Mohammeds Selbstmordvorhaben

In at-Tabarīs großem Geschichtswerk steht auch Ibn Ishāqs Erzählung über Mohammeds erstes Offenbarungserlebnis auf dem Berg Hirā’. Sie ist dem Propheten selbst in den Mund gelegt; wer sonst wäre als Quelle plausibel? Die ganze Erzählung wird in diesem Lesewerk auch mal abgedruckt werden; für den Augenblick beschränke ich mich auf den Selbstmordgedanken des Propheten. Er hat gerade erzählt, wie ihm Djibrīl (Gabriel) im Traum die ersten Koranverse übermittelt habe; dann fährt er fort:

  • … Dies rezitierte ich; dann ließ er mich los und ging weg, und als ich aufwachte war es, als wäre es in mein Herz geschrieben.
    Nun gab es kein Geschöpf, das mir verhasster war als Dichter und Besessene; ich konnte sie einfach nicht riechen. Und ich dachte: „O wehe, dieser Nichtswürdige“—er meinte sich selbst—„ist ein Dichter oder Besessener. Aber das werden die Quraisch nie von mir sagen! Ich werde hoch auf den Berg steigen und mich herunterstürzen und töten; dann habe ich Ruhe.“ In der Absicht machte ich mich also auf den Weg, aber als ich mitten auf dem Berg war, hörte ich eine Stimme vom Himmel: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Djibrīl.“ …1

Diese Fassung der Erzählung ist wenig bekannt; meistens liest man Ibn Ishāqs Erzählung in der Rezension des Ibn Hishām, die für viele „die“ Biografie des Propheten ist:

  • … Dies rezitierte ich; dann ließ er mich los und ging weg, und als ich aufwachte war es, als wäre es in mein Herz  geschrieben. Ich machte mich also auf den Weg, und als ich mitten auf dem Berg war, hörte ich eine Stimme vom Himmel: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin  Djibrīl.“ …1

Ibn Hishām hat das mit dem Selbstmordgedanken herausgeschnitten und die beiden verbleibenden Texthälften etwas krude wieder zusammengenäht. Die Naht ist deutlich erkennbar. Warum hat er das getan? Er wollte offensichtlich keinen Text herausgeben, in dem etwas Negatives über Mohammed vorkommt. Aber darin zeigte er wenig Gespür für Erzählen und für islamische Theologie. Denn ist es nicht plausibel, dass Mohammed, der dem Koran zufolge ein normaler Mensch war, in dem Augenblick äußerst bedrückt gewesen sei? Nicht nur Propheten wissen, dass einer mystischen Erfahrung oft depressive Gefühle folgen. Überdies wirkt so in der Erzählung die Aufhebung aus dem Tief umso schöner. Gott greift sofort ein: So bald Mohammed den Berg hochsteigt, bekommt er abermals eine mystische Vision und es erscheint ihm der Engel über die ganze Breite des Himmels.2 Wenn das keine erbauliche Geschichte ist! Eigentlich ist sie erst schlüssig durch den Selbstmordgedanken. Gott bietet Perspektive bei Trübsinn, Gott schützt seinen Propheten vor dem Bösen, genau wie hier. Aber nein, der brave Ibn Hishām verstand so etwas nicht, und wohl mit dadurch ist sein Buch ein Bestseller geworden.

Die Möglichkeit den Propheten überhaupt an Selbstmord denken lassen zu können wird durch Koran 18:6 dargereicht: فلعلك بـٰخع نفسك على أثـٰرهم إن لم يؤمنوا بهذا الحديث أسفا . „Vielleicht willst du, wenn sie an diese Verkündigung nicht glauben, dich selber umbringen […],“ und durch K. 26:3:  لعلك بـٰخع نفسك ألاّ يكونوا مؤمنين . „Vielleicht willst du dich selber umbringen, weil sie nicht gläubig sind.“ Zwar hat Ullmann3 nachgewiesen, dass das dort verwendete Wort bākhi‘ nicht „umbringen“ bedeutet, aber viele Koranausleger haben es doch so aufgefasst, und der Erzähler des obigen Textes könnte das ebenfalls getan haben..

ANMERKUNGEN
1. At-Tabarī, [Ta’rīkh al-rusul wal-mulūkAnnales, hrsg. M.J. de Goeje et al., 14 Bde., Leiden 1879–1901, i, 1150.

قال: فقرأتها ثم انتهى فانصرف عني وهببت من نومي ، فكأنما كتبت في قلبي كتابا. (قال: ولم يكن من خلق الله أحد أبغض إلي من شاعر أو مجنون، كنت لا أطيق أن أنظر إليهما، قال: قلت إن الأبعد – يعني نفسه – لشاعر أو مجنون، لا تحدث بها عني قريش أبدا! لأعمدن إلى حالق من الجبل فلأطرحن نفسي منه فلأقتلنها فلأستريحن.) قال: فخرجت (أريد ذلك) حتى إذا كنت في وسط من الجبل سمعت صوتا من السماء يقول : يا محمد، أنت رسول الله وأنا جبريل.

Ibn Hishām hat denselben Text, aber er hat die eingeklammerten Teile gestrichen: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, ed. F. Wüstenfeld, Göttingen, 2 Tle., 1858–60, i, 153.
2. Oder ist es Gott selbst? Vgl. Koran 53:8–10: . ثم دنا فتدلّى فكان قاب قوسين أو أدنى فأوحى إلى عبده ما أوحى  „Hierauf näherte er sich und kam (immer weiter) nach unten und war (schließlich nur noch) zwei Bogenlängen entfernt oder noch näher; darauf offenbarte er seinem Knecht das, was er offenbarte.“ Wenn das Subjekt Gabriel ist, ist „sein Knecht“ merkwürdig. Mohammed ist Gottes, nicht Gabriels Knecht.
3. Manfred Ullmann, „Wollte Mohammed Selbstmord begehen? Die Bedeutung des arabischen Verbums baha‘a,“ in Die Welt des Orients 34 (2004), 64–71.

Diakritische Zeichen: aṭ-Ṭabarī, Ibn Ishāq, Ḥirāʾ, Ǧibrīl, Ibn Hišām, Taʾrīḫ, bāḫiʿ, baḫaʿa

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Unfähige Propheten

Einer Erzählung zufolge, die Mohammeds erstes Offenbarungserlebnis  schildert, hatte der Prophet sich auf den Berg Hirā’ zurückgezogen, als der Engel Gibrīl (Gabriel) zu ihm kam:

  • Der Prophet selbst erzählte dazu: Während ich schlief, kam Gibrīl zu mir mit einer Brokatdecke, auf der Schriftzeichen standen. Er sagte: „Lies!“ Ich sagte: „Ich kann nicht lesen (mā aqra’u).“ Darauf drückte er mit der Decke meinen Hals so kräftig zu, dass ich dachte, es wäre der Tod. Dann ließ er mich los [und sagte: „Lies!“ Ich antwortete: „Ich kann nicht lesen.“ Darauf drückte er abermals so kräftig, dass ich dachte, es wäre der Tod. Dann ließ er mich los] und sagte wieder: „Lies!“ Ich sagte: „Was soll ich lesen? (mā dhā aqra’u)“ und das sagte ich nur um ihn los zu werden, aus Angst, dass er es noch mal tun würde. Da sagte er: Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen. Lies im Namen deines Herrn, der erschuf,—erschuf den Menschen aus einem Klumpen Blut. Lies! denn dein Herr ist der Allgütige, der (den Menschen) lehrte durch die Feder, den Menschen lehrte, was er nicht wusste. [Koran 96:1–5] Dies rezitierte ich; dann ließ er mich los und ging weg. Als ich aufwachte war es, als wäre es in mein Herz geschrieben.
    Nun gab es kein Geschöpf, das mir verhasster war als Dichter und Besessene; ich konnte sie einfach nicht riechen. Und ich dachte: „O wehe, dieser Nichtswürdige“—er meinte sich selbst—„ist ein Dichter oder Besessener. Aber das werden die Quraisch nie von mir sagen! Ich werde hoch auf den Berg steigen und mich herunterstürzen und töten, dann habe ich Ruhe.“ In der Absicht machte ich mich also auf den Weg, aber als ich mitten auf dem Berg war, hörte ich eine Stimme vom Himmel: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Gibrīl.“ Ich schaute hoch zum Himmel und siehe da, es war Gibrīl in der Gestalt eines Mannes, der mit seinen Füßen neben einander am Horizont stand. Wieder sagte er: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Gibrīl.“ Ich sah ihn weiter an und das brachte mich von meinem Vorhaben ab; ich ging weder vorwärts noch rückwärts. Da wollte ich meinen Blick von ihm abwenden, aber in welche Richtung ich auch schaute, überall sah ich ihn wieder so stehen. Dort blieb ich so lange, ohne einen Schritt vorwärts oder Rückwärts zu tun, dass Khadīdja schon ihre Boten sandte um nach mir zu suchen; sie kamen bis oberhalb von Mekka, während ich noch am selben Ort stand. Dann verließ er mich.1

Diese Erzählung beschreibt das, was christliche Theologen eine Berufungsvision nennen. Von verschiedenen Propheten wird im Alten Testament erzählt, wie sie anfangs meinen der Aufgabe, die Gott ihnen auferlegen will, nicht gewachsen zu sein.
Moses wird beauftragt sein Volk aus Ägypten ins Land Kanaan zu führen. Er hat einige Ausreden und bringt zum Schluss vor: „Ach Herr! Ich bin kein redegewandter Mann […] denn unbeholfen ist mein Mund und unbeholfen meine Zunge.“ (2. Mose 4:10).

Jesaja sieht eine Ehrfurcht gebietende Vision des Herrn, umgeben von zwei Seraphim. Er ruft aus: „Wehe mir, ich bin verloren! Denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich …“ (Jesaja 6:5).
Jeremia sagt bei seiner Berufung: „Ach Herr, Herr, ich verstehe nicht zu reden; denn ich bin zu jung“ (Jeremia 1:6).
Hesechiel erschrickt gewaltig und fällt beim Anblick einer überwältigenden Vision auf sein Angesicht (Hesechiel 1–3).

Die Propheten haben Recht. Natürlich sind sie nicht im Stande ihre Aufgabe ohne Weiteres zu erfüllen. Aber Gott macht sie bereit und stärkt sie dazu, gibt ihnen seine Worte ein, worauf es dann gelingt. Jesajas unreine Lippen werden mit einer glühenden Kohle vom Altar gereinigt; dann ist er bereit zu prophezeihen. Hesechiel wird von Gott „emporgehoben“; er hat schon eine Schriftrolle zu essen bekommen, „süß wie Honig,“ und ihm wird die nötige Härte verliehen; Mohammed bekommt die Schrift buchstäblich fast in seinen Hals gepresst. Sowohl Hesechiel (Hes. 3:14–15) als auch Mohammed sind nach der Berufungsvision schwer angeschlagen.
Nur der biblische Prophet Jona sagt nicht, dass er kein Prophet sein kann; er weigert sich einfach. Sein Auftrag ist es in die große Stadt Ninive im Irak zu gehen, aber er nimmt ein Schiff in eine andere Richtung—das ist ein anderer Fall. Mohammed passt in die Reihe der anderen Propheten, die sich zunächst unfähig fühlen.

Ich musste etwas nachdenken über die Wörter mā aqra’u in der Erzählung über Mohammeds Berufung, oben übersetzt als: „Ich kann nicht lesen“— wobei wohlgemerkt in der alten Zeit lesen immer bedeutete: laut lesen, rezitieren.
mā aqra’u word manchmal aufgefasst als: „Was werde/soll ich lesen?“, aber naheliegender wäre in dem Fall mā dhā aqra’u, was etwas später kommt. Der Kontrast zwischen zweimal mā aqra’u und einmal mā dhā aqra’u ist beabsichtigt.
mā aqra’u ist in allerlei Varianten des modernen(!) gesprochenen Arabisch ein neutrales: „Ich lese nicht/werde nicht lesen“. In der Schriftsprache war und ist das aber lā aqra’u.
+ Imperfekt. Nach W. Fischer, Grammatik des klassischen Arabisch, Wiesbaden 21987, § 321 „bestreitet mit Impf. den Vorgang oder dessen Möglichkeit: [… ] mā yarāka, ‘er sieht dich gar nicht, kann dich nicht sehen’.“ Die anderen Grammatiken des klassischen Arabisch haben zu diesem Punkt nichts mitzuteilen.

Auf Grund dieses Paragraphen bei Fischer und der obigen biblischen Vorbilder habe ich in der Erzählung über das erste Offenbarungserlebnis die Übersetzung: „Ich kann nicht lesen“ gewählt.

ANMERKUNGEN

1. At-Tabarī, [Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk] Annales, hrsg. M.J. de Goeje et al., 14 Bde., Leiden 1879–1901, i, 1150:

قال رسول الله ص: فجاءني [جبريل] وأنا نائم بنمط من ديباج فيه كتاب ، فقال: اقرأ، فقلت: ما أقرأ. فغتني حتى ظننت أنه الموت، ثم أرسلني فقال: اقرأ، فقلت: [ما أقرأ ؟ قال : فغتني به حتى ظننت أنه الموت، ثم أرسلني، فقال: اقرأ، قلت:] ماذا أقرأ؟ ما أقول ذلك إلا افتداء منه أن يعود إلي بمثل ما صنع بي، قال:(اقرأ باسم ربك الذي خلق) ألى قوله (علم الإنسان ما لم يعلم.) قال: فقرأته. قال: ثم انتهى ثم انصرف عني وهببت من نومي ، وكأنما كتبت في قلبي كتابا. قال: ولم يكن من خلق الله أحد أبغض إلي من شاعر أو مجنون، كنت لا أطيق أن أنظر إليهما، قال: قلت إن الأبعد – يعني نفسه – لشاعر أو مجنون، لا تحدث بها عني قريش أبدًا. لأعمدنّ إلى حالق من الجبل فلأطرحنّ نفسي منه فلأقتلنّها فلأستريحنّ.) قال: فخرجت أريد ذلك حتى إذا كنت في وسط من الجبل سمعت صوتا من السماء يقول : يا محمد، أنت رسول الله وأنا جبرئيل. قال: فرفعت رأسي إلى السماء ، فإذا جبريل في صورة رجل صاف قدميه في أفق السماء يقول: يا محمد، أنت رسول الله وأنا جبرئيل. قال: فوقفت أنظر إليهِ فما أتقدم وما أتأخر، وجعلت أصرف وجهي عنه في آفاق السماء فلا أنظر في ناحية منها إلا رأيته كذلك ، فما زلت واقفا ما أتقدم أمامي ولا أرجع ورائي حتى بعثت خديجة رسلها في طلبي ، ختى بلغوا أعلى مكة ورجعوا إليها وأنا واقف في مكاني؛ ثم انصرف عني.

Der häufiger gelesene Ibn Hishām hat die Teile zum Selbstmordvorhaben aus der Vorlage von Ibn Ishāq gestrichen; deshalb zitiere ich hier die Fassung von at-Tabarī, die den ursprünglichen Wortlaut erhalten hat. Dafür hat Ibn Hishām dreimal den Auftrag: „Lies!“ Das zweite Mal habe ich hier zwischen Klammern hinzugefügt. Dreimal ein Auftrag und zweimal eine Weigerung ist klassisch; das gibt es z.B. auch in der Erzählung von der Berufung des Mönchs Cædmon bei Beda Venerabilis.

Diakritische Zeichen: Ḥirāʾ, Ǧibrīl, Quraiš, aṭṬabarī, taʾrīḫ, Hišām, Isḥāq

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„Verdienste der Gefährten“: Abu Bakr vs. Umar und Ali

In dem Artikel „Verdienste der Prophetengefährten“ hatte ich schon darauf hingewiesen, wie Ruf und Status der Gefährten in Sira-Erzählungen gemacht oder gebrochen werden können. Die meistbehandelten Personen aus der Umgebung des Propheten waren die ersten Kalifen. Deshalb bin ich mal der Sache nachgegangen, wie zum Beispiel Abū Bakr, der erste Kalif (reg. 632–34) in den Quellentexten davonkommt. Seine Verdienste stehen in Kontrast zu denen von ‘Umar und ‘Alī.
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Das Sterbebett des Propheten: Abū Bakr und ‘Umar
Die letzten Tage des Propheten bilden ein spannendes Kapitel in der Biografie.1 Die heikle Frage war: Hat der Prophet einen Nachfolger ernannt oder nicht? Abū Bakr war der Nachfolger des Propheten als Staatsoberhaupt und es könnte interessant sein, der Frage nachzugehen, ob davon in den Quellen etwas zu bemerken ist. Wir werden sehen: Sein „Kurs“ geht auf und ab.

Der Prophet vertraute Abū Bakr während seiner letzten Krankheit die Leitung des öffentlichen Gebets an.2 Aus diesem Auftrag als Imam zu wirken könnte man eventuell folgern, dass auch eine Nachfolge als Imam im Sinne von Staatsoberhaupt, Kalif, gemeint war.

In zwei Berichten ist es ‘Umar (der spätere zweite Kalif, reg. 634–44), der die Leitung des Gebets übernahm, weil Abū Bakr kurz abwesend war. Bald erwies sich aber, dass dies nicht dem Wunsch des Propheten entsprach und so übernahm Abū Bakr doch noch die Leitung.3

Laut einem anderen Bericht war Abū Bakr sogar im Augenblick, da der Prophet verstarb, nicht anwesend. War er weit weg, hatte er eine wichtige Aufgabe zu erfüllen, wie zum Beispiel Usāma ibn Zaid, der gerade außerhalb der Oase einen Feldzug gen Norden vorbereitete aber, als der Prophet wirklich im Sterben lag, doch schnellstens nach Medina kam? Nein, Abū Bakr wollte nur in seinem Haus am Rande von Medina ein wenig quality time mit seiner Frau verbringen.4 Er hatte dazu um Erlaubnis gebeten und sie erhalten; trotzdem macht seine Abwesenheit keinen guten Eindruck. Das Detail war offensichtlich unleugbar oder nicht aus der Überlieferung wegzuschaffen. Kann jemand, der in kritischen Augenblicken nicht da ist, die Gemeinschaft führen? 

Aber noch war nicht alles verloren. Wenn Abū Bakr auch nicht selbst beim Dahinscheiden des Propheten zugegen war, seine Familie war das in hohem Maße.5 Abū Bakrs Tochter Aischa, die Lieblingsfrau des Propheten, ist sogar die Heldin der Sterbeszene. Sie witzelt mit dem kranken Propheten und sie ist es, die ihn in seinen letzten Tagen in ihre Wohnung aufnimmt und pflegt. In seinen letzten Augenblicken sah der Prophet dort einen Mann mit einem Zweig in der Hand, eben von der Sorte, die als Zahnholz (siwāk) verwendet wird. Der war natürlich ein Verwandter, denn fremde Männer sind in Aischas Haus nicht zu erwarten. Eine Überlieferung nennt ihn beim Namen: es war Aischas Bruder ‘Abd ar-Rahmān. Der Prophet winkte, dass er das Zahnholz haben wolle; Aischa kaute es vor und überreichte es ihm. Darauf verschied er an ihrer Brust. Größere Intimität ist nicht möglich! So wird in dieser Erzählung Abū Bakrs Abwesenheit von seinen Verwandten, vor allem von seiner Tochter, einigermaßen wettgemacht.

Als der Prophet verstorben war, machte Abū Bakr laut Überlieferung eine gute Figur. Während ʿUmar in Verwirrung geriet und behauptete, der Prophet sei nicht wirklich verstorben, bewahrte Abū Bakr seine Ruhe und führte die Gemeinschaft mit Hilfe eines Koranverses zurück in die Realität.6 Hier wird er also als überzeugende Führungspersönlichkeit dargestellt.
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Die Hidschra-Erzählungen: Abū Bakr vs ‘Alī
Das bekannteste sunnitische Erzählmaterial zur Hidschra des Propheten von Mekka nach Medina und den Vorbereitungen dazu findet man bei Ibn Ishāq.7 Der Abschnitt über Abū Bakrs Anteil daran stammt von Urwa ibn al-Zubayr (ca. 635–712), dessen Mutter Asmā’ eine Tochter Abū Bakrs war. Aischa, dessen berühmteste Tochter, war also seine Tante. Es wird daher nicht verwundern, dass Abū Bakr in ʿUrwas Erzählung eine Glanzrolle spielt. Die Verwandten ‘Urwas gehörten mütterlicherseits zu der ältesten islamischen Elite, aber väterlicherseits ebenfalls. Seine Brüder hatten, kurz bevor ‘Urwa die Erzählung niederschrieb, noch vergeblich versucht in Mekka ein Kalifat zu etablieren.
Nahezu alle Muslime sind schon nach Medina abgereist, aber der Prophet wartet noch in Mekka, bis er Gottes Erlaubnis zur Abreise erhält. Nur Abū Bakr und ‘Alī8 sind mit ihm zurückgeblieben.
Abū Bakr hofft und betet, dass er den Propheten auf dessen gefährlicher Reise begleiten darf. Er kauft schon die Kamele, auf denen der Prophet und er die Reise machen können. Der Prophet erscheint  unerwartet in Abū Bakrs Haus und teilt ihm mit, dass die Zeit gekommen ist und er zusammen mit ihm abreisen darf. Abū Bakrs Töchter sind dabei ausdrücklich präsent. Darauf versuchen die Gegner des Propheten diesen zu töten. Als das misslingt und der Prophet und Abū Bakr die Stadt fluchtartig verlassen, verstecken sie sich einige Tage in einer Höhle. Hiermit wird gelegentlich der Koranvers 9:40 in Verbindung gebracht: فقد نصره الله إذ أخرجه الذين كفروا ثاني اثنين إذ هما في الغار  „[…] Gott hat ihm ja schon geholfen, als die Ungläubigen ihn zusammen mit einem Zweiten herauswarfen, als die beiden in der Höhle waren […].“
Abū Bakr macht sich abermals unentbehrlich, indem er die Höhle von Ungeziefer und Skorpionen säubert. Seine Tochter Asmā’ bringt Proviant zur Höhle, sein Sohn ‘Abdallāh belauscht, was die Menschen in Mekka sagen und meldet das abends dem Propheten in der Höhle. Kurzum, die ganze Familie Abū Bakrs legt sich ins Zeug und geht dabei beträchtliche Risiken ein. Nur Aischa betätigt sich nicht, weil sie noch zu jung ist; aber sie hat später die ganze Erzählung überliefert.
Auch ‘Alī ist in Mekka zurückgeblieben, aber seine Rolle ist relativ unbedeutend: Er soll sich ins Bett des Propheten legen, um die Männer irrezuführen, die diesen im Bett ermorden wollen. Nach der Abreise des Propheten mit Abū Bakr bleibt ‘Alī noch einige Tage in Mekka zurück um den Leuten die Güter zurückzugeben, die sie beim Propheten in Aufbewahrung gegeben hatten: eine ehrenvolle, aber untergeordnete Aufgabe. Anders als Abū Bakr hat ‘Alī so die Hidschra des Propheten und dessen triumphalen Einzug in Medina nicht persönlich miterleben können.
Ohne Abū Bakr und Familie hätte die ganze Hidschra nicht stattfinden können—das scheint uns die obige Erzählung vermitteln zu wollen. Ohne den Erzähler ‘Urwa und seine (vermeintliche?) Quelle, Tante Aischa, hätte die ganze Geschichte bestimmt anders ausgesehen.

Es gibt aber tatsächlich Geschichten, die ganz anders aussehen: Fassungen der Hidschra-Erzählung, in denen Abū Bakr einen etwas unschönen Auftritt hat, zu spät kommt oder sogar den Propheten aufhält, während ʿAlī eine Glanzrolle spielt. Eine kurze, anonyme, offensichtlich schiitisch inspirierte Fassung, die u.a. bei at-Tabarī9 bewahrt geblieben ist, bietet den Stoff wie folgt an:

Abū Bakr wusste offenbar nicht, dass der Prophet schon weg war, und fragte ‘Alī, wo jener sei. Der sagte ihm, er habe die Stadt verlassen und er sei in einer bestimmten Höhle, in der er sich ihm anschließen solle. Abū Bakr machte sich eilends auf den Weg. Der Prophet hörte jemanden hinter sich herkommen und fürchtete, dass es ein Feind sei. Er beschleunigte seinen Schritt, hatte aber mit einer kaputten Sandale zu kämpfen und verletzte seinen Fuß. Abū Bakr wollte ihn nicht weiter belästigen und machte sich bemerkbar. Erst ab diesem Augenblick gingen sie zusammen weiter, während der Fuß des Propheten heftig blutete.

‘Alī dagegen zeigte Heldenmut in der Konfrontation mit den verhinderten Prophetenmördern. Sie verpassten ihm auf der Stelle eine Tracht Prügel und sperrten ihn eine Zeitlang ein, was er tapfer durchstand.

Kurzum: eine schiitische Erzählung. Man findet sie ebenfalls in einem Papyrus aus dem 9. Jahrhundert, dessen Inhalt auf den Erzähler → *Wahb ibn Munabbih (± 654–730) zurückgeht.10 Diese viel ausführlichere Erzählung enthält die folgenden „Verdienste“-Elemente:
Mohammed begibt sich eines Mittags zu Abū Bakr und berichtet über die Verschwörung der Quraisch gegen ihn. Dass die Töchter dabei auch zugegen wären, liest man hier nicht. Abū Bakr macht sich dann verdient, indem er draußen belauscht, was die Leute vorhaben. Er folgt zwei Feinden; einer von ihnen ist sogar der Leibhaftige. Dann bittet er um die Erlaubnis mit dem Propheten mitzureisen. Die bekommt er; die Abreise soll am Abend sein. Er bereitet sich vor.
Der Prophet lässt inzwischen ‘Alī holen und sagt diesem, dass er sich in sein Bett legen solle um die Verschwörer irrezuführen. Quasi nebenbei wird ihm auch gesagt, dass er Abū Bakr beauftragen solle, sich in einer gewissen Höhle dem Propheten anzuschließen. In dieser Fassung verlässt Abū Bakr also doch nicht zusammen mit dem Propheten die Stadt; das ist eine Inkonsequenz in der stark redigierten Erzählung. Oder der Prophet hat nicht die Mühe genommen, Abū Bakr die Änderung in seinem Plan mitzuteilen. Wie auch immer, der Prophet entkommt; Abū Bakr geht ihm nach, aber erschreckt ihn, so dass der Prophet stolpert und seinen Fuß verletzt. Um Schlimmerem vorzubeugen macht Abū Bakr sich jetzt bemerkbar. Zusammen betreten sie die Höhle, in der sie sich verstecken können. Beim Reinigen der Höhle wird Abū Bakr von einem Skorpion gestochen und der Prophet muss seine Zauberkunst (ruqya) anwenden um ihn zu heilen. Kurzum, Abū Bakr legt sich schon ins Zeug, aber der Prophet hat seine liebe Not mit ihm.
‘Alī hat inzwischen im Bett des Propheten geschlafen. Er zeigt den Verschwörern gegenüber Heldenmut.
Sowohl Abū Bakrs Tochter Asmā’ wie auch ‘Alī bringen tagtäglich Proviant zur Höhle; die beiden wetteifern sogar. ‘Abdallāh, der Sohn Abū Bakrs, wird in dieser Fassung nicht erwähnt.
‘Alī bekommt den Auftrag drei Kamele und einen Führer für die Weiterreise zu mieten. In der anderen Erzählung kauft Abū Bakr die Kamele aus freien Stücken und bezahlt sie aus eigener Tasche.
Beim Einzug in Medina wird Abū Bakr nicht mal erwähnt; dafür aber ‘Alī, obwohl dieser erst einige Tage später eintrifft.

Europäische Orientalisten fühlen sich oft in rätselhafter Weise mit dem sunnitischen Islam verbunden. Demzufolge meinen sie häufig, dass ‘Urwas Erzählung die ursprüngliche sei und die andere eine schiitische Überarbeitung. Vielleicht haben sie Recht, aber das Umgekehrte ist genauso gut möglich.
Die Schia, die Partei ‘Alīs, existierte schon zu dessen Lebzeiten. Sein Anrecht auf das Kalifat war von Anfang an und vor allem nach seinem Tod im Jahr 661 stets ein zentraler Streitpunkt, während das Gedankengut ‘Urwas erst nach 690 seinen Durchbruch erlebte. Wahb verstarb ca. 728, aber seine Fassung hatte schon eine ganze Geschichte hinter sich. Sie weist deutlich sekundäre ‘Alī-Reklame auf, wie z.B. dessen auffällige Rolle bei der Ernährung in der Höhle und dem Besorgen der Kamele, aber es ist nicht alles nur ‘Alī, wo man hinhört; es gibt durchaus auch Verdienste von Abū Bakr, die zum Kern der Erzählung gehören. Dagegen könnte man an ‘Urwas Version wiederum bemängeln, dass sie überall Abū Bakr und Familie auftreten lässt. Wahbs Erzählung ist eine Mischversion. Die undatierte Fassung des at-Tabarī ist viel einseitiger schiitisch. Die schiitische Erzählung könnte älter als die andere gewesen sein; man sollte diese Möglichkeit nicht voreilig ausschließen. Nur ein sorgfältiger Vergleich aller Fassungen dürfte uns hier weiter bringen. Eine Doktorarbeit wäre denkbar. 

Auf jeden Fall ist offensichtlich geworden, dass die Wertschätzung der „Verdienste“ eines bestimmten Prophetengefährten auf und ab geht, je nach Verwandtschaftsgrad und politischer Überzeugung des Erzählers. 

ANMERKUNGEN
1. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 323–333; Übers. Rotter 103–8;  Übers. Guillaume, 221–227.
2. ‘Alī ibn Abī Tālib, der spätere vierte Kalif (reg. 656–661, die Galionsfigur der Schiiten, die die ersten drei Kalifen für illegitim halten. Deshalb ist er in vielen Erzählungen rückwirkend ein Gegenspieler von Abū Bakr en ‘Umar. Wie die Männer sich während ihres Lebens tatsächlich zueinander verhielten, ist unbekannt.
3. At-Tabarī, Ta’rīkh i, 1233-4.
4. Khoury, Wahb i, 136–151.
5. Arabischer Text: Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 999–1013; deutsche Übersetzung Rotter 251–259; englische Übersetzung Guillaume 678–683.
6. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 1008; Übers. Rotter 253–4; Übers. Guillaume 680.
7. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 1009 und 1010; Übers. Rotter 254–5; Übers. Guillaume 681.
8. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 1010; Übers. Guillaume 682.
9. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 1011; Übers. Rotter 255–6; Übers. Guillaume 682; Raven, Chew stick, 593–598.)
10. Ibn Ishāq (Wüstenfeld), 1012–13; Übers. Rotter 256–7; Übers. Guillaume 682–3. S. auch Der Tod des Propheten

LITERATUR
Ibn Ishāq: 
Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hrsg. F. Wüstenfeld, Göttingen, 2 Bde., 1858–60 (Arabischer Text, editio princeps).
– Deutsche Übersetzung (Auswahl): Ibn Ishāq, Das Leben des Propheten, übers. Gernot Rotter, Kandern 1999.
– Englische Übersetzung: A. Guillaume, The Life of Muhammad. A translation of Isḥāq’s (sic!) Sīrat Rasūl Allāh, Oxford 1955.

– R. G. Khoury, Wahb b. Munabbih. Teil 1. Der Heidelberger Papyrus PSR Heid Arab 23. Leben und Werk des Dichters. Teil 2. Faksimiletafeln, Wiesbaden 1972.
– M. J. Kister, „On the Papyrus of Wahb B. Munabbih,“ BSOAS 37 (1974), 547–71.
– M. J. Kister, „On the Papyrus of Wahb B. Munabbih: An Addendum,“ BSOAS 40 (1977), 125–27.
– W. Raven, „The chew stick of the prophet in Sira and Hadith,“ in Anna Akasoy und Wim Raven (Hrsg.), Islamic Thought in the Middle Ages. Studies in Text, Transmission and Translation in Honour of Hans Daiber, Leiden 2008, 593–611, insbes. S. 593–5.

Diakritische Zeichen: ʿĀʾiša, ʿĀʾisha, ʿAlī ibn Abī Ṭālib, futūḥ, al-Ṭabarī, ʿUmar ibn al-Ḫaṭṭāb, Taʾrīḫ

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Die Isnade Ibn Ishaqs

Bei dem Prophetenbiographen Muhammad ibn Ishāq († 767) sind viele Überliefererketten (Isnade) mangelhafter als in den gängigen Hadithsammlungen, die erheblich jünger sind. Kein Wunder: Er schöpfte oft aus dem Material der „Erzähler“ (qussās), die sich noch kaum um Isnade kümmerten; überdies war zu seiner Zeit der Isnad noch nicht Pflicht und existierte die Isnad-Kritik noch gar nicht. Einen kurzen Bericht zur Schwangerschaft der Mutter Mohammeds leitet er z. B. wie folgt ein:

  • Die Menschen behaupten in dem, was sie so erzählen — aber Gott weiß es am besten — dass Āmina zu erzählen pflegte, dass sie … , usw.1

Mit solchen Worten, genau an der Stelle, an der ein Isnad stehen sollte, drückt der Verfasser/Überlieferer seinen eigenen Zweifel am Wahrheitsgehalt des Berichts aus – und das gleich dreimal.
Anderswo leitet Ibn Ishāq in seinen sīra-Texten einen Bericht manchmal so ein: „Jemand, dem ich vertraue …,“ oder: „Jemand, dem ich nicht misstraue, hat mir erzählt ….“. Ibn Isḥāq hätte dort auch ganz schweigen können, aber er hielt es wohl für nötig, an diesen Stellen doch etwas Isnad-Ähnliches anzubieten. In solchen Fällen können wir von Isnad-Ersatz reden.
Deutlich „schuldbewusst“ ist auch ein Isnad wie dieser:

  • 1. Ibn Isḥāq sagt:
    2. ‘Abd al-Malik ibn ‘Abdallāh ibn Abī Sufyān ibn al-‘Alā’ ibn Djāriya ath-Thaqafī, der sehr viel Kenntnis besaß, hat mir erzählt
    3. auf Gewähr eines Gelehrten (ba‘d al-‘ulamā’),
    4. dass der Prophet … usw. 2

Dieser Isnad ist wertlos, denn das dritte Glied ist gleich Null. Ibn Isḥāq dehnt das zweite Glied extra weit aus, mit vielen Namen und einem lobenden Prädikat, in der offensichtlichen Hoffnung, dass hierdurch das mangelhafte dritte Glied nicht auffallen möge.

ANMERKUNGEN
1. Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, uitg. F. Wüstenfeld, 2 Tle., Göttingen 1858–60, 101.
2. Das Leben Muhammed’s, 151.

Diakritische Zeichen: Muḥammad ibn Isḥāq, quṣṣāṣ, ʿAbd al-Malik ibn ʿAbdallāh ibn Abī Sufyān ibn al-ʿAlāʾ ibn Ǧāriya aṯ-Ṯaqafī, baʿḍ al-ʿulamāʾ

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Sira in Alt-England?

In der bekannten Erzählung aus der Prophetenbiografie (sīra) des Ibn Ishāq1 über die erste Koranoffenbarung kommt der Engel Gabriel zum schlafenden Mohammed mit einer Decke aus Goldbrokat, auf der Schriftzeichen stehen.
– Rezitiere! befiehlt Gabriel ihm.
– Ich kann nicht rezitieren, erwidert Mohammed, worauf der Engel dessen Hals kräftig zudrückt.
– Rezitiere! sagt Gabriel abermals.
– Ich kann nicht rezitieren, erwidert Mohammed, worauf dasselbe noch mal passiert.
– Rezitiere! sagt Gabriel zum dritten Mal.
– Was soll ich denn rezitieren, antwortet Mohammed jetzt, und darauf wird ihm die Sure 96 des Korans offenbart.

Dies hat eine Parallele in einer Erzählung des Briten Beda Venerabilis (673–735) über den Laienbruder Cædmon, der von Gott den Auftrag und die Gabe bekommt, geistliche Lieder zu dichten und zu singen. Das geht so:
Der Laienbruder Cædmon kann weder singen noch Harfe spielen. Nachts in seinem Schlaf bekommt er einen Besucher, der sagt:
– Cædmon, singe mir etwas!
– Ich kann nicht singen, erwidert er.
– Du musst aber singen!
– Was soll ich dann singen?
– Singe über den Anfang der Schöpfung!
Nach dieser Antwort fing er gleich an Loblieder auf Gott, den Schöpfer, zu singen, die er noch nie gehört hatte … .2

Die Erzählung steht in Bedas Kirchengeschichte, die ca. 731 vollendet worden ist. Die Übereinstimmung ist vom Skandinavisten Von See entdeckt worden und die Orientalisten Sellheim und Schoeler haben einstimmend darauf hingewiesen.3 Die beiden Letzten folgern, dass die Prophetenbiographie also schon ca. 730 in England bekannt gewesen sein muss. Unmöglich ist dies nicht; Spanien war damals schon von den Arabern erobert worden, und von dort war England nicht mehr weit. Damit wäre dann auch bewiesen, dass die arabische Erzählung schon lange bevor Ibn Ishāq sie ± 760 in sein Buch aufnahm existierte.
Aber das Motiv bei Beda kann doch auch in England ohne arabische Quelle, einfach unter Einfluss der Bibel entstanden sein? Auch die spricht von Propheten, die protestieren, wenn sie beauftragt werden zu sprechen, und das erst können, nachdem Gott es ihnen ermöglicht hat, nämlich Moses (2. Mose 4:1, 10, 13) und Jeremia (Jeremia 1:6). Das Schema: zwei Mal sich weigern, das dritte Mal einwilligen, scheint mir weltweit vorzukommen und ein typischer Zug oraler Literatur zu sein. Die Cædmongeschichte beweist gar nicht, dass die sīra so früh in England bekannt war.

ANMERKUNGEN
1. Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, uitg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 152–
2. Beda Venerabilis, Historia Ecclesiastica gentis Anglorum iv, 24, Latein mit englischer Übersetzung: … adstitit ei quidam per somnium, eumque salutans, ac suo appellans nomine: ‘Cædmon,’ inquit, ‘canta mihi aliquid.’ At ille respondens: ‘Nescio,’ inquit, ‘cantare; nam et ideo de conuiuio egressus huc secessi, quia cantare non poteram.’ Rursum ille, qui cum eo loquebatur, ‘Attamen,’ ait, ‘mihi cantare habes.’ ‘Quid,’ inquit, ‘debeo cantare?’ Et ille, ‘Canta,’ inquit, ‘principium creaturarum.’ Quo accepto responso, statim ipse coepit cantare in laudem Dei conditoris uersus, quos numquam audierat, …;  Thereupon one stood by him in his sleep, and saluting him, and calling him by his name, said, “Cædmon, sing me something.” But he answered, “I cannot sing, and for this cause I left the banquet and retired hither, because I could not sing.” Then he who talked to him replied, “Nevertheless thou must needs sing to me.” “What must I sing?” he asked. “Sing the beginning of creation,” said the other. Having received this answer he straightway began to sing verses to the praise of God the Creator, which he had never heard, … (Bede’s Ecclesiastical History of England, transl. A. M. Sellar, London 1907).
3. K. von See, ‘Caedmon und Muhammad,’ in Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 112 (1983), 225–233; R. Sellheim, ‘Mohammeds erstes Offenbarungserlebnis […],’ in JSAI 10 (1987), 13ff.; G. Schoeler, Character und Authentie der muslimischen Überlieferung über das Leben Mohammeds, Berlin/New York 1996, 61.

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Listen in der Sira

Sīra-Texte enthalten etliche Namenslisten: die ältesten Konvertiten zum Islam, die Kämpfer in den wichtigsten Schlachten, diejenigen die (auf beiden Seiten) dabei gefallen waren, die Empfänger eines Anteils an der Kriegsbeute, die Emigranten (muhādjirūn) nach Abyssinien (Äthiopien) und nach Medina, die Helfer (ansār) dort, und diejenigen, die aus Abyssinien zurückkamen oder in dem Land gestorben waren, alle sind aufgelistet worden; des Weiteren Personen, die an bestimmten Verhandlungen teilgenommen haben und die Mitglieder bestimmter Stämme, die sich dem Propheten angeschlossen hatten. Solche Listen können aus der Regierungskanzlei (dīwān) kopiert worden sein, wo sie anfangs eine Rolle spielten beim Feststellen von jemands Rang und vom Umfang der staatlichen Zuwendung (‘aṭā’), zu der man berechtigt war.1 In der Sira bezwecken die Listen Ähnliches wie die Gattung ‘Verdienste der Gefährten’, nämlich den Ruf der erwähnten Prophetengefährten zu etablieren und zu vergrößern. 
Historiographischer Natur sind die Listen der militärischen Verrichtungen des Propheten.2
Die größten Listenmacher waren al-Wāqidī und Ibn Sa‘d. Letzterer hat sogar Listen von den Kamelen und Ziegen des Propheten veröffentlicht.3

Einen biblischen Hintergrund hat die Auflistung der zwölf ersten Helfer (ansār), die auf eine Stufe mit den zwölf Jüngern Jesu gestellt werden;4 die Beschreibung des Weges, den Mohammed bei seiner Emigration von Mekka nach Medina zurückgelegt hat, vielleicht auch. Die Route5 ist an sich nicht aufsehenerregend;  warum würde jemand sie aufzeichnen? Vielleicht ist sie durch die biblische Liste der Halteplätze während Israels Exodus inspiriert.6

ANMERKUNGEN
1. Siehe A.A. Duri, „Dīwān i,“ in EI 2; G.-R. Puin, Der Dīwān von ʿUmar ibn al-Hattāb, Diss. Bonn 1970.
2. Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hrsg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 972–3; auch Muhammad ibn Sa‘d, at-Tabaqāt al-kubrā, hrsg. H. Sachau et al., 9 Tle., Leiden 1905–1940, II, i,1–2.
3. Ibn Sa‘d, o.c. I, ii, 176-9. Es ist wenig sinnvoll dies als zuverlässige Quelle der Geschichtsschreibung zu betrachten, wie es  H. Eisenstein zu tun scheint in seinem „Die Maultiere und Esel des Propheten,“ Der Islam, 62 (1985), 98–131.
4. Ibn Ishāq, o.c., 299.
5. Ibn Ishāq, o.c., 332-3.
6. Numeri 33.

Diakritische Zeichen: muhāǧirūn, anṣār, ʿaṭāʾ, al-Ḫaṭṭāb, Ibn Isḥāq, Muḥammad, aṭ-Ṭabaqāt

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Ibn Ishaqs Prophetenbiographie

Vielerorts wird gemeint, dass Ibn Hishām (gest. ± 830) der wichtigste Biograph Mohammeds gewesen sei. Das ist nicht richtig; er war nur Bearbeiter und Herausgeber des früheren Werks von Muhammad ibn Ishāq (704–767).1 Diesen kann man tatsächlich als den wichtigsten Verfasser von siraLiteratur betrachten. Er hatte sich früh auf Erzählungen und Geschichtsschreibung spezialisiert, aber auch im Hadith kannte er sich aus. Sein wichtigster Lehrmeister war al-Zuhrī, und mehrere Verwandte des ältesten Biographen, Urwa ibn az-Zubair, waren seine Informanten.
Nicht alle Gelehrten in Medina wussten Ibn Ishāqs Arbeit zu schätzen. Er lebte in einer Zeit, in der die Produkte der Erzähler nicht länger in Gunst standen und allmählich nur noch Hadithe mit zuverlässigen Überliefererketten gefragt waren. Nach einem Konflikt mit Mālik ibn Anas, dem größten Rechtsgelehrten in Medina, verließ er seine Vaterstadt und zog in den Irak. Dort bat ihn der Abbasidenkalif al-Mansūr (reg. 754–75)  ein umfassendes Geschichtswerk zu schreiben, das die Zeit von der Schöpfung bis zu dessen eigenen Zeit abdecken sollte. Die Materialien, die Ibn Ishāq zuvor gesammelt und seinen Schülern diktiert hatte, nehmen in diesem Werk eine zentrale Stelle ein.

Sein großes Werk bestand aus drei Teilen. Im ersten, al-Mubtada’ („Am Anfang“) behandelte er die Schöpfung der Welt, die Propheten von Adam bis Jesus und die Araber in vorislamischer Zeit. Der zweite Teil, al-Mab‘ath („Die Sendung“), beschrieb das Leben Mohammeds bis zu seiner Emigration nach Medina. Der dritte Teil, al-Maghāzī („Kriegszüge“), handelte von der Tätigkeit Mohammeds in Medina; ein hinzugefügter vierter Teil von seinen Nachfolgern, den Kalifen. Anders als seine Vorgänger sammelte Ibn Ishāq nicht nur Material. Er komponierte ein Werk mit einer Struktur, und ordnete seinen Stoff bald chronologisch, bald thematisch. Offensichtlich gab es nur ein Exemplar des riesigen Werks, in der Hofbibliothek des neu gegründeten Bagdads. Ibn Ishāq „veröffentlichte“ daraus, indem er seinen Schülern Teile diktierte, die sie wortgetreu niederschrieben.
Das Buch selbst gibt es nicht mehr, aber große Bruchstücke, vor allem aus den ersten drei Teilen, sind in zahlreichen Abschriften, Zusammenfassungen und Zitaten von Kompilatoren bewahrt geblieben, die wiederum die Abschriften der ersten Schüler weiterreichten.2 Drei Herausgeber von Ibn Ishāqs Werk sind hier erwähnenswert, weil sie große Teile seiner Texte überliefert haben.

1. Der bekannteste ist in der Tat ‘Abd al-Malik ibn Hishām,1 dessen tausendseitige Auswahl aus Ibn Ishāqs Werk der erste sīra-Text war, der fortan in gleichbleibender Form überliefert wurde. Neben dem Leben Mohammed behandelt er noch das alte Arabien: die Christen und Juden dort, und die Ka‘ba, aber nicht die früheren Propheten. In ausführlichen Anmerkungen erklärte er schwierige Begriffe und fügte er Erzählungen, Poesie und genealogisches Material hinzu. Ibn Hishām nahm keine Texte auf, die er theologisch unkorrekt befand und schnitt Sätze weg, wo er dies nötig erachtete.

2. Der Iraner at-Tabarī (gest. 923)4 hat in seinem riesigen Geschichtswerk Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk beträchtliche Teile von Ibn Ishāqs Werk überliefert. Für dessen ersten Teil, das Kitāb al-Mubtada’, ist at-Tabarī sogar die wichtigste Quelle.5 Der Teil über Mohammed ist eine Rezension, die sehr verwandt ist mit der des Ibn Hishām.6 Zwei auffällige Texte, die Ibn Hishām nicht aufgenommen hatte, sind hier bewahrt worden: einer über Mohammeds Vorhaben, Selbstmord zu begehen7 und die Erzählung von den *Teufelsversen.8 Der Anfang des Ta’rīkh bietet Weltgeschichte. Das Leben Mohammeds bildet den Teil zwischen der Frühgeschichte (hier einschließlich der alten persischen Könige) und die Periode der Kalifen. Viel von Ibn Ishāqs sira-Material ist auch in at-Tabarīs Tafsīr auffindbar, aber dort muss es mühsam aus vielen Stellen zusammengelesen werden.9

3. Der am wenigsten bekannte Herausgeber von einem Teil des Werks ist Ahmad ibn ‘Abd al-Djabbār al-‘Utāridī (794-886).10 Er basierte seine Ausgabe auf die Überlieferung des Yūnus ibn  Bukair (gest. 815), eines Schülers Ibn Ishāqs.11 Was von seinem Text bewahrt geblieben ist, entspricht ungefähr einem Fünftel von Ibn Hishāms Rezension. Es wurde erst 1976 gedruckt und ist nicht übersetzt worden. Al-‘Utāridī überliefert manchmal Erzählstoff von Ibn Ishāq, den Ibn Hishām wohl aussortiert hätte. (@Beispiele sollen her.) Überdies fügt auch er Material hinzu, das überhaupt nicht auf Ibn Ishāq zurückgeht.12

ANMERKUNGEN
1. Über ihn: Schoeler, Charakter, 37–51; Newby, Making, 1–31; Duri, Rise, 32–7; Jones, Ibn Isḥāḳ.
2. Ein Überblick in A. Guillaume, The Life of Muhammad, xxx–xxxi.
3. Watt, Ibn Hishām; Schoeler, Charakter, 50–3.
4. C.E. Bosworth, „Al-Tabarī,“ in EI 2.
5. At-Tabarī, Ta’rīkh, i, 9–872 (Fragmente). Die Prophetenerzählungen stehen auch in Newby, Making.
6. ibid., i, 1073–1837.
7. ibid., i, 1147.
8. ibid., i, 1192–6.
9. Nützliche Hinweise jedoch in Newby, Making.
10. Sezgin, GAS, i, 146.
11. ibid., i, 289.
12. Siehe Muranyi, Riwāya. Beschreibung des Inhalts bereits in Guillaume, New light. Übersetzte Fragmente in Rubin, Eye, Index s.v. Yūnus b. Bukayr, und in Schoeler, Character, Index s.v. Yūnus und al-‘Utāridī.

Bibliographie
Primär:
– Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, ed. F. Wüstenfeld, Göttingen, 2 dln., 1858–60 [editio princeps des arabischen Texts]. Auch online vorhanden.
– idem: A. Guillaume, The Life of Muhammad. A translation of Isḥāq’s (sic!) Sīrat Rasūl Allāh, Oxford 1955 [auch wichtige Einleitung].
– idem: Das Leben des Propheten, übers. Gernot Rotter, Tübingen 1976,  4. Aufl. Kantern 2008 (Auswahl).
– idem, die Rezension des al-‘Utāridī: Sīrat Ibn Ishāq al-musammā bi-Kitāb al-mubtada’ wal-mab‘ath wal-maġāzī, hrsg. M. Hamīd Allāh, Rabat 1976, nachgedruckt Konya 1981 (eine andere Ausgabe: Ibn Ishāq, Kitāb as-Siyar wal-maġāzī, ed. S. Zakkār, Beirut 1978).
– At-Tabarī, [Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk =] Annales, uitg. M.J. de Goeje et al., 14 Bde., Leiden 1879–1901. In dieser Ausgabe hier online (vollständig?); in einer no name Ausgabe hier
– idem, idem, englische Übersetzung: E. Yarshater (hrsg.), The history of al-Tabarī. An annotated translation, 39 Bde., Albany 1985–1999.
– idem, Djāmi‘ al-bayān fī tafsīr al-Qur’ān, versch. Ausgaben. Online hier.

Sekundär:
– A.A. Duri, The rise of historical writing among the Arabs, hrsg. und übers. L.I. Conrad, Einl. F.M. Donner, Princeton 1983 (= überarbeitete Übers. von Baḥt fī naš’at ʿilm at-ta’rīḫ ‘inda al-‘arab, Beirut 1960).
– A. Guillaume, New light on the life of Muhammad, Manchester o. J. (JSS Monograph 1).
– J.M.B. Jones, ‘Ibn Isḥāḳ,’ in EI2.
– M. Muranyi, ‘Ibn Isḥāq’s Kitāb al-Maġāzī in der riwāya von Yūnus b. Bukair. Bemerkungen zur frühen Überlieferungsgeschichte,’ in JSAI 14 (1991), 214–75.
– G.D. Newby, The making of the last prophet. A reconstruction of the earliest biography of Muhammad, Columbia, SC 1989.
– A. Noth and L.I. Conrad, The early Arabic historical tradition. A source-critical study, Princeton 1994.
– W. Raven, ‘Sīra and the Qurʾān,’ in EQ.
– U. Rubin, The Eye of the Beholder. The life of Muḥammad as viewed by the early Muslims. A textual analysis, Princeton 1995.
– G. Schoeler, Charakter und Authentie der muslimischen Überlieferung über das Leben Mohammeds, Berlin 1996.
– F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums, 9 vols., Leiden 1967–84.
– W.M. Watt, ‘Ibn Hishām,’ in EI2.
– W.M. Watt, ‘The reliability of Ibn Isḥāq’s sources,’ in T. Fahd (Hrsg.), La vie du prophète Mahomet. Colloque de Strasbourg (octobre 1980), Paris 1983, 31–43.

Diakritische Zeichen: Ibn Hišām, Muḥammad ibn Isḥāq, al-Manṣūr, al-Mabʿaṯ, al-Maġāzī, aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ, Aḥmad ibn ʿAbd al-Ǧabbār al-ʿUṭāridī, Ǧāmiʿ

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Der Lohn der Märtyrer

🇳🇱 Junge islamische Märtyrer dürften sich am meisten auf das Paradies freuen wegen des Verkehrs mit den Huris. Eine weit verbreitete Überzeugung ist, dass jeder Märtyrer nach seinem Tod sofort in das Paradies kommt, wo zweiundsiebzig Jungfrauen ihn erwarten.
Maher Jarrar1 hat die Verbindung zwischen Märtyrertod und Huris erforscht in Texten von ‘Abdallāh ibn al-Mubārak (736–797),2 die größtenteils nicht mit einer korrekten Überlieferungskette (Isnad) auf den Propheten zurückgehen und daher für Muslime keine große Autorität besitzen. Trotzdem haben diese und ähnliche Texte durch die Jahrhunderte Männer von himmlischen Bräuten für tapfere Krieger träumen lassen, auch in Zeiten, als es gar keinen Krieg gab. In manchen dieser Texte äugeln die Huris bereits auf dem Schlachtfeld mit den Kämpfern.
Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die Märtyrer nach ihrem Tod gerade in diesem Punkt schlecht wegkommen werden. Der Koran bleibt vage in Bezug auf das Wie und Wann der Belohnung für ihren kriegerischen Einsatz. An verschiedenen Stellen im Koran werden die Paradiesjungfern erwähnt, aber nicht speziell in Verbindung mit Märtyrern. Die Rede ist von einem gewaltigen Lohn, von Barmherzigkeit und Vergebung, und vom Paradies; die Märtyrer werden zu Gott versammelt werden (K. 3:158). Aber das alles wird auch den anderen Gläubigen zuteil. Das wirklich Besondere ist, dass die Märtyrer nicht tot sind:

  • Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind. Nein, sie sind lebendig, und ihnen wird bei ihrem Herrn Lebensunterhalt gegeben.“3

Die Auslegung und die Hadithe des Propheten zu diesem Thema sind nicht einstimmig. Der Gedanke, dass Märtyrer sofort nach ihrem Tode ins Paradies eintreten werden, ist alt, wie eine Passage bei Ibn Ishāq (704-767) beweist. Als die Muslime eines Tages das kostbare Gewand eines besiegten Kleinkönigs bestaunten, sagte der Prophet:

  • „Findet ihr das schön? Bei Ihm, in dessen Hand mein Leben ist: die Servietten von Sa‘d ibn Mu‘ādh im Paradies sind viel schöner!“ 4

Sa‘d war ein Märtyrer, denn er war kurz zuvor an einer Kriegsverletzung gestorben. Von Huris wird hier nicht gesprochen; Sa‘d sitzt offenbar an einem Festgelage. In der als kanonisch geltenden Hadithliteratur, die von allen frühen Texten außer dem Koran unter Muslimen das meiste Prestige hat, kommen diese zweiundsiebzig Huris nur einmal vor:

  • Der Prophet hat gesagt: „Ein Märtyrer hat sechs Verdienste bei Gott: Ihm wird beim ersten Blutschwall Vergebung gewährt, ihm wird sein Platz im Paradies gezeigt,5 er wird vor der Bestrafung im Grabe geschützt, er ist vor dem allergrößten Schrecken6 sicher, ihm wird die Krone der Würde aufgesetzt, deren Rubin prachtvoller ist als die ganze Welt und was darin ist, ihm werden zweiundsiebzig großäugige Huris geschenkt und er wird für siebzig Verwandten zum Fürsprecher gemacht.” 7

Der Augenblick, in dem die Märtyrer mit diesen Huris vereinigt werden sollen, bleibt unklar. Der Text ist ein sogenannter Sammelhadith: Hier wird eine Anzahl von Verdiensten der Märtyrer so summarisch aufgelistet, dass jeder einzelne an anderer Stelle wohl ausführlicher besprochen worden sein muss. In den kanonischen Hadithsammlungen hat das jedoch keine Spuren hinterlassen. Es gibt nur einen Hadith, der um 800 mit einem unvollständigen, um 850 auch mit einem vollständigen isnād überliefert wird: Als in Anwesenheit des Propheten einmal über Märtyrer geredet wurde, sagte er:

  • „Das Erdreich ist noch nicht trocken vom Blut eines Märtyrers, da kommen schon seine beide Gattinnen herbeigeeilt, wie Kamelstuten, die ihre Jungen in einem weiten Land verloren haben. Jede von beiden erscheint in einem Gewand, das prachtvoller ist als diese ganze Welt und was darin ist.“ 8

Hier werden also nur zwei Frauen erwähnt, die zwar sofort nach dem Martyrium zur Verfügung stehen, aber deren Verlangen nach den Märtyrern mit dem Mutterinstinkt (!) von Kamelstuten verglichen wird.

Mindestens so weit verbreitet wie die Hadithe bezüglich der sofortigen Aufnahme ins Paradies ist die Auffassung, dass die Märtyrer nach ihrem Tod nicht sofort dorthin gehen. „Die Märtyrer sind an der Bāriq,“ heißt es bei Ibn Ishāq, „ein Fluss beim Paradiestor, in einem grünen Rundzelt, und ihren Lebensunterhalt bekommen sie morgens und abends aus dem Paradies.“ 9 Dies scheint eine Art Warteraum für das jüngste Gericht zu sein. In dieser Vorstellung existiert das Paradies schon, aber es ist noch nicht zugänglich. Der Koranausleger at-Tabarī (839–923) weiß es genau:

  • Sie sind bei ihrem Herrn, sie werden ernährt mit den Früchten aus dem Paradies und sie riechen dessen Brise, aber sie sind nicht darin. Ihr Privileg in dem Zwischenzustand (barzakh) ist, dass sie ernährt werden mit Paradiesnahrung, die vor der Auferstehung niemand außer ihnen zu essen bekommt.

At-Tabarīs Auffassung wird durch den sogenannte „Vogelhadith“ gestützt. Dieser ist in zahlreichen Fassungen mit und ohne anerkannten Überlieferungskette überliefert worden. Eine kurze Fassung lautet:

  • Die Seelen der Märtyrer befinden sich in der Gestalt weißer Vögel, die sich von den Paradiesfrüchten ernähren.11

Und eine längere Fassung, die wahrscheinlich älter ist:

  • Der Prophet hat gesagt: „Als eure Brüder in Uhud gefallen waren, tat Gott ihre Seelen in das Innere grüner Vögel, die aus den Flüssen des Paradieses trinken, von seinen Früchten essen und nisten in goldenen Lampen im Schatten von Gottes Thron. Als sie den Wohlgeruch ihres Essens und ihrer Getränke rochen und die schöne Stätte ihrer Mittagsruhe gewahr wurden, sagten sie: ‘Ach, wenn doch unsere Brüder wüssten, was Gott uns getan hat, so dass sie den Dschihad nicht aufgeben und nicht vor dem Kampf zurückschrecken.‘ Dann sagte Gott: „Ich werde ihnen von euch berichten.“ Darauf offenbarte Er: „Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind“ … (folgt der Rest des Verses).12

Nach diesem Text suchen die Märtyrer in diesen Vögeln oder durch sie Nahrung im Paradies, wo sie sogar Siesta halten, aber sie wohnen dort nicht. Ihr Aufenthaltsort ist sehr nahe bei Gott; vielleicht ist es dort sogar besser als das Paradies. Huris gibt es an dem Ort bestimmt nicht, aber in ihrem Zustand hätten sie wohl kaum Bedürfnis danach.

Wie wird es übrigens den Märtyrerinnen vergehen? Die Tschetschenische Terroristin, die 2002 im dem Moskauer Theater von der russischen Polizei getötet wurde, wird vielleicht da oben mit ihrem Gatten vereint, der ja auch getötet wurde. Aber unverheiratete palästinensische Mädchen, die sich und einige Mitmenschen „für Gottes Sache“ in die Luft jagen, worauf können die sich freuen? In einem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm von Dan Setton und Helmar Büchel: In Gottes Namen: Die Rekruten des heiligen Krieges, wird kleinen pakistanischen Mädchen in der Schule erzählt, dass Märtyrerinnen ins Paradies kommen. Dazu wird jedoch nicht gesagt, wann das sein wird, und ebenso wenig, dass sie dorthin als normale Gläubige auch kommen würden. Eine ältere Frau im Film erwartet etwas ganz Konkretes: sie glaubt, dass die zweiundsiebzig Huris ihr im Haushalt helfen werden. Die Hadithe des Propheten haben weibliche Märtyrer einfach nicht vorgesehen. Auf dem Schlachtfeld sollen die Frauen Wasser reichen und die Verletzten versorgen. Von der Kriegsbeute bekommen sie auch nichts; bestenfalls eine kleine Aufmerksamkeit, wie die Sklaven auch.13

Der Lohn der Märtyrer ist also in den maßgebenden Texten des Islam nicht eindeutig festgelegt, und der der Märtyrerinnen noch weniger. Frauen halten sich vielleicht am besten an dem „Vogelhadith“, die ihnen wenigstens Rechtsgleichheit von Mann und Frau bietet.

ANMERKUNGEN
1. Maher Jarrar, „The martyrdom of passionate lovers. Holy war as a sacred wedding,“ in Angelika Neuwirth et al. (hrsg.), Myths, historical archetypes and symbolic figures in Arabic literature. Towards a new hermeneutic approach, Beirut 1999, 87–107.
2. ‘Abdallāh ibn al-Mubārak, Kitāb al-Djihād, Tunis 1972@, Dschidda o.J. und online.
3. K. 3:169; auch 2:154.
4. In: Das Leben Muhammed’s nach Muhammad Ibn Ishâk, bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hg. Ferdinand Wüstenfeld, Göttingen 1858-60, S. 903. In der Übersetzung von Alfred Guillaume, The Life of Muḥammad, Oxford 1955, sind die Seitenzahlen dieser Ausgabe am Rande gedruckt.
5. Vgl. Koran 47:6, … in den Garten, den Er ihnen zu erkennen gegeben hat. Siehe auch die Paradiesbeschreibung hier.
6. Der jüngste Tag.
7. At-Tirmidhī (825–892), Fadāʾil al-djihād 25; vgl. Ahmad ibn Hanbal (780–855), Musnad iv, 131; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2799.
8. ‘Abd ar-Razzāq as-San‘ānī, Musannaf, Beirut 1972, 19832, no. 9561 (‘Abd ar-Razzāq lebte von 744– 827; seine Traditionssamlung ist lange unbeachtet geblieben); Ahmad ibn Hanbal, Musnad ii, 297, 427; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2798.
9. Ibn Ishāq, o. c. 605; bei Ahmad ibn Hanbal, Musnad i, 266 ist dies ein Hadith des Propheten.
10 At-Tabarī, Tafsīr zu Koran 2:154.
11. ‘Abd ar-Razzāq as-Sanʿānī, Musannaf no. 9553.
12. Ibn Ishāq, o. c. 604–5; Muqātil ibn Sulaimān (gest. 767), Tafsīr, Kairo 1979, i, 314; at-Tabarī, Tafsīr zu Koran 3:169; Abū Dāwūd, Djihād 25.
13. Muslim, al-Djihād was-siyar, 134–142.

Diakritische Zeichen: Ibn Isḥāq, Saʿd ibn Muʿāḏ, aṭ-Ṭabarī, barzaḫ, Uḥud, Ǧihād, at-Tirmiḏī, Faḍāʾil al-ǧihād, Aḥmad ibn Ḥanbal, Ibn Māǧa, aṣ-Ṣanʿānī, Muṣannaf, aṭ-Tabarī

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Die Chronologie des Korans

Nach traditioneller islamischer Überzeugung wurde der Koran Mohammed über 23 Jahre in Teilen offenbart. Demzufolge gibt es im Koran frühe und spätere Teile. Schon seit dem 8. Jahrhundert haben Muslime versucht die Chronologie der Offenbarungen festzulegen. Deren Ergebnisse finden Sie z.B. in den Überschriften über jeder Sura. Dort steht zum Beispiel: „Mekkanisch,“ d.h. offenbart, als der Prophet in Mekka weilte, oder „Medinensisch“: offenbart, als der Prophet schon nach Medina emigriert war. Es geht auch genauer: in größeren Koranausgaben steht in der Überschrift auch: „Offenbart nach der Sura so-und-so“.
Warum war es so wichtig, die chronologische Reihenfolge der Koranoffenbarungen festzulegen? Ein Grund war die Überzeugung, dass spätere Verse ältere abschaffen konnten—der technische Terminus ist „abrogieren“ (nas, naskh). Das hatte Konsequenzen für das islamische Recht.
Ein einfaches Beispiel. Über das Weintrinken stehen vier Verse im Koran:

    • Und (wir geben euch) von den Früchten der Palmen und Weinstöcke (zu trinken), woraus ihr euch einen Rauschtrank macht, und (außerdem) schönen Unterhalt. Darin liegt ein Zeichen für Leute, die Verstand haben. (K. 16:67)
    • Ihr Gläubigen! Kommt nicht betrunken zum Gebet, ohne vorher (wieder zu euch gekommen zu sein und) zu wissen, was ihr sagt! (K. 4:43)
    • Man fragt dich nach dem Wein und dem Losspiel. Sag: In ihnen liegt eine schwere Sünde. Und dabei sind sie für die Menschen (auch manchmal) von Nutzen. Die Sünde, die in ihnen liegt, ist aber größer als ihr Nutzen. (K.2:219)
    • Ihr Gläubigen! Wein, das Losspiel, Opfersteine und Lospfeile sind (ein wahrer) Greuel und Satans Werk. Meidet es! Vielleicht wird es euch (dann) wohl ergehen. Der Satan will (ja) durch Wein und das Losspiel nur Feindschaft und Haß zwischen euch aufkommen lassen und euch vom Gedenken Gottes und vom Gebet abhalten. Wollt ihr denn nicht (damit) aufhören? (K. 5:90–91)(Übersetzungen Rudi Paret)

Weil nun der zuletzt zitierte Vers als der jüngste gilt, abrogiert dieser die drei anderen. Er ist der „abrogierende Vers“ (nāsiḫ, nāsikh). Darauf basiert das islamische Weinverbot. Die älteren sind für die Scharia nicht mehr relevant.
Aber auch ein alltägliches historisches Interesse wird eine Rolle gespielt haben: Man wollte nun mal gerne wissen, bei welcher Gelegenheit, zu welchem Anlass, ein Koranfragment offenbart worden war. Das führte zur Kupplung zahlreicher Offenbarungen an Ereignisse im Leben des Propheten. Um diese Kupplung zu ermöglichen, brauchte man natürlich schon eine Biographie des Propheten (sira). Die ersten Versuche dazu datieren auf ungefähr 700, aber diese sind noch ziemlich fragmentarisch und ungeordnet. Die erste große Biographie ist im Geschichtswerk des Ibn Isḥāq enthalten, das um 760 zustande gekommen ist. Er war auch der Erste, der der Biographie einen soliden chronologischen Rahmen verliehen hat.
Ibn Isḥāq war kein Prophetengefährte und hatte auch nicht das Prestige der ersten Nachfolgergenerationen. Seine Arbeit wurde in der alten Zeit eher kritisch beurteilt. Sie enthält etliche bedenkliche Erzählungen ohne anständige Überliefererkette (isnād). Trotzdem scheint seine Biographie für das islamische Glaubensgebäude unverzichtbar. Ohne Biographie keine Chronologie der Koranabschnitte, und ohne diese würden die Interpretationen für die Scharia ganz anders ausfallen. Wenn etwa nicht der letzte der vier oben zitierten Verse über Wein Autorität bekommen hätte, unter Ausschluss der anderen, tränken wir jetzt vielleicht Wein aus Schiras.
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Wie sind *Orientalisten an das Thema herangegangen? Im neunzehnten und zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts sind sie ganz nah an der islamischen Tradition geblieben. Sie glaubten zwar nicht, dass der Koran offenbart worden wäre, aber gingen schon davon aus, dass Mohammed ihn während 23 Jahre in die Welt gesetzt habe, und sie hielten die Prophetenbiographie in großen Zügen für glaubwürdig. Sie waren aber so pedantisch die chronologische Folge der Koranfragmente noch mal ganz genau feststellen zu wollen; besser, als es die alten Muslime getan hatten. Das System von → Nöldeke und Schwally, mit deren Einteilung in drei Mekkanische Perioden und eine Medinensische, hat unter nichtmuslimischen Gelehrten die meiste Autorität erhalten. Aber auch andere haben daran gearbeitet, so dass wir jetzt über mehrere Vorschläge für eine Chronologie verfügen. Die Ergebnisse ihrer Arbeiten sind von → Welch zusammengefasst worden.
Inzwischen halten nur noch wenige nichtislamische Gelehrte die Prophetenbiographie für eine brauchbare Geschichtsquelle. Mit ihr entfällt dann auch die Basis der koranischen Chronologie, aber so weit hat noch kaum jemand gedacht. Wer nicht durch Glauben daran gehindert wird, könnte jetzt also die Entstehung des Korans in 23 Jahren anzweifeln. Denkbar ist zum Beispiel, dass die ganz unterschiedlich gestalteten Textteile nicht nacheinander, sondern nebeneinander entstanden sind, in unterschiedlichen Kreisen. Die blitzenden, beschwörenden kurzen Suren und die wortreichen legislativen Texte der längeren Suren unterscheiden sich in Inhalt und Grundton; warum sollten sie nicht auch eine andere Herkunft haben? Moderne Gelehrte sind nicht, wie ihre Kollegen von vor hundert Jahren, an Mohammed als Autor des Korans gebunden. Um beim Beispiel „Weintrinken“ zu bleiben: Es könnte zur selben Zeit Menschen gegeben haben, die Weintrinken ganz entspannt beurteilten, und andere, die vehement dagegen waren, wie einst die Nasiräer im Judentum.
Das würde bedeuten, dass der Koran Texte aus mehreren Quellen enthalte. Eine Urkunden- oder Quellenhypothese also, wie in der Bibelforschung des 19. Jahrhunderts. → J. Wansbrough hat auf diesem Gebiet schon Vieles durchdacht, aber weil er bestimmte Fehler gemacht hat, werden auch seine fruchtbaren Gedankengänge nicht mehr gerne gelesen. Wansbroughs Anstrengungen haben auf jeden Fall dazu geführt, dass über die ganze Problematik noch mal neu nachgedacht wird. Die Gedanken sind frei, und die Beweise und Argumente der alten Orientalisten bröckeln. Das angeblich gesicherte Wissen ist hin.
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Traditionelle Muslime werden den obigen Vorschlag sofort verwerfen. Der Gedanke, dass der Koran Texte mehrerer Quellen enthalten könnte, ist ihnen ein Gräuel. Für sie hat der Koran nur eine Quelle: Gott.
Kritischer eingestellte Muslime wissen schon, dass Ibn Isḥāq kein Heiliger war und dass auch das alte Wissen um die Chronologie und die „Anlässe der Offenbarung“ nur Menschenwerk war: eine frühe Form von Wissenschaft, die gegebenenfalls für überholt erklärt werden kann. Wie solche Muslime das mit ihrem Glauben in Einklang bringen, ist deren Problem.
Aber dass nichtmuslimische Gelehrte brav an der islamischen Tradition kleben, darauf zur gleichen Zeit eine gehörige Portion Pedanterie loslassen, aber dann doch wieder versäumen die neueren Einsichten zur Prophetenbiographie mit einzubeziehen, das ist nachlässig und beschämend.

Bibliografie:
G. Böwering, ‘Chronology and the Qurʾān,’ in EQ.
Th. Nöldeke, Geschichte des Qorāns, zweite Auflage bearbeitet von F. Schwally, G. Bergsträsser en O. Pretzl, 3 Bde., Leipzig 1909–1938, Nachdruck Hildesheim 1981, i, 58–234.
A. T. Welch, ‘Ḳurʾān,’ in EI2, 414–419.
J. Wansbrough, Quranic Studies. Sources and methods of scriptural interpretation, Oxford 1977.

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