ja insgesamt eine negative Vorstellung von der islamischen Welt, obwohl man dort immer gerne die schönen Textilien und köstlichen Gewürze kaufte. Es gab die Erinnerung an die reale militärische Bedrohung durch die Araber im frühen Mittelalter und durch das starke Osmanenreich bis etwa 1700. Im 18. Jahrhundert war die Bedrohung gewichen und das Orientbild wurde positiver. Die orientalischen Herrscher konnten ja sogar den absolutistischen Fürsten Europas als Beispiel für Toleranz und Aufklärung entgegengehalten werden (Lessing). Im 19. Jahrhundert, als die Kolonialmächte sich die Welt untertan machten, verschlechterte das Bild sich wieder. Edward Said hat 1978 in seinem epochemachenden Buch Orientalism gezeigt, dass die europäischen Vorstellungen sogar mit Absicht verzerrt wurden um das Herrschen zu erleichtern. Der Orient sollte schön exotisch, aber auch rückständig und antiquiert sein und dazu noch unvorstellbar grausam. Orientalische Despoten mussten nur mit den Fingern schnippen und schon wurde jemand standrechtlich geköpft, natürlich malerisch mit einem Schwert, wie auf dem Gemälde Regnaults.5 Der so kreierte Orient bescherte dem Betrachter ständig ein wohliges Schaudern: Angstlust. Bilder von Arabern, die mit Schwertern um sich schlagen, sind in dem europäischen Gedächtnis wie eingebrannt.
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Natürlich verwendeten die alten Araber und die frühen Muslime tatsächlich Schwerter; das waren damals überall gängige Waffen. Aber später stiegen sie auf modernere Hinrichtungsmethoden um, wie alle anderen auch. Im Osmanenreich, das ja auch Syrien und den Irak umfasste, hat man seit Mitte des 19. Jahrhunderts nur noch durch Erhängen hingerichtet.6 Die Todesstrafe mittels Enthäuptung ist in der hanafitischen Rechtsschule auch gar nicht vorgesehen. Die Rechtsbücher der Hanbaliten dagegen, denen sowohl die Saudis wie die irakisch-syrische Terrorgruppe „Islamischer Staat“ folgen, schreiben das Schwert vor. In Saudi-Arabien wird in der Tat mit dem Schwert hingerichtet, aber seit wann? Der Staat existiert ohnehin erst seit 1932. Es gibt im Königreich nur wenige gute Scharfrichter, weshalb man dort das Erschießen bevorzugt.
Wahrscheinlich hat man sowohl in Saudi-Arabien wie auch im „Islamischen Staat“ irgendwelche Prophetenüberlieferungen neu beleben wollen, was einer re-invented tradition gleichkommt. Solchen Hadithen zufolge hat der Kalif Umar (reg. 634–44) dem Propheten mehrmals vorgeschlagen jemandem den Kopf abzuschlagen. Zu der Zeit war das noch nicht exotisch.

reelbadarabsIch vermute aber, dass der IS mit seinen Schwertern — mehr noch als auf Hadithe — auf die orientalistische Bildertradition im „Westen“ Bezug nimmt und sie medial ausnutzt. IS-Kämpfer lassen sich gerne mit Schwertern ablichten. Vielleicht werden die auch bei Hinrichtungen benutzt, obwohl das Bildmaterial oft irgendwie unecht wirkt. Ich habe mir die Filme dieser Hinrichtungen nicht so genau angesehen, und schon gar kein zweites Mal. Vielleicht habe ich hier oder da ein Schwert erkannt, wo nur ein Fleischermesser war. Das bewiese dann, dass auch ich darauf progammiert bin, Muslime mit Schwertern zu sehen. Welcher von den Terroristen hat wirklich jemanden mit einem Schwertschlag geköpft? Köpfen will gelernt sein und man braucht dazu viel Körperkraft. Es verlangt äußerste Konzentration, bis es bei laufender Kamera mit einem Mal gelingt.

So oder so, der IS will die jahrhundertealte Bildkraft des Schwertes nutzen; man weiß dort sehr wohl, dass Muslime mit Schwertern uns seit Jahrhunderten gruseln lassen. Es ist ein weiteres Beispiel dafür, wie Muslime sich selbst nach Vorbildern inszenieren, die von „orientalistischen“ Europäern stammen. Der „Westen“ bekommt damit genau die Muslime, die er sich vorstellt. Natürlich ist das Schwert nur ein Aspekt dieses Stylings. Mit dem finsteren Mittelalter hat das Ganze auf jeden Fall nicht so viel zu tun.

Vielleicht sollte jemand einmal der Frage nachgehen, warum archaische Tötungsweisen wie Köpfen oder Steinigen bei uns Entsetzen und Fassungslosigkeit auslösen, während das Morden mit Maschinengewehren und Drohnen als alltäglich hingenommen wird.

 

ANMERKUNGEN
1. Edward Gibbon, The Decline And Fall Of The Roman Empire, Bd. 3, London 1781, Kap. 50: […] „Mahomet, with the sword in one hand and the Koran in the other, erected his throne on the ruins of Christianity and of Rome,“ und „On the morning of the fatal day, he mounted on horseback, with his sword in one hand and the Koran in the other… .“
2. Ignatius Mouradgea d’Ohsson, Tableau Général de l’Empire Othoman, 7 Bde., Paris 1788-1824.
3. In Gottfried (Godfried) Arnold, Historie der kerken en ketteren van den beginne des Nieuwen Testaments tot aan het jaar onses Heeren 1688, Bd.1, Amsterdam 1701, S. 469. Ich danke dem niederländischen Historiker Martin Hillenga für den Hinweis. Eine hochauflösende Reproduktion steht hier.
4. De Hooghe kann noch kein Freimaurer gewesen sein, da die erste Loge in den Niederlanden erst 1734 eröffnet wurde.
5. So auch wieder in Sacha Baron Cohens Film The Dictator (2012).
6. Adolf Heidborn, Manuel de droit public et administratif de l’Empire Ottoman, 2 Bde., Wien 1909–1912, i, 370.

Diakritische Zeichen: Ḥusain ibn ʿAlī, Karbalāʾ, ʿUmar

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Das Kalifat in Medina, oder: das erste Arabische Reich, 622–661

Die Standarderzählung zum ersten arabischen Staat ist allgemein bekannt. Im Jahr 622 verließ der Prophet Mohammed seine Heimatstadt Mekka und wanderte nach Medina aus, wo er einen Staat gründete. Nach seinem Tod behielten drei seiner Nachfolger, gemeinhin bekannt als die „Rechtgeleiteten Kalifen“, Medina als Hauptstadt bei, das sie als Basis für immense Eroberungen benutzten. Der vierte Kalif, ‘Alī, regierte de facto von Kūfa (im Irak) aus. Nach seinem Tod im Jahr 661 verschob sich der Schwerpunkt nach Damaskus in Syrien, wo der Umayyade Mu‘āwiya, der bereits seit 642 als Statthalter regiert hatte, jetzt Kalif wurde.
Dieser sehr kurze Überblick scheint sowohl für Muslime wie auch für traditionelle Orientalisten im Westen akzeptabel zu sein. Aber ist diese Darstellung heutzutage wirklich noch vertretbar? Ich möchte mich hier nicht mit der Frage beschäftigen, ob dieses Reich *islamisch genannt werden kann oder noch nicht, sondern vielmehr mit der, ob Medina, eine Oase tief im Inneren der Arabischen Halbinsel, wirklich die Hauptstadt eines zentralistischen und sich schnell erweiternden Weltreichs sein konnte. Es hatte in der Gegend aus verständlichen geographischen Gründen noch nie einen unabhängigen Staat gegeben — und das sollte von 632 bis 661 auf einmal der Fall gewesen sein?

Im Jemen (Arabia Felix) hatte es schon seit zweitausend Jahren Staaten gegeben. Dieser Teil der Halbinsel hat ein relativ feuchtes Klima, sodass eine geregelte Landwirtschaft möglich ist. Bewässerung und Terrassenfeldbau verlangen eine zentrale Organisation, ein Staatswesen.

In Nordarabien (Arabia Petraea) hatte es über längere oder kürzere Perioden Staaten gegeben. Ich nenne nur Thamūd (ca. 715 vChr–600 nChr), den Nabatäerstaat (110 vChr–106 nChr) und die kurze Machtentfaltung der Königin Zenobia in Palmyra (268–272). Danach hatte es zwei arabische Dynastien in Vasallenstaaten gegeben: die Ghassāniden (500–630), Vasallen des Oströmischen Reichs, und die Lakhmiden (266–602), Vasallen Persiens. Beide Großreiche wurden regelmäßig von nomadischen Räuberbanden heimgesucht. Weder Ostrom noch Persien hatte diese Kamelnomaden erfolgreich bekämpfen können, weil sie sich schnell mit ihrer Beute in die Wüste zurückziehen konnten, in die geregelte Heere mit Pferden und Wagen nicht vordringen konnten. Deshalb hatten jene beiden Großreiche sich lieber mit den Beduinen angefreundet. Sie ernannten ein Stammesoberhaupt zum König, der bekam eine Krone, einen Königsmantel und einen Palast und darüber hinaus das Geld um seine Soldaten zu bezahlen, die im Gegenzug nicht länger ihre Wohltäter ausplünderten. Aber Ghassān und Lakhm hörten auf zu existieren, sobald das Oströmische Reich und Persien, durch Kriege untereinander erschöpft, aufhörten ihre Vasallen zu finanzieren.

In Mittelarabien (Arabia Deserta) hatte es nur eine staatsähnliche Entität gegeben: Kinda (425–528). Auch dies war ein Vasallenstaat, der vom jemenitischen Staat Himyar abhängig war. Als Himyar kollabierte, verschwand auch er. Es blieb nur eine vage Erinnerung an seine Könige; der letzte Königssohn war der berühmte Dichter Imru’u l-Qais. Es hatte in Mittelarabien also schon so etwas wie einen Staat gegeben, aber keinen unabhängigen.

Diese Lage änderte sich im siebten Jahrhundert mit dem überraschend erfolgreichen Versuch, einige Stämme um die Oase Yathrib (Medina) zu vereinen. Bleiben wir einen Augenblick bei der Standarderzählung: Es war Mohammed, der in seinen Jahren in Medina (622–632) die Stämme unter seinem Banner vereinte. Als er starb, hinterließ er tatsächlich etwas, das man einen Staat nennen kann.
Die islamische Standarderzählung über die Ereignisse nach seinem Tod unterscheidet sich  einigermaßen von der modernen. Die alten islamischen Geschichtsschreiber drücken es in religiösen Worten aus: Mohammed hatte die ganze Halbinsel unter dem Banner des Islams vereint. Nach seinem Tod wurden viele Stämme abtrünnig und schwuren dem Islam ab. In den sogenannten Ridda-Kriegen (632–634) islamisierten die Generäle des Kalifen Abū Bakr die Halbinsel aufs Neue. Nicht-islamische Historiker sind dagegen an der religiös geprägten Darstellung nicht interessiert. Sie gehen davon aus, dass Mohammeds Kernstaat ziemlich klein war, dass aber in den Jahren nach seinem Tod allerlei arabische Stämme erfolgreich in das neue Staatswesen integriert wurden; nicht zum zweiten, sondern zum ersten Mal.
Bis hier ist die Erzählung von dem neuen Staat mehr oder weniger plausibel. Alle Oasen müssen gewissermaßen Staaten sein, wäre es nur um den Zugang zum Wasser und dessen Verteilung zu regeln. Stämme entlang der Handelsstraßen müssen unter Kontrolle gebracht und gehalten werden, damit Karawanen sich nicht plötzlich von Wasser, Nahrung und Futter abgeschnitten sehen. Eine allmähliche Erweiterung dieses ersten Staates in den Rest der Halbinsel hinein, wenn auch noch nie zuvor da gewesen, ist auch nicht unvorstellbar. Aber einhergehend mit der Einigung der Halbinsel setzte eine schnelle und gewaltige Vergrößerung des neuen Staats ein. 635 wurde Syrien annektiert; 634–642 wurden Irak und West-Iran erobert, 639–642 Ägypten, 640 Palästina und 640–660 der gesamte Iran, bis tief hinein nach Zentralasien. Mit anderen Worten: in dreißig Jahren wurden das ganze Persische und das halbe Oströmische Reich dem Arabischen Reich eingegliedert. Wenn es nicht nachweisbar so geschehen wäre, würde man es nicht glauben. Aber stimmt es auch, dass dieses riesige Reich dreißig Jahre lang das ungünstig gelegene Medina zur Hauptstadt hatte und von dort aus zentralistisch regiert wurde? Um diese Frage zu beantworten sollten wir erst mal schauen, was ein Reich so braucht:

– Ein großes Grundgebiet
– Eine Bevölkerung
– Eine zentrale Befehlsgewalt, Statthalter, Steuer- und andere Beamte, Richter
– Schnelle und zuverlässige Kommunikationsmittel
– Agrarüberschüsse
– Regelmäßige Steuereinkünfte
– Ein stehendes Heer unter zentralem Kommando und das Geld um es zu bezahlen.
– Legitimität der Regierung

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Diakritische Zeichen: ʿAlī, Muʿāwiya, Ṯamūd, Ġassān, Lakhm, Ḥimyar

Kalif (Kurzdefinition)

Kalif, Arabisch khalīfa, Pl. khulafā’= „Stellvertreter“ oder „Nachfolger“. „Stellvertreter Gottes auf Erden“ nämlich: khalīfat allāh; manchmal auch genannt: „Stellvertreter/Nachfolger des Propheten,“ khalīfat rasūl allāh.

Der Kalif ist idealerweise das Staatsoberhaupt des islamischen Staates. Trotz aller Einheitsideale hat es aber des Öfteren mehrere islamische Staaten nebeneinander gegeben, und auch mehr als einen Kalifen.

Die sunnitischen Kalifen hatten nach 945 hauptsächlich eine zeremonielle Funktion inne, während die wirkliche Macht bei Großweziren (Staatsminister), Sultanen oder Militärführern lag. Danach haben Kalifen niemals mehr zu großer Macht zurückgefunden. Als 1258 die Mongolen Bagdad stürmten, wichen die Abbasidenkalifen nach Kairo aus, wo sie unter den Mamlukenherrschern, die Legitimation brauchten, noch fast drei Jahrhunderte eine rein zeremonielle Funktion ausübten — aber offiziell noch immer als Stellvertreter Gottes auf Erden (nā’ib Allāh fī ardihi). Als 1517 die Osmanen nach Kairo kamen, wurde das Abbasidenkalifat abgeschafft. Fortan war „Kalif“ einer der Titel des osmanischen Sultans in İstanbul. 1924 schaffte Atatürk im Rahmen seiner Modernisierung der Türkei das Kalifat ganz ab.

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Andere Kurzdefinitionen: Anlässe der Offenbarung, DhimmiFatwa, Hadith, Isnad, Isra’iliyat, Koranauslegung, Muslim, Naskh, ProphetenerzählungenSabab an-nuzulSchariaSiraSunnaTafsirTaqiya,

Diakritische Zeichen: ḫalīfa, ḫulafāʾ,ḫalīfat allāh, arḍihi

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