Türken

Hier bekommen Sie keine ethnologische Abhandlung über die Türken geboten; nur einige Hinweise auf die Türken in der arabischen Vergangenheit.

In der Antike
Im Oströmischen Reich war der Name Türken (Τούρκοι) bereits bekannt; er bezeichnete Stämme in Zentralasien. Das ist ein riesiges Gebiet, das in vorindustrieller Zeit hauptsächlich von Reitervölkern und ihren Pferden bewohnt wurde. Von alters her zogen Gruppen von Auswanderern aus diesem Gebiet zu sesshaften Umgebungen: nach Europa, aber auch nach China und Indien: Hunnen, Magyaren, Türken und Mongolen — und wahrscheinlich vergesse ich noch einige. Der Lebensraum, wie gewaltig er uns erscheinen mag, hat den Bewohnern wohl doch nicht gereicht. Oder sie hatten einfach Lust auf the high life.
In der Antike hat man im Westen die zentralasiatischen Völker nicht gut auseinander halten können. Rätselhaft ist z.B. die Mitteilung beim Geographen Strabo (63 v.Chr.–23 n.Chr.): „Die Türken sind die Magyaren.“ 1 Die Magyaren sind bei uns bekannt als die Ungarn, die um 900 nach Europa einwanderten. Im Wolgadelta wohnten auf jeden Fall schon früh Türken. Es scheint auch altgriechische Quellen zu geben, denen zufolge im Kaukasus Türken lebten, ungefähr im heutigen Armenien. Bei den Historikern Priskos und Prokop müsste etwas zu finden sein. Aber sich in ein fremdes Fachgebiet zu begeben nimmt Zeit; das kann also noch etwas dauern.
Das Gebiet nördlich vom Kaukasus hatte in der Spätantike einen schlechten Ruf: Man glaubte, dass dort die wilden Stämme Yādjūdj und Mādjūdj (Yagug und Magug, Gog und Magog)2 wohnten. Der „Hörnermann“ (Alexander der Große?) hat dem Koran zufolge einen Damm gebaut, hinter dem diese böswilligen Völker sicher weggesperrt waren. Zu dieser Erzählung haben vielleicht die eindrucksvollen Mauern der Stadt Derbent inspiriert, die auf einer Landenge in Süddagestan liegt. Man erwartete, dass in der *Endzeit, also kurz vor dem *Jüngsten Tag, die Yādjūdj und Mādjūdj von hinter dem Damm ausbrechen würden. Es hat Koranausleger gegeben, die sie zu den Türken rechneten.3
Die vorislamischen Araber auf der Halbinsel haben wohl kaum Türken zu Gesicht bekommen. In den von Arabern bewohnten Teilen Syriens können einige vorbeigekommen sein, aber das hat nicht zu historisch überlieferten Begegnungen geführt.
.
Früher Islam
Als die Araber Persien erobert hatten, lernten sie an der Nordostgrenze des Reiches sicherlich auch Türken kennen. Diese machten einen sehr tüchtigen, kriegerischen und bedrohlichen Eindruck, wie ein dem Propheten zugeschriebener Hadith uns in zwei Versionen vermittelt:

  • … von Abū Huraira, der Prophet habe ihm erzählt: „Der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis ihr nicht gegen Menschen gekämpft habt, deren Schuhe aus Haar bestehen. Und der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis ihr nicht gegen Menschen mit kleinen Augen und Nasen gekämpft habt.“ 4
  • … von Abū Huraira: Der Prophet hat gesagt: „Der jüngste Tag wird nicht anbrechen, bis nicht die Muslime gegen die Türken gekämpft haben, ein Volk, dessen Gesichter wie doppelt genähte Lederschilder aussehen, die sich in Haar kleiden und auf Schuhen aus Haar gehen.“ 5

.
TürkischerReiterSöldner
Abgesehen von türkischen Auswanderern an der Ostgrenze und wohl auch versklavten Kriegsgefangenen, kamen die ersten Türken nach Bagdad, weil die ersten *Abbasidenkalifen Soldaten brauchten. Sie heuerten türkische Söldner für ihre Leibgarde an, erstens weil die Türken den Ruf hatten sehr gute Soldaten zu sein, zweitens weil diese isolierten Fremden keine Wurzeln im Irak hatten, so dass sie (wenigstens anfangs) kaum für Stammesloyalitäten, Cliquenbildung und Korruption anfällig waren. Kalif al-Mu‘tasim (833–842) führte das in großem Stil durch: Er importierte 25.000 bis 30.000 Mann. Und bald bestand die ganze Armee nur noch aus „Türken“ (d.h. Auswanderer aus Zentralasien; sie waren wohl nicht alle türkischsprachig). Islamische Staaten haben noch bis ins 19. Jahrhundert Sklaven, Soldaten und manchmal sogar Herrscher von weit hergeholt: Mamluken, Janitscharen usw..
Al-Djāhiz (781–868) schreibt über die Türken:

  • Der Khāridjit verläßt sich im Kampfgedränge vor allem auf den Lanzenstoß, die Türken aber stoßen mit der Lanze ebenso gut wie die Khāridjiten. Und wenn tausend ihrer Reiter zum Angriff übergehen, schießen sie ihre Pfeile in einem Fluge ab und werfen tausend Reiter zu Boden; keine Truppe vermag einer solchen Angriffsart standzuhalten.
    Weder die Khāridjiten noch die Beduinen sind dafür bekannt, mit dem Bogen vom Rücken der Pferde zu schießen. Der Türke aber trifft so ein Wild, einen Vogel, eine Zielscheibe, einen Menschen, ein liegendes Tier, ein aufgestellten Grenzstein oder einen sich auf die Beute stürzenden Raubvogel. Er hetzt sein Reittier vorwärts und rückwärts, rechts und links, bergauf und bergab und schießt zehn Pfeile ab, bevor der Khāridjit einen einzigen Pfeil auflegt. Beim Herunterkommen von einem Berg oder beim Abstieg in die Tiefe eines Flußbettes treibt er sein Reittier zu schnellerem Galopp an, als es der Khāridjit auf ebener Erde vermag.
    Die Türken haben vier Augen, ein Augenpaar im Gesicht und ein anderes Augenpaar im Hinterkopf.6
  • Dementsprechend sind die Türken Zeltleute, Steppenbewohner und Herdenbesitzer; sie sind sozusagen die Beduinen der Nichtaraber. […] Sie beschäftigen sich weder mit Handwerk, Handel, Medizin, Ackerbau, Geometrie, Baumzucht, Baukunst noch mit der Anlage von Kanälen und mit der Erhebung von Steuern, sie haben kein anderes Streben als nach Plünderungszug und Raubeinfall, Jagen und Reiten, Streit gegen Kämpfer, Suche nach Beute und Unterjochung fremder Länder.7

.
Migranten
Ab ± 1000 kam aber auch eine spontane, große Völkerwanderung ins Abbasidenreich in Gang; ab 800 hatte es schon getröpfelt. Es kamen immer mehr, ganze Stämme zogen gen Westen. Ich nenne hier nur die Seldschuken (Selçuklular, Saldjūq), die 960 zum Islam übergingen, 1055 Bagdad eroberten und 1071 bei Manzikert die Ost-Römer entscheidend schlugen. Danach lag auch Kleinasien für sie offen. Konya, ihre dortige Hauptstadt, erlebte eine große Blüte. Nach dem schiitischen Jahrhundert (945–1055) der Buyiden und der drohenden Einnahme Bagdads durch die ägyptischen Fāṭimiden vertraten die Seldschuken einen sturen sunnitischen Islam und die hanafitische Rechtschule.
Türkische Stämme streunten anfangs noch als Nomaden herum und wurden z.B. von den vorbeiziehenden Kreuzfahrern (1097) ziemlich überrascht. Beim zweiten Kreuzzug waren sie schon besser organisiert und verteidigten sich. Aber das Bild der „wüsten Nomaden,“ die gen Westen zogen, ist viel zu einseitig. Es kamen sicherlich Nomaden, aber die Seldschuken brachten auch Wiederaufbau und neues Leben ins ziemlich heruntergekommene Abbasidenreich, in den Irak und nach Syrien: Infrastruktur, Geldsystem, Staatseinrichtung, Städtebau usw. Kenntnis der urbanen Kultur und der Staatseinrichtung hatten sie in dem ebenfalls türkischen Reich der Ghaznawiden in Afghanistan (977–1186) erworben.
.
Osmanen
Später kamen die türkischen Osmanen. Konstantinopel fiel ihnen bekanntlich 1453 in die Hände. Davor war bereits der Balkan erobert worden, der zum Teil noch bis ins 20. Jh. türkisch blieb. Das Osmanenreich war bis 1700 eine sehr starke, auch Europa bedrohende Militärmacht. Danach wurde es allmählich schwächer — und dadurch kulturell auch attraktiver —, bis es als „kranker Mann Europas“ verendete. Der osmanische Vielvölkerstaat nahm 1918–20 ein Ende; seitdem besteht die Türkische Republik weiter. Auch diese ist überwiegend sunnitisch, wobei die hanafitische Rechtsschule dominant ist. Um 1500 hatte das Osmanenreich das modernste Rechtssystem Europas – und das war nicht die Scharia.

Die Türken hatten auch den Großteil der arabischen Welt erobert. 1517 hatten sie die Mamlukenherrschaft in Ägypten beendet. Seitdem wohnten die meisten Araber im türkischen Osmanenreich, das sich bis nach dem 1. Weltkrieg gehalten hat. Osmanisch-Türkisch war dort die Sprache der Macht und der Elite, während das Arabische in die Domänen der Religion, des Handels und des Alltagslebens zurückgedrängt war. Die besten Schriftsteller, Gelehrten und Handwerker wurden aus Kairo nach İstanbul gebracht; andere gingen freiwillig, denn die Karrierechancen lagen in der Hauptstadt.
Haben die Araber unter den Türken gelitten, sich unterjocht gefühlt? Ich weiß es nicht, ich würde meinen, bis tief ins 19. Jahrhundert eher wenig. Der Nationalismus und der Freiheitsdrang der Griechen z.B., die sich 1822 mit europäischer Hilfe selbständig machten, waren in der Arabischen Welt noch nicht angekommen. Etwas Groll hegte schon ‘Alī Mubārak, der spätere Ali Pascha Mubarak (1823–1893), ein ägyptischer Junge, der 1844 in Frankreich an der Militärakademie studieren durfte. Seine Kommilitonen aus Ägypten waren alle türkischsprachig, bekamen Vergünstigungen und mehr Taschengeld, und waren oft weniger fleißig als er. Sie hatten ihren Studienplatz nur bekommen, weil sie zur türkischen Oberschicht gehörten. Ein Gemisch aus ethnischer und sozialer Diskriminierung wurde hier also peinlich spürbar.8 Ab 1850 wurden sowohl die Türken wie auch die Araber mit dem Virus des Nationalismus angesteckt. Spätestens seitdem fühlten sich Araber im Osmanenreich weniger wohl und fingen an zu schmollen und zu rebellieren, während die Türken ihrerseits auch überheblicher wurden. In der 2. Hälfte des 19. Jh. emigrierten viele arabische Intellektuelle aus dem noch-türkischen Syrien ins relativ unabhängige, ab 1882 aber britisch besetzte Ägypten. Ab 1920 waren sie die Türken los.
Die osmanische Herrschaft hat schwere Folgen für die arabische Kultur gehabt. Kairo und Damaskus wurden ausgeräumt: Fachleute, Intellektuelle und auch Handschriften wurden nach İstanbul verschleppt oder gelockt. Die arabische Kultur blieb jahrhundertelang zweitrangig, bis ab ± 1850 die sog. nahda („arabische Renaissance“) anfing. Anknüpfen an die eigene Vergangenheit erwies sich nach so vielen Jahrhunderten als schwierig.
Heute sprechen die Araber (wie die Griechen auch) manchmal von der türkischen Besatzung — und damit meinen sie nichts Gutes. Aber ist es sinnvoll, eine vier Jahrhunderte dauernde Herrschaft eine Besatzung zu nennen? Als das Osmanenreich und das Kalifat nach dem Ersten Weltkrieg aufgelöst wurden, vermissten viele Araber sie doch stark. Der Sultan-Kalif war ja seit dem 19. Jh. weltweit als geistliches Oberhaupt der Muslime betrachtet worden. Und huwa aslu turki, „er ist türkischer Herkunft“ bedeutete in Ägypten bis vor Kurzem, dass die betreffende Person zur alten Elite, die aristūqrātīya, gehört. Die Elite sprach dort Türkisch und Französisch und hörte noch sehr lange über einen eigenen Rundfunksender osmanische Schlager und klassische türkische Musik. Sie dürfte jetzt ausgestorben sein oder nur noch Französisch sprechen. Nagib Mahfus hat sich in seinem Roman Das junge Kairo (al-Qāhira al-djadīda; 1945) über eine Prinzessin lustig gemacht, die eine kurze Ansprache auf Arabisch halten sollte, diese aber nur aus einem französischen Transkript vorlesen konnte, wodurch sie zum Großteil unverständlich wurde.
Das Osmanenreich war ein islamisches Reich, das aber religiösen Minderheiten viel Raum bot. Diese bildeten zusammen ungefähr 30% der Bevölkerung, wenn nicht noch mehr. Einige Minoritäten (Griechen, Juden, Armenier) waren für den Handel und die internationalen Kontakte unentbehrlich. Ob und ab wann man die Einwohner auch nach Ethnien registriert hat, ist mir nicht bekannt. Die Türken selbst bildeten im Reich eine ethnische Minderheit.
.
Moderne Türken
Momentan gilt die Türkei vielen Arabern als Beispiel eines modernen, erfolgreichen Staats, dem die Einbindung des Islams in ein modernes, säkulares Staatsgefüge gelungen ist. Andererseits wird auf türkische Einmischung in arabische Angelegenheiten keinen Wert gelegt.

ANMERKUNGEN
1. Stelle fehlt noch!@
2. Koran 18:83–98, 21:95–97.
3. Keith Lewinstein, „Gog and Magog,“ in Encyclopaedia of the Qurʾān.
4. Muslim, Sahīh, Fitan 64:

وحدثنا أبو بكر بن أبي شيبة حدثنا سفيان بن عيينة عن أبي الزناد عن الأعرج عن أبي هريرة يبلغ به النبي ص قال: لا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما نعالهم الشعر ولا تقوم الساعة حتى تقاتلوا قوما صغار الأعين ذلف الآنف.

5. Muslim, Sahīh, Fitan 65:

حدثنا قتيبة بن سعيد حدثنا يعقوب يعني ابن عبد الرحمن عن سهيل عن أبيه عن أبي هريرة أن رسول الله ص قال لا تقوم الساعة حتى يقاتل المسلمون الترك قوما وجوههم كالمجان المطرقة يلبسون الشعر ويمشون في الشعر.

6. Al-Djāhiz, „Manāqib at-turk,“ in: Rasā’il al-Djāhiz, hg. ‘Abd al-Salām Hārūn, Kairo o.J., S. 45. Übersetzung Charles Pellat, Arabische Geisteswelt. Ausgewählte und übersetzte Texte von al-Djāhiz, übers. Walter Müller, S. 150–151.    es fehlt der letzte Satz noch.@

وقال: الخارجي عند الشِدة إنما يعتمد على الطِعان، والأتراك يطعن طعنَ الخوارج وإن شدّ منهم ألف فارس فرموا رِشقًا واحدًا صرعوا ألف فارس، فما بقاء على هذا النوع من الشدّة.
والخوارج والأعراب ليست لهم رماية ومذكورة على ظهور الخيل، والتركي يرمي الوحش والطير والبرجاس والناس والمجثَّمة والمُثل الموضوعة، ويرمي وقد ملأ فروجَ دابّته مدبرًِا ومقبلاً ويَمنة ويسرة وصُعُدًا وسُفْلاً، ويرمي بعشرة أسهم قبل أن يفوّق الخارجي سهمًا واحدًا، ويركض دابّته منحدرًا من جبل أو مستفلاً إلى بطن واد بأكثر مما يمكن الخارجي على بسيط الأرض.

7. Al-Djāhiz, ibid. i, 70–71. Übersetzung S. 158.

وكذلك الترك أصحاب عمد وسكَّان فيافٍ وأرباب مواشٍ، وهم أعراب العَجَم كما أنّ هُذيلًا أكراد العرب. فحين لم تشغلهم الصناعات والتجارات والطب والفلاحة والهندسة ولا غرس ولا بنيان ولا شقّ أنهار ولا جباية غلاّت، ولم يكن همّهم غير الغزو والغارة والصيد وركوب الخيل ومقارعة الأبطال وطلب الغنائم وتدويخ البلدان.

8. ‘Alī Pāshā Mubārak, al-Khitat at-taufīqīya, ix, 41. @Text und Kontrolle@

Diakritische Zeichen: Yāǧūǧ und Māǧūǧ, Yaʾǧūǧ und Maʾǧūǧ, Yagug Magug Yadjudj Madjuj Jagog Gog Magog, al-Muʿtaṣim, Al-Ǧāḥiẓ, Ḫāriǧit, Salǧūq, Baġdāḍ, nahḍa, aṣlu, arisṭūqrāṭīya, Naǧīb Maḥfūẓ, al-ǧadīda, Ṣaḥīḥ, ‘Alī Pāšā Mubārak, al-Ḫiṭaṭ

Zurück zum Inhalt

Der Heilige Krieg (Dschihad)

Ein Heiliger Krieg ist ein Krieg, der aus einer Religion, aus einem vermeintlich göttlichen Auftrag heraus oder zur Verteidigung „heiliger“ Gebiete geführt wird.
Heilige Kriege sind in allen drei westlichen Religionen vorgesehen. Die alten Israeliten stürzten sich auf das Bekämpfen konkurrierender Kleinvölker – nach Ansicht einiger Propheten taten sie das noch zu wenig. Im Alten Testament (4. Mose 21:14) wird auf ein Buch von den Kriegen des HERRN hingewiesen, das leider nicht erhalten ist. Jesus ist nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert (Matthäus 10:34), und er wird erneut kommen mit eisernem Stabe (Offenbarung 19:15). Seine Anhänger führten mehrere heilige Kriege, u.a. die Kreuzzüge im Nahen Osten (Deus lo vult – „Gott will es!“). Auch Muslime kennen den heiligen Krieg; sie nennen ihn meist Dschihad (djihād). Diesen Ausdruck jedoch habe ich nicht als Titel gewählt, weil 1) das Wort auch noch eine andere Bedeutung hat: „sich anstrengen“ 2) für offensichtlich Heilige Kriege auch das Wort qitāl, „kämpfen“ häufig benutzt wird.

  • djāhada, Infinitiv djihād‚ „sich anstrengen“
  • al-djihād fī sabīl Allāh‚ „sich anstrengen auf dem Weg Gottes, für Gottes Sache“
  • mudjāhid, jemand, der eben dies unternimmt; spez.  „Glaubenskämpfer“.
  • Es gibt einen inneren Dschihad: der Kampf gegen das eigene Ich und die Seele, die zum Bösen neigt; und einen äußeren: das „Sich-Anstrengen für Gottes Sache“. Letzteres muss nicht militärisch sein. Aber im heutigen Sprachgebrauch wird Dschihad selten in Zusammenhang mit der Anstrengung im Rahmen eines Studiums oder etwa der Eröffnung einer Kinderklinik benutzt.

Die ersten arabischen Eroberungen
Die ersten arabischen Eroberungen (632-750) waren sehr militant, aber noch kaum islamisch oder Dschihad, weil sich weder der Islam- noch der Dschihadbegriff bereits herauskristallisiert hatte. Rückwirkend hat man die Eroberungen jedoch durchaus Dschihad genannt.
Texte, heilige oder nicht heilige, geschriebene oder ungeschriebene, spielen bei Kriegsführung immer eine wichtige Rolle. Eine Einzelperson hat vielleicht auch so mal Lust am Kämpfen, aber wenn man Gruppen von Männern über längere Zeit kämpfen lassen will, braucht man Worte: zur Motivierung, zur Rechtfertigung, zur Ermutigung. Die Worte können von Gemeinschaften bzw. Führern bewusst eingesetzt werden. Ohne Zweifel gehörten zu den Antriebsmotoren der arabischen Eroberungen die neue geistliche Bewegung und die darin kursierenden Texte, die auch im Koran ihren Niederschlag gefunden haben; wie genau ist den Geschichtsschreibern nicht klar.

Der Heilige Krieg im Koran
Wer recherchieren möchte, was der Koran über das Thema zu sagen hat, findet mehr als hundert Verse, hauptsächlich mit djihād und qitāl und verwandten Wörtern. Aber eine einheitliche Auffassung des Koran über den Krieg gibt es nicht: „The qur’ānic rulings and attitudes regarding warfare are often ambiguous and contradictory so that there is no one coherent doctrine of warfare in the Qur’ān, especially when the text is read without reference to its exegetical tradition“ (Landau­-Tasseron, S. 38b; meine Hervorhebung). Weil es über das Thema so viele unterschiedliche Verse gibt, macht es keinen Sinn, wie es oft getan wird, einen oder zwei herauszuholen und diese dann als „die koranische Auffassung“ anzubieten. Ob man im Koran einen dringenden Ansporn zum Kriegführen oder vielmehr zu Friedfertigkeit liest, hängt stark von der Wahl der Verse und deren Auslegung ab.
Eine traditionelle (sowohl islamische als auch orientalistische) Weise die Texte zum Dschihad im Koran anzugehen, berücksichtigt die chronologische Abfolge der Koranoffenbarungen. Frühe Koranverse können durch spätere „abrogiert“ werden (nasḫ).
Dann sagt man z.B.: „In der frühen Periode, als der Prophet noch in Mekka war, waren die Texte defensiv; als er in Medina einen eigen Staat gegründet hatte, der sich zum Teil durch Raubzügen ernährte, wurden die Texte angriffslustiger.“ Sura 9, die letzte des Korans, abrogiert laut diesem Denkmodell also die früheren. Diese Sura ist aggressiv; thematisiert aber zur gleichen Zeit das Problem der Kriegsdienstverweigerung. Offensichtlich wollten nicht alle so gerne kämpfen.

Wer nicht so viel vom chronologischen Modell hält, begnügt sich am besten mit den thematischen Auflistungen bei →Landau­-Tasseron und →Crone. Themen:
­– Die Gegner: die Ungläubigen
­– Sich verteidigen bei Angriff
­– Selbst angreifen
­– Ansporn zur Teilnahme
­– Belohnung für den Einsatz: Beute in dieser Welt; das Paradies im späteren Leben.
­– Bestrafung für Feigheit und Dienstverweigerung, vor allem für die Heuchler (munāfiqūn), die sagen, sie seien dabei, aber sich nicht vom Fleck rühren wollen. Sie kommen in die tiefste Hölle.
­– Neben persönlicher Teilnahme ist auch materielle Unterstützung der Kriegsführung möglich. Man konnte ein Reittier oder eine Rüstung schenken usw.
.
Hier einige Korantexte aus vielen (übers. R. Paret):

  • Sura 22:39–40: Denjenigen, die bekämpft werden (oder: kämpfen), ist die Erlaubnis (zum Kämpfen) erteilt worden, weil ihnen Unrecht geschehen ist.
  • Sura 2:190–93: Und kämpft um Gottes willen gegen diejenigen, die gegen euch kämpfen! Aber begeht keine Übertretung! Gott liebt die nicht, die Übertretungen begehen. Und tötet sie, wo immer ihr sie zu fassen bekommt, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben! … usw.
  • Sura 2: 216: Euch ist vorgeschrieben zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist….
  • Sura 9:5: Und wenn nun die heiligen Monate abgelaufen sind, dann tötet die Heiden wo immer ihr sie findet, greift sie, umzingelt sie und lauert ihnen überall auf! Wenn sie sich aber bekehren, das Gebet verrichten und die Almosensteuer geben, dann lasst sie ihres Weges ziehen! …
  • Sura 9:39: Wenn ihr nicht ausrückt, lässt er euch eine schmerzhafte Strafe zukommen und andere Leute eure Stelle einnehmen …

.
Ribāt: die Praxis
Ribāt ist ein lästiger Begriff (Chabbi, Ribāt, insbes. S. 493–4). Manchmal erscheint er nahezu synonym zu djihād, dann wieder versteht man darunter eine Festung, dann wieder eine Gruppe religiös inspirierter Kämpfer.
Als nach 750 die große Eroberungswelle zum Stillstand gekommen war, wurde der Dschihad „ritualisiert“. An der Schmerzgrenze zwischen dem Römerreich und dem Islamischen Reich, die ungefähr der heutigen Grenze zwischen Syrien und der Türkei entspricht, sammelten sich Gruppen oft inbrünstig religiös inspirierter Kämpfer, die sich einmal im Jahr eine Schlacht gaben. Mal wurde eine Festung oder ein Städtchen erobert; mal wurde es wieder verloren. Die Grenze blieb durch die Jahrhunderte ziemlich stabil. Während sich in Medina oder Kufa die Gelehrten über die Theorie des Dschihad beugten, gab es hier die Praxis.
Bekannt ist die Hadith-Sammlung des ‘Abdallāh b. Mubārak aus dieser Atmosphäre, Kitāb al­-djihād, die heutzutage unter den Militanten wieder populär ist. Ibn Mubārak (gest. 797) stammte aus Zentralasien und war extra für den Dschihad angereist. Er war ein Krieger­-Asketiker – er hat auch ein Kitāb al­-Zuhd, „Buch der Weltentsagung“ geschrieben. Das Kitab al-djihād dokumentiert die geistliche Dimension des Kriegführens in diesen Gruppen, die hier viel detaillierter dargelegt wird als im Koran. Es sind 262 Hadithe; davon hier einer:

    • […] dass er vom ‘Utba ibn ‘Abd as-Sulami, einem Gefährten des Propheten, gehört habe, dass der Prophet gesagt habe:
      Die im Dschihad Getöteten sind drei Typen Männer:
      Ein Gläubiger, der mit seinem Leib und seinem Hab und Gut derart für die Sache Gottes kämpft, dass er, wenn er den Feind trifft, weiter kämpft, bis er getötet wird. Ein solcher Märtyrer (shahīd, Pl. shuhadā’) wird auf die Probe gestellt, [und ist] bei Gott unter dessen Thron; die Propheten haben nicht mehr Verdienst als sie, außer, dass sie die Ebene des Prophetentums besitzen.
      [Zweitens] ein Gläubiger, der Verbrechen und Sünden begeht, der mit seinem Leib und seinem Hab und Gut derart für die Sache Gottes kämpft, dass er, wenn er den Feind trifft, weiter kämpft, bis er getötet wird. Diese Reinigung wischt seine Vergehen und Sünden weg—ja, das Schwert wischt Sünden weg!—und er wird ins Paradies eingelassen; durch welches Tor er auch immer wünscht. …
      [Drittens] ein Heuchler, der mit seinem Leib und seinem Hab und Gut derart für die Sache Gottes kämpft, dass er, wenn er den Feind trifft, weiter kämpft, bis er getötet wird. Dieser ist in der Hölle, weil das Schwert die Heuchelei nicht wegwischt.

Hier wird der Dschihad als geistliche Kriegsführung dargestellt, im selben Geist wie im Koran, wo Kampfeinsatz mit dem Paradies belohnt wird:

    • Gott hat den Gläubigen ihre Person und ihr Vermögen dafür abgekauft, dass sie das Paradies haben sollen. Nun müssen sie um Gottes willen kämpfen und dabei töten oder (selber) den Tod erleiden […] Freut euch über euren Handel, den ihr mit ihm abgeschlossen habt! Das ist dann das große Glück. (Koran 9:111)

Überdies sühnt der Kriegseinsatz die begangenen Sünden (außer Heuchelei, in Übereinstimmung mit Koran 63:3; 4:145).
Kämpfern wurde empfohlen weiße Kleider zu tragen, so dass das Blut ihres Opfers deutlich sichtbar sei.
.
Märtyrer
In den Kreisen der ribāt-Kämpfer, aber auch später immer mal wieder, auch wenn es gar keinen Krieg gab, wurde die Idee des Märtyrertums kultiviert. Auch in unserer Zeit hört man wieder darüber.
Die Märtyrer sind nicht tot, sondern nahe bei Gott (Koran 3:169–70). Ob sie sich dort an 72 Jungfrauen ergötzen, sei dahin gestellt; siehe den separaten Beitrag zum Thema Märtyrer.
.
Dschihad im Hadith
Das Buch von ‘Abdallāh ibn al­-Mubārak besteht aus Hadithen; wenige hiervon jedoch gehören zu jenen, die ungefähr ein halbes Jahrhundert später in die „kanonischen“ Sammlungen aufgenommen worden sind. In solchen Sammlungen sind, abgesehen vom generellen Lob des Dschihad, auch das Kleingedruckte und Juristische zu finden: Wie steht es um die Beuteverteilung, wie mit den Einzelheiten der Kriegsführung, den Kriegsgefangenen usw.. Auch Ethik: keine Frauen und Kinder töten, keine Bäume umhauen (pace Koran 59:5) u.ä..
Bequem zugänglich sind die betreffenden Kap. aus Mālik ibn Anas (gest. 797), Muwatta’ und Muslim (gest. 875), Sahīh. Weil gerade kein Krieg ist, haben die Texte momentan wenig praktische Relevanz. Muslim hat mehr Text; Mālik ist besser ins Englische übersetzt worden.
.
Die Kreuzzüge und die Reaktionen darauf
1096 rief Papst Urban II. die europäischen Christen zu einem Kreuzzug auf: Palästina, ihr Heiliges Land, sollte zurückerobert werden. Ein heiliger Krieg: deus lo vult!, „Gott will es“. 1099 wurde dann nach einem großen Blutbad Jerusalem erobert; es entstanden einige christliche Fürstentümer, die es zum Teil bis zu 200 Jahre aushielten.
Die islamische Welt schien erst gelähmt. Hier wäre doch Dschihad nötig gewesen! Aber z. B. ein Prediger namens as-Sulamī, der in einer Damaszener Moschee in diesem Sinne predigte, bekam kaum Zuspruch (Hillenbrand, Crusades 105–8). In dem nächsten halben Jahrhundert sah man die Kriegsherren (Atabeks) der Seldschuken sich zwar mit dem Titel mudjāhid, „Glaubenskämpfer,“ schmücken, aber das war nur so dahin gesagt. Sie kämpften gerne, sie hätten es auch ohne Glauben getan. Der Kreuzfahrer Roger von Antiochien wurde 1119 getötet von Ilghāzī, der seinen Sieg mit einer Sauforgie feierte, die eine Woche andauerte. Als Dschihad konnte das schwerlich durchgehen.
Aber seitdem wurde der Kampf gegen die Kreuzfahrer doch zunehmend als Dschihad bezeichnet. Und als Saladin (Salāh ad-Dīn al-Ayyūbī) 1187 Jerusalem zurückeroberte, war das sicher ein Ergebnis von Dschihad.
.
Ibn Taimīya
Dieser merkwürdige Sturkopf ist über Muḥammad ibn ‘Abd al-Wahhāb, Rashīd Ridā und Saiyid Qutb wieder ganz ins Rampenlicht geholt und zum Ziehvater des militanten Islams gemacht worden.
Ibn Taimīya (1263-1328) stammte aus einem syrischen Geschlecht ḥanbalitischer Rechtsgelehrter und wurde selbst auch einer. Er war ein Universalgelehrter und ein selbstsicherer Mensch, der sagte, was er meinte – weshalb er öfters ins Gefängnis kam. Schiiten, Sufis und Theologen (mutakallimūn) verabscheute er.
Ibn Taimīya ist durch seine energischen Aufforderungen zum Dschihad bekannt geworden—auch wenn der Herrscher diesen nicht so richtig führen wollte. Das kann man auf Grund seines Lebenslaufs schon verstehen. Als fünfjähriges Kind hatte er mit seiner Familie vor den Mongolen aus Harrān in Nord-Syrien (Carrhæ; heute in der Provinz Şanlıurfa, TR) nach Damaskus fliehen müssen. Zu seiner Zeit besetzten die Mongolen also den Irak und Nordsyrien; sie fielen aber auch wiederholt über Mittel-­ und Südsyrien her. Der Mamlukensultan, der im fernen Kairo residierte, hatte nicht immer Lust militärisch gegen sie anzutreten; Ibn Taimīya bestand aber lautstark darauf.
Eine Komplikation war, dass die Mongolen, die sich überall der Kultur der Eroberten anpassten, zum Islam konvertiert waren, aber zur gleichen Zeit noch etliche mongolische Gewohnheiten und sogar mongolische Gesetze beibehielten. In einer fatwā erklärte Ibn Taimīya deshalb, dass die Mongolen keine Muslime seien und deshalb bekämpft werden müssten. „Jede Gruppe Muslime, die das islamische Gesetz übertritt …, muss bekämpft werden, auch wenn sie weiterhin das Glaubensbekenntnis ausspricht.“ Diese Auffassung wurde im 20. Jh. von Saiyid Qutb übernommen und hat moderne Dschihadisten stark inspiriert.

      • Tickte Ibn Taimīya eigentlich richtig? Der Reisende Ibn Battūta, der um 1300 Damaskus besuchte aber Ibn Taymīya nicht persönlich traf, behauptete, „Ibn Taimīya habe einen Vogel“ (shay’ fī ‘aqlihi; →Little, Screw loose). Allzu geistesgestört kann er aber nicht gewesen sein. Immerhin hat er ein imposantes Werk hinterlassen, Gefängnisse überlebt und erfolgreich öffentliche Ämter wahrgenommen. Monoman war er schon, und tatsächlich, Gefängnisaufenthalte machen einen Menschen auch nicht geistig gesunder. Ibn Battūtas Aussage drückt vielleicht aus, wie sehr Ibn Taimīya damals als Außenseiter und Exzentriker wahrgenommen wurde. Nach seinem Tod hatte er im Mamlukenreich ein bescheidenes aber stetiges Publikum.

.
Dschihad später
Um 1500 eroberte das türkische Osmanenreich die arabische Welt; Teile Südosteuropas waren schon zuvor erobert worden. Nach Jahrhunderten der Ruhe fanden jetzt wieder mal „islamische” Eroberungen statt. Diejenigen in der arabischen Welt können die Osmanen nicht als Dschihad verkauft haben; das betraf ja Mitmuslime. Jene in Europa liefen nur zum Teil unter dem Titel Dschihad. Das wichtigere Wort bei den Türken war gaza, arabisch ghazwa, „Kriegszug, raid, excursion into foreign territory“, vgl. gazi, „Kämpfer”. Die Kriegszüge bildeten eine Fortsetzung der Aktivitäten, die seit Jahrhunderten an der syrisch-römischen Grenze stattgefunden hatten (Kafadar 79–80). Dschihad wurde zu der Zeit vielmehr als Verteidigungskrieg aufgefasst. Ab 1700 wurde das Osmanenreich allmählich schwächer und bildete keine Bedrohung mehr für Mittel- und Westeuropa.
Im 19. Jahrhundert wurden die Widerstandskämpfe gegen die Kolonialmächte deutlich als Dschihad geführt (Westsumatra 1821–37, Java 1825–30, Algerien 1839–47, Indien 1857, Sudan 1884, Aceh 1873-1903 u.a.)
Laut alliierter Propaganda habe Deutschland 1914 seine türkischen Verbündeten dazu angespornt den Ersten Weltkrieg zum Dschihad zu erklären, damit die türkischen Soldaten besser kämpfen („Holy War Made in Germany“). Dies wurde von deutscher Seite empört geleugnet. Wie es wirklich war, ist, glaube ich, immer noch nicht ganz geklärt. Jedenfalls war der Erste Weltkrieg der letzte Dschihad. Danach hat es kein sunnitisches islamisches Staatsoberhaupt mehr gegeben, das einen hätte ausrufen können.
Generell kann man sagen, dass der Dschihad jahrhundertelang in der islamischen Welt kaum ein Thema war. Er erstand im 19. Jahrhundert auf und geriet auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Mode, allerdings hauptsachlich als Gesprächsthema. Nur terroristische Gruppierungen nennen ihre Angriffe Dschihad; allerdings mit zweifelhafter Legitimität, denn Dschihad setzt die Existenz eines islamischen Staats und eines Kalifen voraus. Die Schiiten in Iran haben den Dschihad erst kurz vor der islamischen Revolution für möglich erklärt; Khomeini hat ihn im 1. Golfkrieg auch ausgeführt.
.
Ist der Islam kriegerisch?
Die Frage ist hirnrissig, denn „den“ Islam gibt es nicht, und Abstrakta führen keine Kriege. Aber weil sie in den heutigen Debatten oft in dieser Form gestellt wird, hier mal ein kurzer Überblick der vom arabischen bzw. islamischen Gebiet ausgegangenen Aggression, sei es Dschihad oder nicht. Innerislamische Kriege und Konflikte werden hier nicht aufgezählt.

Offensiv:
– Arabische Eroberungen, ± 632 – 750.
– Türkische Eroberungen in Klein-Asien, 1068 – 1453.
– Türkische Eroberungen in Europa, ± 1385 – 1700.
– Korsaren. Höhepunkt 17. Jh.: Nordafrikanische Piraten plünderten oder erpressten europäische Handelsschiffe im Auftrag ihrer Regierungen.
– Der 1. Weltkrieg, ein erklärter Dschihad. Das Osmanische Reich kämpfte an deutsch-österreichischer Seite.
– Islamistischer Terrorismus, ± 1990 — .

Defensiv:
– Widerstand gegen die Kreuzfahrer, ± 1140–1300.
– Widerstand gegen koloniale Eroberer, ± 1830–1962.
– Widerstand gegen die UdSSR in Afghanistan, ± 1979–1992.
– Widerstand der Palästinenser gegen Israel, intifāda, ± 1970— .

Von Indien und Pakistan weiß ich zu wenig. Bemerkenswert ist, dass der Islam im großen Indonesien von Händlern, nicht von Soldaten verbreitet worden ist.
Bestimmt habe ich noch etwas vergessen, aber offensichtlich war die Kriegslüsternheit in den islamischen Teilen der Welt nicht größer als anderswo. Auch unter einander haben Muslime sich genau so bekämpft wie andere Menschen. Kein Wunder auch; es sind ja Menschen! Behauptungen, „der“ Islam sei besonders kriegslüstern, oder im Gegenteil der Inbegriff der Friedfertigkeit, sind unsinnige Propagandasprüche, die keine Debatte wert sind.

.

Saiyid Qutb
Saiyid Qutb (1906–1966) war der Star des ägyptischen Salafismus und das große Vorbild für viele militante Muslime unserer Zeit. Er studierte am Dār al-‘ulūm, der pädagogischen Hochschule in Kairo, an der Volksschullehrer ausgebildet wurden. Er wurde Beamter im Erziehungsministerium, war literarisch aktiv als Kritiker, aber schrieb auch den (sehr verklemmten) Liebesroman Ashwāk. Anfangs war er keineswegs anti-westlich, sondern versuchte Elemente aus Christentum und Marxismus mit dem Islam zu versöhnen. Ein ihm aufgezwungener Amerika-Aufenthalt ängstigte ihn sehr und bewirkte bei ihm den Durchbruch „antiwestlicher“ Gefühle. Er wurde Muslimbruder und befürwortete einen islamischen Staat, in dem die Scharia das einzige Recht sein sollte und die Souveränität nicht etwa bei dem Volk, sondern bei Gott liegen sollte. Wer dessen Vertreter auf Erden sein würde, bleibt unklar. Mit Ibn Taimīya hatte Qutb gemeinsam, dass auch er im Gefängnis einen 30-bändigen Korankommentar schrieb (Fī zilāl al-qur’ān; Im Schatten des Korans); mit Hasan al­-Bannā, dem Gründer der Muslim Brüder, dass er als Grundschullehrer ausgebildet war und, dank der ägyptischen Geheimpolizei, als Märtyrer starb. Er übernahm Ibn Taimīyas Auffassung vom Dschihad.

BIBLIOGRAPHIE

Generell
– Albrecht Noth, Heiliger Krieg und Heiliger Kampf in Islam und Christentum, Bonn (Röhrscheid), 1966.
– Émile Tyan, ‘Djihād,’ in EI2.
– [mehrere Autoren], ‘Ḥarb,’ in EI2.
– Ruven Firestone, Jihād. The Origin of Holy War in Islam, New York 1999.
– David Cook, Understanding Jihad, Berkeley/Los Angeles/London 2005.

Kampf und Krieg im Koran
– Patricia Crone, „War,“ in EQ.
– Ella Landau­-Tasseron, „Jihad,“ in EQ.
– Chase F. Robinson, „Conquest,“ in EQ.
– Rizwi Faizer, „Expeditions and battles,“ in EQ.

Ribāṭ­-Kämpfer und Märtyrer
– ʿAbdallāh ibn al­-Mubārak, Kitāb al­-ǧihād, Tunis 1972 u.a. [nicht übersetzt. Arabisch auch im Internet zu finden.]
– J. Chabbi, „Ribāṭ,“ in EI2.
– E. Kohlberg, „Shahīd,“ in EI2.
– W. Raven, „Martyrs,“ in EQ.
– M. Jarrar, „The martyrdom of passionate lovers. Holy war as a sacred wedding,“ in A. Neuwirth et al. (hrsg.), Myths, historical archetypes and symbolic figures in Arabic literature. Towards a new hermeneutic approach, Beirut 1999, S. 87–107.
– D. Talmon-Heller, „Muslim martyrdom and quest for martyrdom in the crusading period,“ in Al-Masaq. Islam and the Medieval Mediterranean, 14 (2002), S. 131–139.

Kreuzzüge
– Peter Thorau, Die Kreuzzüge, München 20042.
– Nikolas Jaspert, Die Kreuzzüge, Darmstadt 20042.
– Caroline Hillenbrand, The Crusades. Islamic Perspectives, Edinburgh 1999. [Das beste Buch zu den Kreuzzügen aus islamischer Sicht.]
– [Usāma ibn Munqiḏ, Kitāb al­-iʿtibār:] Die Erlebnisse des syrischen Ritters Usāma ibn Munqiḏ. Unterhaltsames und Belehrendes aus der Zeit der Kreuzzüge, übers. Holger Preißler, Leipzig/Weimar 1981, oder Usâma ibn Munqidh, Ein Leben im Kampf gegen Kreuzritterheere, übers. G. Rotter, Tübingen/Basel 1978 [Ich weiß nicht, welche Übersetzung besser ist.] .

Ibn Taymīya
– H. Laoust, „Ibn Taymīya,“ in EI2.
– D. P. Little, „Did Ibn Taimyya have a screw loose?“ Studia Islamica 41 (1975), S. 93-111.

Anfang Neuzeit
– Cemal Kafadar, Between two worlds. The construction of the Ottoman State, Berkeley/Los Angeles 1996.
– R. Peters, Islam and Colonialism. The doctrine of Jihad in Modern History, Amsterdam 1979.

1. Weltkrieg
– Stefan Buchen, Kaiser Wilhelms heiliger Krieg. Deutsche erfanden den weltweiten Jihad. TV Sendung 12.Mai 2005.
– Peter Heine, „C. Snouck Hurgronje versus C. H. Becker. Ein Beitrag zur Geschichte der angewandten Orientalistik,“ Die Welt des Islams 23 (1984), S. 378–387.
– Wolfgang Schwanitz, „Djihad ‘Made in Germany“: Der Streit um den Heiligen Krieg 1914–1915,“ in Sozial. Geschichte. Zeitschrift für historische Analyse des 20. und 21. Jahrhunderts , 18 (2003), S. 7–34. [Der Autor scheint etwas einseitig.]
– Wolfgang Schwanitz, Die Berliner Djihadisierung des Islam. Wie Max von Oppenheim die islamische Revolution schürte, KAS Auslandinformationen 10/2004.
– C. Snouck Hurgronje, The Holy War, Made in Germany, London/New York 1915.

Sayyid Quṭb und später
– J. J. G. Jansen, „Sayyid Ḳuṭb,“ in EI2.
– Sabine Damir-Geilsdorf, Herrschaft und Gesellschaft. Der islamistische Wegbereiter Saiyyd Quṭb und seine Rezeption, Würzburg 2003.
– Gilles Kepel, Der Prophet und der Pharao, München 1995.
– Gilles Kepel, Das Schwarzbuch des Dschihad. Aufstieg und Niedergang des Islamismus, München 2002.

Diakritische Zeichen: ǧihād, ǧāhada, muǧāhid, ribāṭ, šahīd, šuhadāʾ, Muwaṭṭaʾ, Ṣaḥīḥ, Īlġāzī, Ṣalāḥ ad-Dīn al-Ayyūbī, Rašīd Riḍā, Quṭb, Ḥarrān, Ibn Baṭṭūṭa, šay’ fī ‘aqlihi, ġazwa, Ašwāk, Fī ẓilāl al-qurʾān, Ḥasan al­-Bannā, intifāḍa.

Zurück zum Inhalt