🇳🇱 [Arbeitsblatt, noch nicht fertig]
Wenn die Griechen und Römer den Rassismus nicht erfunden haben, waren es dann vielleicht die alten Araber?
Die vorislamischen Araber lebten in Stammverbänden und führten häufig Krieg gegen benachbarte Stämme, die sie dann hassten oder verachteten. In ihren Gedichten wurde traditionell viel Platz für das Selbstwertgefühl und das Ausschimpfen anderer, als minderwertig betrachteten Stämme eingeräumt. Der Hass konnte jedoch nicht zu allzu tief sitzen. Manchmal entstand ja ein Bündnis mit einem feindlichen Stamm, oder ein kleiner Stamm wurde von einem größeren aufgeschluckt; dann waren negative Gefühle nicht mehr angemessen. Darüber hinaus waren die (ehemaligen) Feinde nicht wirklich verschieden; sie wurden nicht zu einer anderen Rasse gerechnet.
Sklaven wurden ebenfalls verachtet. Es wird Sklaven gegeben haben, die von weit her kamen, aber es gab auch Sklaven aus der unmittelbaren Umgebung, die daher genau so aussahen wie ihre Besitzer: Männer, die nach einer verlorenen Schlacht Kriegsgefangene wurden oder wegen ihrer (Spiel-) Schulden versklavt wurden. Solche Sklaven waren nicht „anders“. Eine zu tief verwurzelte Abneigung war auch hier nicht naheliegend, da fast jeder durch Gefangenschaft oder Verschuldung zum Sklaven werden konnte. Frauen wurden oft als Sexobjekte angesehen, aber es kam natürlich vor, dass ein Besitzer seine Sklavin lieb gewann und nicht verachtete. Auch einer Amme kann man Respekt und Liebe entgegengebracht haben.
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Wirklich anders waren die fremde Völker weiter weg. Die Perser wurden ‘adjam genannt: Menschen, die das Arabische nicht richtig aussprechen konnten. Es waren komische Typen mit seltsamen Manieren und merkwürdigen Kleidern, aber wurden sie wirklich als eine andere Rasse wahrgenommen, im Sinne einer Gruppe mit abweichenden körperlichen Eigenschaften? Das ist sehr die Frage.
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Die Römer wurden manchmal durchaus nach einer körperlichen Eigenschaft benannt: Banū al-Aṣfar, „Gelbhäute, Bleichgesichter“.1
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In einem Hadith des Propheten, der auf das zweite Jahrhundert des Islams zurückgehen muss, werden körperliche Merkmale von Türken aus Zentralasien erwähnt: „Der jüngste Tag wird nicht kommen, bevor ihr nicht gegen Menschen mit kleinen Augen und kleinen Nasen gekämpft habt.“ 2
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Diejenigen, die die auffälligsten abweichenden körperlichen Eigenschaften aufweisen, die auch am häufigsten beschrieben wurden, sind die Schwarzen, aus Afrika und manchmal aus Indien. Ich werde mich hier auf die Afrikaner beschränken.
Schauen wir uns zuerst die alte Poesie an. Manfred Ullman hat alle Verse gesammelt, die sich auf Schwarze beziehen. Von einem großen Philologen und Lexikologen wie ihm kann angenommen werden, dass seine Sammlung von etwa sechshundert Fragmenten3 fast vollständig ist. Einige alte Verszeilen sind vielleicht noch in der Concordance zu finden, das werde ich noch überprüfen.
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Folgende Körpermerkmale der Schwarzen werden erwähnt:
- Schwarze Haut
- Krauses Haar
- Dicke Lippen
- Eine flache Nase
- Strahlend weiße Zähne,
wobei Letzteres keine Körpereigenschaft ist, sondern eine optische Täuschung. Zähne erscheinen weißer, wenn sie von schwarzer Haut umgeben sind.
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Ullmann hat nicht untersuchen wollen, welches Bild die alten Araber von Schwarzen hatten, sondern die Vergleiche in der Poesie studieren, in der nicht-schwarze Menschen, Tiere oder Dinge mit Schwarzen verglichen werden.
In etwas älterem Deutsch wurde das auch getan. Jemand, der schmutzige Arbeit geleistet hatte oder sonnverbrannt war, sah „schwarz wie ein Neger“ oder „wie ein Türke“ oder „braungebrannt wie ein Mohr“. Nicht nur Menschen konnten mit Schwarzen verglichen werden: „Seine Zukunft ist wie ein Neger: Sie sieht schwarz aus,“ und: „Mein Humor ist so schwarz wie ein Türke im Backofen”.
Aber die Araber haben diese Vergleiche auch in ihren Gedichten angestellt, und zwar in einem viel größeren Umfang als unsere Vorfahren. Auch bei ihnen werden schmutzige, verschmierte, geschwärzte oder sonnverbrannte Menschen mit echten Schwarzen verglichen, darüber hinaus aber Tiere, Körperteile, Pflanzen, Früchte, Mineralien, Werkzeuge, Kleidung, Weinschläuche, Schiffe, Schreibgeräte und Tinte, Mist und Kot, Flöten und Schachfiguren, die Nacht, das Meer, die Wolken und vieles mehr. Der Vergleichspunkt ist fast immer die dunkle Farbe; manchmal wird auch mit anderen körperlichen Merkmalen von Schwarzen verglichen. Einige Beispiele
- „Die Dunkelheit der Nacht scheint ein schwarzer Neger mit gesenktem Haupt zu sein, der sich in ein Trauergewand gehüllt hat“. 4
- „Und siehe da, mitten auf dem Wege kroch eilends eine Schwarze … Möge der Barmherzige ihn nicht segnen, diesen kriechenden Skorpion…”.5
- „Weinstöcke, auf deren rebenbesetzten Zweigen man am Tage der Lese Köpfe von Abessiniern zu sehen glaubt.“ (tiefdunkle Trauben.)6
- „Oben auf unserem Feuer sitzt eine gut gefüllte Abessinierin, [dick] wie der Bauch eines Elephanten, die lange [dort] verharrt.“ (Ein dicker, rauchschwarzer Kochtopf wird mit einer äthiopischen Frau verglichen.)7
- „Den Rücken [des Mistkäfers] könnte man für die Hüfte eines Nubiers halten… .’ (Die schwarzen Rückenschilde eines Mistkäfers //die Schulterblätter eines schwarzen Mannes.8
- „… bin ich an Bord von ihr, einer Negerin, gegangen …“ (gemeint ist ein schwarz geteertes Schiff auf dem Tigris).9
Es gibt auch doppelte und komplizierte Vergleiche, zum Beispiel, wo ein Dichter über seine beginnende Grauhaarigkeit spricht:
- „Weiße und schwarze Haare auf dem Haupt: Zwei Völkerschaften, Byzantiner und Neger, haben sich auf meinem Haupt niedergelassen.
Fortgeflogen von meinem Kopf ist der jugendliche Rabe, und statt dessen hat sich der „Königsvogel“ auf ihm eingenistet.
Auf dem Hofplatz meines Kopfes haben sich somit zwei Farben ausgebreitet, so wie sich Schachfiguren auf einem Spielbrett verteilen.“10
Hier und in vielen anderen Stellen kontrastieren Schwarze mit weißen Römern, manchmal mit Türken, Chasaren oder Skythen.
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Und es gab umgekehrte Vergleiche. In einer relativ geringen Anzahl von Versen wird kein Gegenstand oder Tier mit einer schwarzen Person verglichen, sondern umgekehrt, zum Beispiel:
- „Schwarz ist die Negerin wie ein junge Rappenstute von vollkommener Schönheit, die den sich erhebenden Staubwolken vorauseilt.“11
In den zitierten Versen und in den meisten anderen ist kein einziges Werturteil über Schwarze zu erkennen. Die Dichter wollten einen kunstvollen, gerne auch weit hergeholten Vergleich zwischen etwas Dunklem und der Hautfarbe eines Schwarzen anstellen; das ist alles. Moderne Menschen mögen dies seltsam finden, aber so war es in der alten Poesie, die auch in anderen Bereichen von Vergleichen wimmelt, die wir als weit hergeholt betrachten.
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In einer Reihe von Versen werden jedoch durchaus rassistische Aussagen über Schwarze gemacht, von denen einige recht grob und gemein sind. Zuerst habe ich untersucht, ob solche Aussagen in alten Versen oder in späteren vorkommen. Ich wollte ja wissen, ob der Rassismus von den alten Arabern herrührt, sagen wir von vor dem Jahr 700. Mit wissenschaftlicher Präzision bin nicht vorgegangen, aber ich konnte feststellen, dass die übergroße Mehrheit der rassistischen Aussagen nicht in der frühen, sondern in der spätere Poesie vorkommt. Das sagt nicht alles, denn in der späteren Zeit gab es ohne Zweifel auch mehr Schwarze und Dichter. Wie auch immer, hier folgen die wenigen Beispiele von negativen Beschreibungen von Schwarzen aus der ältesten Poesie:
Ḥassān ibn Thābit hatte als Dichter eine vorislamische Periode, aber nach seinem Übergang zum Islam befand er sich in unmittelbarer Nähe von Mohammed; man hat ihn sogar dessen Hofdichter genannt. Zwei unangenehm klingende Fragmente werden ihm zugeschrieben:
- „Deine Mutter ist eine Schwarze mit kurzem Hals, deren Fingerspitzen Mistkäfern gleichen. Wenn dein, Vater ihr nachts beiwohnt, ist es, wie wenn ein Fuchs auf eine Katze losgeht.“12
- „[Die Banū al-Ḥimās] sind Ham’s Kinder. Für sie findet man kein treffenderes Ebenbild als Ziegenböcke, deren Haar über die Schultern herabhängt.“13
Und Ibn Mufarrigh al-Ḥimyarī (gest. 688) dichtete:
- „Geboren hat ihn eine Abessinierin mit abgeschnittenen Ohren, die man für eine Straußenhenne halten könnte, eine von den Frauen mit schwarzen Gesichtern, an denen man nur Hässlichkeit wahrnimmt.“14
Der etwas spätere Dichter Farazdaq (ca. 641–730) nennt einen Mann, den er ausschimpfen will, „der Sohn des Penis des Mistkäfers,“15 womit er meinte: Sohn eines Schwarzen, weil der Vergleich von Mistkäfern mit Schwarzen gängig war. Und das, obwohl der Adressat nicht einmal schwarz war; der Dichter wollte nur etwas Unangenehmes sagen. Ob der öfters vorkommende Vergleich von den dicken Lippen eines Schwarzen mit den Lefzen eines Kamels (mashāfir) ein negatives Werturteil ist, bleibt mir unklar.16
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Als Nächstes habe ich nachgeschaut, ob es bestimmte Gegenstände oder Tiere sind, bei denen negative Kommentare auftreten. In großen Zügen ist das in der Tat der Fall. Vergleiche mit Pflanzen und Blumen sowie mit schwarzen Kleidungsstücken und Steinen sind positiv, die mit Mist, Kot und Pech negativ. Auch bei Vergleichen mit Mistkäfern und Asseln gibt es viel rassistische Beschimpfungen, aber nicht nur. Es scheint naheliegend, dass man zum Beispiel bei einem Mistkäfer nur an Dreck denkt, aber notwendig ist das nicht. Im arabischen Wort khunfus klingt das negativ geladene „Mist“ nicht mit. Oben (bei Anmerkung 8) zitierte ich einen völlig neutralen Vergleich ohne negativen Klang, und das ist keineswegs der einzige.
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Was aber in der späteren Dichtung ebenfalls häufig vorkommt, ist die Wertschätzung und Bewunderung von der Farbe Schwarz und von Schwarzen, sicherlich auch als Liebespartner beiderlei Geschlechts. Schwarze Steine sind schön, und schwarzes Haar ist immer schöner als weißes, das schließlich ein Zeichen des Alters ist. In mehreren Gedichten werden Dichter gegen Kritiker verteidigt, die sie anscheinend vorwarfen, mit Schwarzen zu verkehren.
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Da der Großteil der Gehässigkeiten wie auch die positiven Aussagen in den etwas späteren Gedichten vorkommen, werde ich mich später damit befassen. Im Augenblick verbleibe ich bei der Feststellung, dass zwar einige rassistische Sprüche in der älteren arabischen Poesie vorkommen, aber nur ganz wenige.
Nächste Themen:
Rassismus in der Antike
Der schwarze Dichter ‘Anṭara
Rassismus im frühesten Islam? Der Fall Bilāl
Rassismus in der späteren Poesie
Rassistische Theorien, u.a. von al-Djāḥiẓ
ANMERKUNGEN
1. Ibn Isḥāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, Hrsg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 894. Auch Ullman, Neger, No. 309. Aṣfar hört sich unangenehm an, wenn es auf Menschenhaut bezogen wird; es wird auch verwendet für die blasse Hautfarbe von Kranken und Toten.
2. Muslim, Ṣaḥīḥ, Fitan 64:
وحدثنا أبو بكر بن أبي شيبة حدثنا سفيان بن عيينة عن أبي الزناد عن .الأعرج عن أبي هريرة يبلغ به النبي صقال لا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما نعالهم الشعر ولا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما صغار الأعين ذلف الآنف.
3. Ullmann hat die Fragmente nummeriert bis 638, aber es gibt Dubletten.
4. Ullman, Neger, no. 390: كأنّ ظلام الليل أسود مُطرق من الزنج في لِبس الحِداد قد التفّا. Ullmann übersetzt ḥabashī mit „Abessinier“, aswad mit „Schwarze“ und zandjī mit „Neger“. Das passt hier, denn auch das arabische Wort zandjī hört sich abwertend an.
5. Ibid., Nr. 97: إذا على ظهر الطريق مُغِذة سوداء قد عرفت أوان دهابي | لا بارك الرحمن فيها عقربا دبّابة دبّب الى دبّاب . Im Arabischen ist der Skorpion feminin.
6. Ibid., Nr. 293: كَرْم تَخَال على قُضبان حُبلته يومَ القِطاف له هامات حُبشان
7. Ibid., Nr. 554: تُفَرِّعُ أعلى نارها حبشية ركود كجوف الفيل طال دُؤوبها
8. Ibid., Nr. 71: كأُرْبية النوبي يُحسب ظَهره
9. Ibid., Nr. 596: ركبتها زنجية
10. Ibid., Nr. 113: شعرات في الرأس بيض ودُعج جل رأسي جيلان روم وزنج | طار عن هامتي غراب شباب وعلاه مكانه شاهَمُرح | حل في صحن هامتي منه لونان كما حل رقعة شطرنج
11. Ibid., Nr. 103: سحماء كالمُهرة المطَهّمة الدهماءِ تنضو أوائلً الصيق
12. Ibid., Nr. 82: وأمك سوداء مودونة كأن أناملها الحُنظُب ، يبيت أبوك بها مُعْرسا كما ساور الهزةَ التغلب
13. Ibid., Nr. 107: أولاد حامٍ فلن تلقى لهم شبها إلا التيوس على أكتافها الشَعر
14. Ibid., Nr. 20: جاءت به حبشية سكّاء تحسبها نعامة، من نسوة سود الوجوه ترى عليهن الدمامة
15. Ibid., Nr. 74: با ابن الخنفساء، ابن زب الخنفساء
16. Ibid., Nr. 99, 208, 519, 579.
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