Islamische Verkündigung

Nicht nur die Geburt Jesu wurde seiner Mutter verkündet, auch die des Mohammeds. So will es wenigstens ein kurzer, schwer datierbarer Text (zwischen 650-750 AD):

  • Die Menschen erzählen—und nur Gott weiß, was wahr ist—dass Āmina, die Mutter des Propheten, erzählt hat, während ihrer Schwangerschaft sei [eine Stimme?] zu ihr gekommen, die gesprochen habe: „Du bist schwanger mit dem Herrn dieses Volkes. Wenn er geboren wird, sag dann: ‘Lass den Einzigen ihn behüten vor dem Übel eines jeden Neiders,‘ und nenne ihn Mohammed.“ Als sie schwanger mit ihm gewesen sei, habe sie gesehen, wie ein Licht von ihr ausgegangen sei, in dem sie die Festungen von Busrā in Syrien habe sehen können.1

War es ein Engel, der zu Āmina kam? Wir wissen es nicht. Im Arabischen stehen hier passive Verbalformen: „Es wurde zu ihr gekommen … ihr wurde gesagt.“ Wer oder was das tat, bleibt ungesagt. 
Das Licht, durch das Festungen sichtbar wurden, die sich mehr als tausend Kilometer von Mekka befanden, ist das wundersame, von Ewigkeit an existierende „Licht Mohammeds“ (nūr Muhammad). In Busrā fing das Römerreich an. Die Āmina zugeschriebene Aussage verweist auf die künftige Eroberung dieses Reiches. Die Beschwörungsformel, die sie aussprechen soll, erinnert an die Suren 113 und 114 im Koran. Die beiden Suren (al-mu‘awwidhātān) schützen vor dem Bösen.

Überdies fällt die Übereinstimmung mit der biblischen Verkündigung ins Auge. Im Lukasevangelium bekommt der Vater von Johannes dem Täufer Besuch des Engels Gabriel, der dem Kind eine große Zukunft weissagt und sagt, dass er Johannes heißen solle. Auch die Mutter Jesu bekommt kurz vor ihrer Schwangerschaft Besuch von ihm. Zu ihr sagt der Engel:

  • Sei gegrüßt, Begnadigte! Der Herr [ist] mit dir. […] Fürchte dich nicht, Maria! Denn du hast Gnade bei Gott gefunden. Und siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, und du sollst ihm seinen Namen Jesus nennen. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden […].2

Die Verkündigungen an Āmina und an Maria haben einiges gemeinsam: 1. Besuch einer Stimme(?), bzw. eines Engels. 2. Verkündigung der Geburt eines großen Mannes. 3. Auftrag zur Namensgebung. 

Kurzum, die arabische Erzählung bedient sich nicht nur des Korans, sondern auch der biblischen oder einer sehr verwandten Erzählung. Sie tut das, weil sie in einer Umgebung entstanden ist, in der der neue Prophet Mohammed sich gegenüber den längst existierenden „Propheten“ der Juden und Christen durchsetzen musste. Sie versucht eine christliche Verkündigung durch eine islamische zu ersetzen.

ANMERKUNGEN
1. Ibn Isḥāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 102. Übers. G. Rotter: Ibn Isḥāq, Das Leben des Propheten, Kandern 1999, 30. ويزعمون – فيما يتحدث الناس والله أعلم – أن آمنة بنت وهب أم رسول الله ص كانت تحدث أنها أتيت، حين حملت برسول الله ص فقيل لها: أنك قد حملت بسيد هذه الأمة، فإذا وقع إلي الأرض فقولي: أعيذه بالواحد من شر كل حاسد ثم سمّيه محمدًا. ورأت حين حملت به أنه خرج منها نور رأت به قصور بُصْرى من أرض الشأم.
2. Bibel, Lukas 1:26–38.

Diakritische Zeichen: Buṣrā, nūr Muḥammad, al-muʿawwiḏātān

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