Paradies: Wein

Während, oder gerade weil, der Koran nach der gängig gewordenen Interpretation das Weintrinken verbietet, ist dieser im Paradies reichlich vorhanden. Es gibt dort Flüsse von Wasser, Wein, Milch und Honig.1
Flüsse von Wein: einen Augenblick kommen vielleicht Zweifel an der Qualität auf? Aber nein, die Frommen bekommen aus verschlossenen Krügen einen hervorragenden Wein gereicht: „Sie erhalten versiegelten edlen Wein zu trinken, dessen Siegel aus Moschus besteht, […] und dessen Mischwasser von Tasnīm kommt, von einer Quelle, an der diejenigen trinken, die [Gott] nahestehen.“2 Ob ausgerechnet sie dieses Tröpfchen zu schätzen wissen? In einem anderen Vers ist die Rede von einem [Getränk,] „von dem sie weder Kopfweh bekommen noch betrunken werden.“3
Der Wein wird von „ewig jungen Knaben“ herumgereicht; wer sie sieht, meint, „sie seien ausgestreute Perlen.“4
Wie kann Wein auf Erden verboten und im Paradies erlaubt sein? Auf diese Frage hat unter anderen der Rechtsgelehrte Ibn Dāwūd al-Iṣbahānī eine Antwort: Der Wein im Paradies hat offensichtlich andere Eigenschaften und ist deshalb anderer Natur als der Wein auf Erden.
Braucht man dazu einen Juristen? Der Gegensatz zwischen unserer Welt und dem Paradies ist ohnehin offensichtlich, wie in der Bibel auch. Aber während die Bibel auflistet, welches Elend dort nicht ist: „keinen Hunger und keinen Durst, keine Hitze, keine Tränen; keinen Tod, noch Leid, noch Geschrei, noch Schmerz,“ 5 ist der Koran positiver und konzentriert sich auf das, was im Paradies vorhanden ist: Wasser, Milch, Wein, Honig, *Houris, Obst, Geflügel und kostbar eingerichtete Wohnungen. Im alten Arabien waren die meisten dieser Sachen nicht oder nur mit viel Mühe erhältlich. Der Wein war notorisch schlecht und sogar an Milch und Wasser mangelte es manchmal. Die Paradiesbewohner dagegen können darüber reichlich und mühelos verfügen.

ANMERKUNGEN
1. Koran 47:15.
2. Koran 83:25–28.
3. Koran 56:18–19.
4. Koran 56:17; 76:19.
5. Bibel, Offenbarung 7:16–17; 21:4.

Mehr lesen:
– Kathryn Kueny, „Wine,“ in EQ.
– J.D. MacAuliffe, „The Wines of Earth and Paradise. Qurʾānic proscriptions and promises,“ in: R.M. Savory und D.A. Agius (hg.), Logos islamikos. Studia islamica in honorem Georgii Michaelis Wickens, Toronto 1984, 159–74.

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Ibn Dawud als Rechtsgelehrter: Wein

(Übersetzter Text)

Ein gewisser Kalif,1 dessen Vernunft durch die Betrunkenheit der Lüste benebelt ist, wird vielleicht sagen: „Wie kann [Wein] verboten und tadelnswert sein und zur gleichen Zeit lobenswert, obwohl doch seine Substanz (ʿayn) ein und dieselbe ist und die Scharia ihn nicht für verboten erklärt?“ Man könnte ihm entgegen halten: „Der Wein, der in dieser Welt tadelnswert ist, ist nicht derselbe wie der Wein, der im Jenseits lobenswert ist, denn diejenigen, die ihn dort trinken, bekommen weder Kopfweh noch werden sie betrunken.2 Jener Wein führt nicht zu Aggression oder Hass, und wird niemanden davon abhalten, Gott zu gedenken oder von seinen Ordnungen ablenken. Aber der Wein hier tut das alles schon, und deshalb ist der Wein in dieser Welt tadelnswert und der im Jenseits lobenswert.“ 3

ANMERKUNGEN:
1. Baʿḍ al-ḫulafāʾ: gemeint ist vielleicht Ibn al-Muʿtazz, ein Zeitgenosse des Autors, der einen Tag lang Kalif war und eine freizügige Abhandlung zum Weintrinken geschrieben hat: (Fuṣūl al-tamāṯīl, Cairo 1925). Oder soll man statt al-ḫulafāʾ vielmehr al-ḫulaʿāʾ lesen, „ausschweifend, liederlich“? Aber das Wort hatte meines Wissens zu der Zeit noch nicht diese moderne Bedeutung.
2. Koran 56:19.
3. Muḥammad ibn Dāwūd al-Iṣbahānī, Kitāb al-Zahra, Kap. 81.

فلعل بعض الخلفاء أن يغلب على عقله سكرة الأهواء فيقول: كيف تكون محرمة مذمومة وممدوحة، وعينها واحدة، ولم تأت الشريعة بتحريمها؟ فيقال له: الخمر المذمومة في هذه الدار غير الخمر المدوحة في تلك الدار، لأن أصحاب تلك الدار لا يصدعون عنها ولا ينزفون منها، وتلك لا توقع العداوة والبغضاء، ولا تصد عن ذكراه وعن فرضه. وهذه الخمر تفعل جميع ذلك، فلهذه العلل صارت الخمر في الدنيا مذمومة وفي الآخرة ممدوحة.

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Kitab al-Azama: Kosmos, Hölle, Paradies

To the Kitab al-Azama website

Gelegentlich arbeite ich an der kritischen Ausgabe eines anonymen arabischen Textes: das Kitāb al-‘Azama. Auf Sparflamme habe ich schon angefangen. Das vielleicht achthundert oder tausend Jahre alte Buch handelt von Kosmos, Hölle, Paradies und noch einigem mehr. Ich verfüge über Kopien einiger (nicht aller) Handschriften. Lange habe ich diesen Text in Buchform herausgeben wollen. Aber das wäre eine riesige Arbeit, und das Ergebnis wäre ein fettes und kostspieliges Buch. Wer würde das kaufen? Das Publikum wäre wohl nicht bereit € 200 zu bezahlen für ein wissenschaftliches Buch. Überdies ist das Kitāb al-‘Azama ein ziemlich schlampiger Text, für den eine allzu präzise wissenschaftliche Ausgabe vielleicht zu viel Ehre wäre.
Deshalb beabsichtige ich das Buch in einer halbkritischen Ausgabe im Internet darzubieten. Mittlerweile habe ich dazu eine separate Webseite aufgemacht. Ein Vorteil einer Veröffentlichung im Netz ist, dass ich sie bruchstückweise unternehmen kan; sie muss nicht gleich fertig und perfekt sein. Während der Entstehung werde ich die Textausgaben und Übersetzungen verfeinern, Fehler korrigieren und die befolgte ‘Methode’ gegebenenfalls noch verbessern. Und vor allem: ich bleibe dabei entspannt. So ist es nicht wirklich Arbeit.
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Sie können bei mir in die Küche schauen, aber Sie müssen nicht. Ich finde das manchmal peinlich, aber ich bitte Sie zu berücksichtigen, dass es ein work in progress ist. Sie werden in den Übersetzungen chaotische Sätze vorfinden, aber die gibt es auch haufenweise im Original.
Die Übersetzungen und die Studie werde ich auf Englisch anbieten, damit sie im nächsten halben Jahrhundert nicht von nur drei, sondern vielleicht von zwanzig Menschen gelesen werden! Den Zwanzig rate ich: wenn Sie interessiert sind, laden sie herunter, kopieren Sie, was auch immer; denn keiner weiß, wie lange ich hier noch bin und wie lange das Internet noch existieren wird.
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Dass der Text schlampig ist, bedeutet übrigens nicht, dass er uninteressant wäre. Wenn es nur alt genug ist, ist auch das vulgärste Buch interessant. Es gibt einen Einblick in die Gedankenwelt gewisser islamischer Kreise — welcher weiß ich noch nicht.
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Einen ersten Eindruck beschert ein Artikel, den ich 1993 auf Englisch geschrieben habe. Überdies finden Sie hier eine deutsche Übersetzung des Kapitels über das Paradies und zwei Fragmente über die Hölle als Kostprobe.

Diakritische Zeichen: Kitāb al-ʿAẓama

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Der Lohn der Märtyrer

🇳🇱 Junge islamische Märtyrer dürften sich am meisten auf das Paradies freuen wegen des Verkehrs mit den Huris. Eine weit verbreitete Überzeugung ist, dass jeder Märtyrer nach seinem Tod sofort in das Paradies kommt, wo zweiundsiebzig Jungfrauen ihn erwarten.
Maher Jarrar1 hat die Verbindung zwischen Märtyrertod und Huris erforscht in Texten von ‘Abdallāh ibn al-Mubārak (736–797),2 die größtenteils nicht mit einer korrekten Überlieferungskette (Isnad) auf den Propheten zurückgehen und daher für Muslime keine große Autorität besitzen. Trotzdem haben diese und ähnliche Texte durch die Jahrhunderte Männer von himmlischen Bräuten für tapfere Krieger träumen lassen, auch in Zeiten, als es gar keinen Krieg gab. In manchen dieser Texte äugeln die Huris bereits auf dem Schlachtfeld mit den Kämpfern.
Nicht auszuschließen ist jedoch, dass die Märtyrer nach ihrem Tod gerade in diesem Punkt schlecht wegkommen werden. Der Koran bleibt vage in Bezug auf das Wie und Wann der Belohnung für ihren kriegerischen Einsatz. An verschiedenen Stellen im Koran werden die Paradiesjungfern erwähnt, aber nicht speziell in Verbindung mit Märtyrern. Die Rede ist von einem gewaltigen Lohn, von Barmherzigkeit und Vergebung, und vom Paradies; die Märtyrer werden zu Gott versammelt werden (K. 3:158). Aber das alles wird auch den anderen Gläubigen zuteil. Das wirklich Besondere ist, dass die Märtyrer nicht tot sind:

  • Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind. Nein, sie sind lebendig, und ihnen wird bei ihrem Herrn Lebensunterhalt gegeben.“3

Die Auslegung und die Hadithe des Propheten zu diesem Thema sind nicht einstimmig. Der Gedanke, dass Märtyrer sofort nach ihrem Tode ins Paradies eintreten werden, ist alt, wie eine Passage bei Ibn Ishāq (704-767) beweist. Als die Muslime eines Tages das kostbare Gewand eines besiegten Kleinkönigs bestaunten, sagte der Prophet:

  • „Findet ihr das schön? Bei Ihm, in dessen Hand mein Leben ist: die Servietten von Sa‘d ibn Mu‘ādh im Paradies sind viel schöner!“ 4

Sa‘d war ein Märtyrer, denn er war kurz zuvor an einer Kriegsverletzung gestorben. Von Huris wird hier nicht gesprochen; Sa‘d sitzt offenbar an einem Festgelage. In der als kanonisch geltenden Hadithliteratur, die von allen frühen Texten außer dem Koran unter Muslimen das meiste Prestige hat, kommen diese zweiundsiebzig Huris nur einmal vor:

  • Der Prophet hat gesagt: „Ein Märtyrer hat sechs Verdienste bei Gott: Ihm wird beim ersten Blutschwall Vergebung gewährt, ihm wird sein Platz im Paradies gezeigt,5 er wird vor der Bestrafung im Grabe geschützt, er ist vor dem allergrößten Schrecken6 sicher, ihm wird die Krone der Würde aufgesetzt, deren Rubin prachtvoller ist als die ganze Welt und was darin ist, ihm werden zweiundsiebzig großäugige Huris geschenkt und er wird für siebzig Verwandten zum Fürsprecher gemacht.” 7

Der Augenblick, in dem die Märtyrer mit diesen Huris vereinigt werden sollen, bleibt unklar. Der Text ist ein sogenannter Sammelhadith: Hier wird eine Anzahl von Verdiensten der Märtyrer so summarisch aufgelistet, dass jeder einzelne an anderer Stelle wohl ausführlicher besprochen worden sein muss. In den kanonischen Hadithsammlungen hat das jedoch keine Spuren hinterlassen. Es gibt nur einen Hadith, der um 800 mit einem unvollständigen, um 850 auch mit einem vollständigen isnād überliefert wird: Als in Anwesenheit des Propheten einmal über Märtyrer geredet wurde, sagte er:

  • „Das Erdreich ist noch nicht trocken vom Blut eines Märtyrers, da kommen schon seine beide Gattinnen herbeigeeilt, wie Kamelstuten, die ihre Jungen in einem weiten Land verloren haben. Jede von beiden erscheint in einem Gewand, das prachtvoller ist als diese ganze Welt und was darin ist.“ 8

Hier werden also nur zwei Frauen erwähnt, die zwar sofort nach dem Martyrium zur Verfügung stehen, aber deren Verlangen nach den Märtyrern mit dem Mutterinstinkt (!) von Kamelstuten verglichen wird.

Mindestens so weit verbreitet wie die Hadithe bezüglich der sofortigen Aufnahme ins Paradies ist die Auffassung, dass die Märtyrer nach ihrem Tod nicht sofort dorthin gehen. „Die Märtyrer sind an der Bāriq,“ heißt es bei Ibn Ishāq, „ein Fluss beim Paradiestor, in einem grünen Rundzelt, und ihren Lebensunterhalt bekommen sie morgens und abends aus dem Paradies.“ 9 Dies scheint eine Art Warteraum für das jüngste Gericht zu sein. In dieser Vorstellung existiert das Paradies schon, aber es ist noch nicht zugänglich. Der Koranausleger at-Tabarī (839–923) weiß es genau:

  • Sie sind bei ihrem Herrn, sie werden ernährt mit den Früchten aus dem Paradies und sie riechen dessen Brise, aber sie sind nicht darin. Ihr Privileg in dem Zwischenzustand (barzakh) ist, dass sie ernährt werden mit Paradiesnahrung, die vor der Auferstehung niemand außer ihnen zu essen bekommt.

At-Tabarīs Auffassung wird durch den sogenannte „Vogelhadith“ gestützt. Dieser ist in zahlreichen Fassungen mit und ohne anerkannten Überlieferungskette überliefert worden. Eine kurze Fassung lautet:

  • Die Seelen der Märtyrer befinden sich in der Gestalt weißer Vögel, die sich von den Paradiesfrüchten ernähren.11

Und eine längere Fassung, die wahrscheinlich älter ist:

  • Der Prophet hat gesagt: „Als eure Brüder in Uhud gefallen waren, tat Gott ihre Seelen in das Innere grüner Vögel, die aus den Flüssen des Paradieses trinken, von seinen Früchten essen und nisten in goldenen Lampen im Schatten von Gottes Thron. Als sie den Wohlgeruch ihres Essens und ihrer Getränke rochen und die schöne Stätte ihrer Mittagsruhe gewahr wurden, sagten sie: ‘Ach, wenn doch unsere Brüder wüssten, was Gott uns getan hat, so dass sie den Dschihad nicht aufgeben und nicht vor dem Kampf zurückschrecken.‘ Dann sagte Gott: „Ich werde ihnen von euch berichten.“ Darauf offenbarte Er: „Meine nicht, dass diejenigen, die für Gottes Sache gestorben sind, tot sind“ … (folgt der Rest des Verses).12

Nach diesem Text suchen die Märtyrer in diesen Vögeln oder durch sie Nahrung im Paradies, wo sie sogar Siesta halten, aber sie wohnen dort nicht. Ihr Aufenthaltsort ist sehr nahe bei Gott; vielleicht ist es dort sogar besser als das Paradies. Huris gibt es an dem Ort bestimmt nicht, aber in ihrem Zustand hätten sie wohl kaum Bedürfnis danach.

Wie wird es übrigens den Märtyrerinnen vergehen? Die Tschetschenische Terroristin, die 2002 im dem Moskauer Theater von der russischen Polizei getötet wurde, wird vielleicht da oben mit ihrem Gatten vereint, der ja auch getötet wurde. Aber unverheiratete palästinensische Mädchen, die sich und einige Mitmenschen „für Gottes Sache“ in die Luft jagen, worauf können die sich freuen? In einem mehrfach preisgekrönten Dokumentarfilm von Dan Setton und Helmar Büchel: In Gottes Namen: Die Rekruten des heiligen Krieges, wird kleinen pakistanischen Mädchen in der Schule erzählt, dass Märtyrerinnen ins Paradies kommen. Dazu wird jedoch nicht gesagt, wann das sein wird, und ebenso wenig, dass sie dorthin als normale Gläubige auch kommen würden. Eine ältere Frau im Film erwartet etwas ganz Konkretes: sie glaubt, dass die zweiundsiebzig Huris ihr im Haushalt helfen werden. Die Hadithe des Propheten haben weibliche Märtyrer einfach nicht vorgesehen. Auf dem Schlachtfeld sollen die Frauen Wasser reichen und die Verletzten versorgen. Von der Kriegsbeute bekommen sie auch nichts; bestenfalls eine kleine Aufmerksamkeit, wie die Sklaven auch.13

Der Lohn der Märtyrer ist also in den maßgebenden Texten des Islam nicht eindeutig festgelegt, und der der Märtyrerinnen noch weniger. Frauen halten sich vielleicht am besten an dem „Vogelhadith“, die ihnen wenigstens Rechtsgleichheit von Mann und Frau bietet.

ANMERKUNGEN
1. Maher Jarrar, „The martyrdom of passionate lovers. Holy war as a sacred wedding,“ in Angelika Neuwirth et al. (hrsg.), Myths, historical archetypes and symbolic figures in Arabic literature. Towards a new hermeneutic approach, Beirut 1999, 87–107.
2. ‘Abdallāh ibn al-Mubārak, Kitāb al-Djihād, Tunis 1972@, Dschidda o.J. und online.
3. K. 3:169; auch 2:154.
4. In: Das Leben Muhammed’s nach Muhammad Ibn Ishâk, bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hg. Ferdinand Wüstenfeld, Göttingen 1858-60, S. 903. In der Übersetzung von Alfred Guillaume, The Life of Muḥammad, Oxford 1955, sind die Seitenzahlen dieser Ausgabe am Rande gedruckt.
5. Vgl. Koran 47:6, … in den Garten, den Er ihnen zu erkennen gegeben hat. Siehe auch die Paradiesbeschreibung hier.
6. Der jüngste Tag.
7. At-Tirmidhī (825–892), Fadāʾil al-djihād 25; vgl. Ahmad ibn Hanbal (780–855), Musnad iv, 131; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2799.
8. ‘Abd ar-Razzāq as-San‘ānī, Musannaf, Beirut 1972, 19832, no. 9561 (‘Abd ar-Razzāq lebte von 744– 827; seine Traditionssamlung ist lange unbeachtet geblieben); Ahmad ibn Hanbal, Musnad ii, 297, 427; Ibn Mādja (824–887), Djihād 16/2798.
9. Ibn Ishāq, o. c. 605; bei Ahmad ibn Hanbal, Musnad i, 266 ist dies ein Hadith des Propheten.
10 At-Tabarī, Tafsīr zu Koran 2:154.
11. ‘Abd ar-Razzāq as-Sanʿānī, Musannaf no. 9553.
12. Ibn Ishāq, o. c. 604–5; Muqātil ibn Sulaimān (gest. 767), Tafsīr, Kairo 1979, i, 314; at-Tabarī, Tafsīr zu Koran 3:169; Abū Dāwūd, Djihād 25.
13. Muslim, al-Djihād was-siyar, 134–142.

Diakritische Zeichen: Ibn Isḥāq, Saʿd ibn Muʿāḏ, aṭ-Ṭabarī, barzaḫ, Uḥud, Ǧihād, at-Tirmiḏī, Faḍāʾil al-ǧihād, Aḥmad ibn Ḥanbal, Ibn Māǧa, aṣ-Ṣanʿānī, Muṣannaf, aṭ-Tabarī

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Paradiesgeflügel

Der christliche Himmel muss wohl stinklangweilig sein, wenn die Engel dort den ganzen Tag tatsächlich nur Palestrina singen. Es gibt dort vor allem vieles nicht: keinen Hunger und keinen Durst, keine Hitze, keine Tränen; keinen Tod, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz.1 Deshalb haben die Christen, um ihre Glaubenslehre herum, noch extra das Schlaraffenland erfinden müssen.2
Im islamischen Paradies ist das voll integriert. Neben schönen Gärten, luxuriösen Gemächern und hinreißenden Frauen, den Huris, gibt es dort reichlich zu Essen. Als Ernährung nennt der Koran Obst und Geflügel—gesundes, bekömmliches Essen also. Zu trinken gibt es aus Flüssen Wasser, Wein, Milch und Honig, und des weiteren gehen Jünglinge umher mit „Humpen und Kannen und einem Becher voll Quellwasser, mit einem Getränk von dem sie weder Kopfweh bekommen noch betrunken werden.“ 3 Die Frage eines vereinzelten Muslim, ob es im Paradies auch Kamele gebe, beantwortet der Prophet in einem schwach überlieferten Hadith etwas ausweichend: „Wenn Gott dich ins Paradies eintreten lässt, wirst du dort finden was dein Herz begehrt.“ 4

„Und Fleisch von Geflügel, wonach immer sie Lust haben,“ heißt es in Koran 56:21. Aber was für Geflügel ist das genau? Diese Art von Fragen pflegten die frühesten Koranausleger sowohl zu stellen wie auch zu beantworten. Merkwürdigerweise haben sie das in diesem Fall nicht getan, und auch der Hadith, die Tradition  des Propheten, schweigt stille. Die Vögel, in denen die Seelen der Märtyrer sich befinden, werden wohl nicht gemeint sein. Die wohnen nicht im Paradies und sind nicht zum Verzehr gedacht. In dem riesigen Baum, der mitten im Paradies steht und in dem nach einem späten Hadith goldene Schmetterlinge sitzen, könnte man sich dagegen gut auch riesige Vögel vorstellen, Ausdrücklich genannt werden sie erst in einem späten Korankommentar: dem von Ibn Kathīr (1300–1373). Er schreibt von Vögeln „mit Nacken wie Schlachtkamele,“ oder „Vögeln so groß wie Trampeltiere, die Nahrung suchen in den Bäumen des Paradieses“.5 Bei Ibn Kathīr wird auch die Wahlmöglichkeit, die der Koranvers anbietet („wonach immer sie Lust haben“) ausgearbeitet: die Vögel, die siebzigtausend Federn haben, jede in einer anderen Farbe, stehen in Reih und Glied; der Gläubige muss bloß einen auswählen und er fällt schon gebraten vor ihm nieder. „Auf seinen Teller,“ fügt eine Textvariante hinzu. Keiner muss sich also vorstellen wie im Paradies Tiere geschlachtet werden, und die Unbequemlichkeit von gebratenen Tauben, die einem in den Mund fliegen, bleibt Muslimen erspart. Nachdem er aufgegessen ist, fliegt der Vogel übrigens unversehrt wieder weg. Im Koran wird gesagt, dass jede aufgegessene Frucht sofort ersetzt wird. In Koran 2:260 wird in einem anderen Kontext über die Auferweckung toter Vögel gesprochen; das auf die Paradiesvögel zu beziehen war kein großer Schritt. Ibn Kathīrs Kommentar ist eine Aneinanderreihung von Hadithen, wenn sie auch als schwach überliefert gelten. In dem anonymen — und undatierten — Kitāb al-‘Azama gibt es einen relativ frühen zusammenhängenden Text über das Paradies:

  • Jedesmal wenn eine Frucht gepflückt ist, kommt sofort eine andere an ihre Stelle und reift sofort, wie sie zuvor an dem Ast war. Auch wenn zehn Früchte gepflückt würden, so würden an ihrer Stelle sofort andere heranwachsen, …(?) zwischen den Flüssen. Auf den Bäumen sitzen Vögel so groß wie Trampeltiere, und der Freund Gottes isst von ihrem Fleisch. Wenn es ihn gelüstet, fällt es vor ihm nieder, so dass er davon essen kann, gegrillt oder gekocht, wie er es wünscht. Es fällt vor ihm nieder durch die Allmacht Gottes, der zu etwas sagt: „Werd“! und es wird. Wenn der Knecht Gottes davon gegessen hat, was er begehrte, und aufstehen will, so ist der Vogel gleich wieder da, lebendig, fett und gar. Dann fliegt er auf, Gott verherrlichend und sagend: „Lobpreis sei Ihm, der mich geschaffen und gegart hat, und mein Fleisch zur Nahrung für Seine gottesfürchtigen Knechte gemacht hat.“ 6

Auch dies ist eine Art der Koranauslegung, aber nicht der (nach damaligen Maßstäben) wissenschaftlichen Sorte. Die Wahl zwischen „gegrillt oder gekocht“ ist neu, wie auch der Lobpreis des wiederbelebten Vogels.
Die vier Wörter, die der Koran dem Paradiesgeflügel widmet, haben also doch die Phantasie der Menschen gereizt, obwohl die „kanonischen“ Hadithe und die früheste seriöse Koranauslegung diese mit Erfolg außen vor gehalten hatten. Die Motive werden allerdings älter sein als Ibn Kathīr (14. Jht.) und al-‘Azama.

Vielleicht hat der Leser über die oben erzählten Einzelheiten lachen müssen. Unsere Lachlust weckt der Vogel, wenn er zubereitet auf den Teller fällt, wenn er nach dem Verzehr lebendig wieder auffliegt und fliegend noch den Herrn lobt. Aber die Autoren haben das wohl nicht witzig gemeint, und ihr Publikum wird nicht darüber gelacht haben. In den Jahrhunderten nach der Entstehung dieser Texte hat sich die Wertschätzung verschoben, von ernstzunehmend nach komisch. (Das Umgekehrte kommt auch vor: Es ist oft schwer, über einen Witz  zu lachen, der tausend Jahre alt ist.)
Sehr bestimmt gelacht hat aber der spöttische arabische Dichter al-Ma‘arrī (973–1058), der über eine Reise durch Paradies und Hölle schrieb, wie es später Dante in Europa tun sollte. Er versucht auch sein Publikum zum Lachen zu bringen, indem er das Thema ad absurdum führt. Erst lässt er einen Paradiesbewohner einen marinierten Pfau verspeisen, der auf einem Teller aus Gold7 „entsteht.“ Das Tier wird nach dem Verzehr wieder sein altes Selbst, was die Anwesenden bewundernd ausrufen lässt:

  • Erhaben ist er, der die Knochen wiederbelebt, wo sie schon zerfallen sind! Das ist ja wie es im heiligen Buch heißt: „Und auch wie da sprach Abraham: Herr, lass mich sehen, wie du belebst die Toten!. […] Sprach er: So nimm vier Vögel und drücke sie an dich, dann leg auf jeden Berg ein Stück von ihnen, dann rufe sie, so kommen sie dir eilend.“ 8 Nun kommt da eine Gans vorbei, so groß wie ein Trampeltier. Einige Leute wünschen sie als Braten — und schon erscheint sie zubereitet auf einem Tisch von Smaragd. Nachdem die Leute von ihr genommen haben, so viel sie wollen, kehrt sie mit der Erlaubnis Gottes in ihre frühere geflügelte Gestalt zurück. Darauf wünschen einige der Anwesenden sie als Spießbraten, andere wollen sie mit dem Sumach-Gewürz zubereitet haben, und wieder andere hätten sie gern in Milch und Essig, und mit noch anderen Gewürzen gekocht – und alsbald wird die Gans so, wie man sie wünscht. Und immer wieder kehrt sie in ihre frühere Gestalt zurück.9

Den komischen Effekt erreicht al-Ma‘arrī durch Konkretisierung und Wiederholung: Der Vogel ist jetzt ein Pfau oder eine Gans geworden; die Rezeptur wird präzisiert und die Gans fährt auf und nieder wie ein Stehaufmännchen.
Der Koran enthält vier Wörter über das Geflügel; je länger der Kommentar, desto komischer ist er. Vielleicht hatten die frühesten Muslime das „Lachpotential“ dieses Motivs gewittert und es deshalb nicht kommentieren wollen?

ANMERKUNGEN
1. Bibel, Offenbarung 7:16–17; 21:4
2. Herman Pleij, Der Traum vom Schlaraffenland, Frankfurt 2000.
3. Der Paradieswein; Koran 56:18–19.
4. Al-Tirmidhī, Sifat al-Djanna 11; Ahmad ibn Hanbal, Musnad V, 352. […] وسأله رجل فقال: با رسول الله هل في الجنة من إبل؟ […] قال: إن يدخلك الله الجنة يكن لك فيها ما اشتهت نفسك ولذت عينك
5. „…die Nahrung suchen in den Bäumen des Paradieses“ ist merkwürdig. Wo sollten sie sonst suchen? Sie wohnen ja dort! Der überflüssig erscheinende Nebensatz kommt auch vor in dem Text über die Vögel, in denen die Seelen der Märtyrer sich aufhalten. Die wohnen unter Gottes Thron, aber fliegen hin und her zum Paradies um dort Nahrung zu suchen. Dort passt der Satz besser. Solche mehrfach eingesetzte „Wandersätze“ kommen häufig vor in der Hadithliteratur.
6. Koran 2:117; 3:59.
7. Teller aus Gold zu benutzen ist nach islamischem Recht verboten. Aber im Paradies ist vieles anders als auf Erde.
8. Koran 2:260.
9. Abū al-‘Alā’ al-Ma‘arrī, Risālat al-ghufrān: übers. G. Schoeler: Al-Ma‘arrî, Paradies und Hölle. Die Jenseitsreise aus dem „Sendschreiben über die Vergebung,“ München 2002, S. 142–3.

[Auch veröffentlicht in zenith, Januar/Februar 2013, und online hier.]

Diakritische Zeichen: Ibn Kaṯīr, Kitāb al-ʿAẓama, Al-Tirmiḏī, Ṣifat al-Ǧanna, Aḥmad ibn Ḥanbal, Abū al-ʿAlāʾ  al-Maʿarrī, Risālat al-ġufrān

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Das Paradies, nach K. al-Azama

Beschreibung des Paradiesgartens und seiner Wonne

Darauf schuf Gott auf der rechten Seite unter dem Thron den Garten, so weit wie die Himmel und die Erde, aus rotem Gold und Silber, aus Perlen, Edelsteinen, Perlen und grünem Smaragd. Er machte dafür acht Tore aus Licht; ihre Nägel sind aus Perlen, die Vorhänge ihrer Tore sind aus grünem Seidenbrokat und ihre Schlüssel sind aus rotem Rubin. Seine Mauer ist abwechselnd aus silbernen und goldenen Bausteinen erbaut. Jedes Tor wird mit einem wohlbekannten Name benannt.
Das erste Tor ist der Garten der Wonne (Koran 26:85).
Das zweite Tor ist die Wohnung des Friedens (6:127; 10:25).
Das dritte Tor ist die Wohnung des ewigen Lebens (41:28).
Das vierte Tor ist die Wohnung des Paradieses (18:107; 23:11).
Das fünfte Tor ist die Wohnung der Majestät (55:27, 78).
Das sechste Tor ist die Wohnung Edens (9:72).
Das siebente Tor ist die Wohnung des Besseren (vgl. 16:30).
Das achte Tor ist die höchstgelegene Wohnung.
Jede dieser Wohnungen hat eine Weite von dreihundert Millionen Jahren, nach unseren Jahren [gemessen]. In jedem Garten schuf Gott achthundert Millionen Städte. In jeder Stadt gibt es achthunderttausend Paläste aus rotem Gold, Perlen, Edelsteinen, rotem Rubin und grünem Smaragd; in jeder Stadt gibt es viertausend Myriaden Wohnungen aus weißem Silber; die Nägel ihrer Tore sind aus rotem Gold. In jedem der Paläste dieser Städte gibt es tausend Zimmer übereinander, (hundert Stockwerke über einander,) und in jedem Stockwerk gibt es tausend Fenster, geflochten aus Gitterstäben von Licht. Vor jedem dieser Fenster steht ein Bett aus rotem Gold, auf jedem Bett siebzig Matratzen aus roter Seide und aus grünem Seidenbrokat, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen, (und die Matratzen sind) über einander ausgebreitet. Auf jeder dieser Matratzen sitzt eine der großäugigen Huris (44:45 u.a.), gekleidet in siebzig unterschiedliche Gewänder, von grün bis rot, aus Kamille und Purpur, durchwoben mit Perlen, Edelsteinen und Korallen.
Die Gesichter dieser Huris sind strahlender als Sonne und Mond; sie haben solche Augen dass, wenn eine von ihnen ein Auge öffnen und den Menschenkindern auf dieser Erde zublinzeln würde, diese aus Sehnsucht nach ihnen stürben. Auf ihrer Stirn trägt sie ein Diadem wie eine strahlende Sonne; an jedem ihrer Unterarme hat sie tausend Armbänder aus rotem Gold, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Das Mark ihrer Unterschenkel ist sichtbar durch ihre Kleider, so dünn ist ihre Haut; und an jedem ihrer Füße hat sie tausend Fußreifen aus rotem Gold. Wenn die Bewohner unserer Erde ihre süße Stimme hören würden, müssten sie aus Sehnsucht nach ihr sterben. Um ihrem Hals hat sie ein Halsband aus Perlen, Korallen, Perlen und purem Gold. Jede ihrer Halsketten strahlt wie ein funkelnder Stern (24:35). Vor jeder Huri sitzen tausend Sklavinnen und tausend Kammerfrauen. Auf der Tür jedes Palastes steht der Name seines Besitzers geschrieben; auf dem Hals jeder Huri ist mit glänzendem Licht der Name ihres Gatten geschrieben: „Ich gehöre dem Soundso, Sohn des Soundso.” Die Länge jedes dieser Paläste ist eintausenddreihundert Jahre, und seine Breite ist eintausendvierhundert Jahre. In jedem Palast gibt es tausend Türen; der Abstand zwischen einer Tür und der nächsten ist fünfzigtausend Jahre. Bei jeder Tür gibt es einen Obstgarten, einhundert Jahre breit. In jedem Obstgarten fließt ein Fluß aus Milch, ein Fluß aus Honig, ein Fluß aus Wasser das nicht faul ist (47:15), und ein Fluß aus Wein, köstlich den Trinkenden. Der Fluß aus Wasser das nicht faul ist bedeutet: nicht trüb, und der Fluß aus Milch, deren Geschmack verändert sich nicht; der Fluß aus Wein ist köstlich für die Trinkenden und der Fluß aus Honig, das ist geklärter Honig (47:15). Am Ufer jedes Flusses sind tausend Lauben aufgeschlagen, und tausend runde Zelte aus grünem Smaragd und rotem Rubin. In jeder Laube steht ein Bett aus rotem Gold, worauf Matratzen aus roter und grüner Seide liegen. In jedem Garten gibt es Früchte in Menge (43:73), was das Herz begehrt und ein Genuß ist zu sehen (43:71). Dort ist was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist.1 Wenn die Paradiesbewohner den Garten betreten, zerstreuen sie sich in ihren Wohnungen, und sie werden von den großäugigen Huris empfangen. Jeder Mensch wird von siebzig Huris empfangen, angetan mit Zierat und Gewändern, geschmückt mit Perlen und Edelsteinen. Jede Huri trägt eine Krone auf ihrem Kopf, hell und strahlend, heller als die Sonne, und das Diadem auf ihrer Stirn ist aus dem Licht des Thrones. Jede Huri hat tausend Kammerfrauen und tausend Sklavinnen bei sich; diese haben Krummstäbe in ihren Händen, womit sie die Schleppen der Kleider der Huris aufheben, damit diese nicht mit Moschus und Safran beschmutzt werden. Jede von ihnen hat in ihrer Hand einen Becher wie das Licht der Sonne, worin Wasser, Milch, Wein und Honig sind, die sich nicht mit einander vermischen. Wenn sie einen Freund Gottes empfangen, schaut dieser auf die Wonne, die Gott ihm bereitet hat, wundert sich über die großäugigen Huris, und fragt: „Für wen sind diese, Herr?” Und Gott sagt: „Für dich, mein Knecht; alles was du siehst, sind deine Gattinnen und deine Frauen. Um deinetwillen habe Ich sie erschaffen, und ob deiner Frömmigkeit und deines Wachens vor meinem Angesicht im Dunkel der Nacht, und deines Ausharrens in Elend und Not (6:42) auf Erden, und deiner Furcht vor meiner Bestrafung. Jetzt mache Ich dich zu einem der sorglos geborgenen (15:46). Ich biete dir Sicherheit vor meiner Bestrafung, und Ich lasse dich wohnen im Haus meiner Großmut, und ich verheirate dich mit siebzig Huris, um dein Glied zu behüten vor Unzucht.” Dann gehen die Huris auf den Freund Gottes zu, mit Bechern in ihren Händen, so dass er alles trinkt vom Trunk, den die großäugigen Huris in den Bechern bei sich haben; und wenn der Freund Gottes das alles getrunken hat, kehren die Huris zu den Palästen zurück, in Freude und Heiterkeit, und betreten ihre Wohnungen. Jede Huri hat eine Wohnung aus purem Gold, und runde Zelte und Lauben. In jeder dieser Wohnungen steht ein Bett aus rotem Gold, besetzt mit Perlen und Edelsteinen und Rubinen, und darauf liegen siebzig Matratzen aus Seide und Brokat (vgl. 18:31 u.a.) übereinander. Und wenn der Freund Gottes sich auf das Bett, das Gott ihm bereitet hat, setzt, treten die großäugigen Huris in ihre Wohnungen ein, alle Türen ihrer Wohnungen in die Richtung des Freundes Gottes öffnend, und setzen sich auf ihre Betten und wenden sich alle zu dem Freund Gottes hin, während dieser auf seinem Bett in der Wohnung sitzt Wenn dem Freund Gottes nach einer von ihnen gelüstet, weiß sie das ohne Zeichen oder Aufforderung. Dann öffnet sie die Tür ihres Zeltes und kommt auf ihn zu, angetan mit Zierat, Gewändern, Anmut, Schönheit, Pracht und Vollkommenheit, wie Gott sagt: die vor ihnen weder Mensch noch Dschinn entjungfert hat (55:56), das heißt: kein Mensch oder Dschinn hat sie vor ihnen berührt. Wenn sie dem Freund Gottes nahe kommt, erkennt er sie, und einmal mit ihr dauert vierzig Jahre, nach unseren Jahren [gemessen]. Dann legt sich seine Lust, während er auf ihrer Brust [liegt] und der Schweiß unter ihr wegströmt, und die Burschen bei ihren Köpfen stehen, mit Taschentüchern aus Seidenbrokat in ihren Händen, um ihnen zuzufächeln, bis sie ihre Lust vollendet haben, vierzig Jahre lang. Dann steht die Huri auf und tritt in ihre Wohnung ein, und eine andere kommt zu ihm, und er hat Geschlechtsverkehr mit ihr, und siehe da, sie ist Jungfrau. Im Akt mit ihr verbringt er abermals vierzig Jahre, nach der Gewohnheit der Ersten. So geht es weiter: die eine geht und eine andere kommt zu ihm, alle Jungfrauen, (56:36), (bis er unter allen die Runde gemacht hat, und er befindet sie alle Jungfrauen, heiß liebend und gleichaltrig (56:36), bis er mit siebzig Huris verkehrt hat; dann werden sie alle wieder Jungfrau wie zuvor […] während der Freund Gottes sich auf seinem Bett zurücklehnt. Burschen, die sie bedienen, machen unter ihnen die Runde, als ob sie wohlverwahrte Perlen wären (52:24), mit Kannen und einem Becher von Quellwasser (56:18), und mit Früchten, was immer sie wünschen (vgl. 56:19, 20). Sie essen und trinken; weder entleeren sie sich noch urinieren sie; weder speien sie noch schneuzen sie sich die Nase, aber sie schwitzen aus ihren Körpern, und statt Harn und Kot tritt ein Schweiß aus, der reiner ist als wohlriechender Moschus und graue Ambra, weil der Boden des Gartens nichts Unreines aufnimmt. Während der Freund Gottes so mit Spiel, Gelächter und Kurzweil mit den großäugigen Huris beschäftigt ist, steigt auf einmal ein rundes Zelt aus Licht nieder, dessen Inneres von außen sichtbar ist. In diesem runden Zelt steht ein Bett aus rotem Gold, worauf siebzig Matratzen aus Seide und Brokat (vgl. 18:31 u.a.) liegen, die eine über der anderen. Oben darauf sitzt eine Huri, deren Licht das Licht der großäugigen Huris überstrahlt, gekleidet in siebzig Gewänder aus Licht. Wenn der Freund Gottes sie anschaut, verwundert er sich über ihre Anmut und Schönheit, wie auch die siebzig großäugigen Huris des Freundes Gottes sich über ihre Güte wundern. Der Freund Gottes fragt: „O Herr, wem gehört diese Frau?” und Gott antwortet: „Rede sie an, mein Knecht, so wird sie dir antworten.” Der Freund Gottes spricht sie an und indem er dies tut, öffnet sie die Tür ihres Zeltes, tritt heraus zu dem Freund Gottes und sagt zu ihm: „Mein Schatz, wie konntest du mich vergessen? Weißt du nicht mehr wie ich mit dir Hunger, Durst und Nacktheit, Jammer und Mißgeschick ausgehalten habe? Habe ich dir nicht gehorcht? Habe ich dich nicht bedient? Habe ich dich nicht geehrt? Habe ich dich nicht ertragen in Freude und Leid? Weißt du das-und-das nicht mehr? Ich bin deine Frau, die dir in der irdischen Bleibe gehorcht hat.” Dann weint der Freund Gottes vor Freude, geht auf sie zu und umarmt sie. Unter ihrem Hals steht geschrieben: „heiß liebend, gleichaltrig (56:36), für diejenigen zur rechten Hand; ihr Name ist Ariba (heiß liebend).” An jedem Vorderarm trägt sie tausend Armbänder aus rotem Gold und an jedem Fuß tausend Fußreifen aus Gold, und auf ihrem Kopf trägt sie eine Krone aus Licht. Wenn die großäugigen Huris sie anblicken, und auf ihre Anmut, Schönheit und schönen Juwelen schauen, sagen sie: „Herr, warum hast Du uns nicht so für den Freund Gottes geschmückt wie sie?” Dann sagt Gott: „Ihr großäugigen Huris, Ich habe meine Magd geschmückt, weil sie in der irdischen Bleibe viel Hitze und Kälte, Hunger, Durst und Angst ertragen hat, und weil sie mir und ihrem Gatten gehorcht hat, und weil sie die Todesqualen erlitten hat, die Finsternis des Grabes, die Furcht der Befragung, und den Schrecken des Tages der Auferstehung; deshalb habe ich sie mehr als euch geschmückt.” Und die großäugigen Huris sagen: „Herr, es steht ihr zu, uns an Schmuck, Anmut und Schönheit zu übertreffen.” Darauf sagen die großäugigen Huris: „Ariba, an diesem Tag gibt es keine Eifersucht unter uns.”
Und ein Herold wird ausrufen: „Bewohner des Gartens, dies ist der Tag der Fröhlichkeit und Freude in der Bleibe der Sicherheit, denn hier ist weder Krankheit noch Tod, noch Siechtum, weder Sorge noch Kummer noch Armut, Angst, Hunger, Durst, weder Müdigkeit noch Nacktheit, Hitze, Kälte, Finsternis oder Elend.”2
Dann gibt Gott jedem Seiner Freunde im Garten ein Gut und Paläste (25:10) und Huris und Burschen und Obstgärten und Gewänder, bis jeder von ihnen sagt: „Ich bin reich, und kein anderer in diesem Garten ist so reich wie ich.” Und diejenigen, die so sprechen sind die Ärmsten, die unter den Paradiesbewohnern das geringste an Gut, und Gattinnen haben; [trotzdem ist es] so, dass keiner von ihnen Eifersucht hegt ob dessen was ihm Gott gegeben hat. Jeder von ihnen hat was kein Auge gesehen hat und kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist,1 an einem Ort dessen Speise beständig ist und sein Schatten. Das ist der Lohn für die Gott fürchten (13:35), und dicht über ihnen hängen die Früchte nieder (69:23). Das Obst an den Bäumen hängt herunter, um gepflückt zu werden, durch die Allmacht Gottes, und kommt zu der Hand desjenigen, der es begehrt, so dass er essen kann. Jedesmal, wenn eine [Frucht] gepflückt ist, kommt sofort eine andere an ihrer Stelle und reift sofort so wie die, die zuvor an dem Ast war. Auch wenn zehn Früchte gepflückt würden, so würden an ihrer Stelle sofort andere heranwachsen,…(?) zwischen den Flüssen. Auf den Bäumen sitzen Vögel [so groß] wie Trampeltiere, und der Freund Gottes isst von ihrem Fleisch. Wenn es ihm gelüstet, fällt es vor ihm nieder, so dass er davon essen kann, gebraten oder gekocht, wie er es wünscht. Es fällt vor ihm nieder durch die Allmacht Gottes, der zu etwas sagt: „Werd’! und es wird” (2:117; 3:59 a.o.). Wenn der Knecht [Gottes] davon gegessen hat, was er begehrte, und aufstehen will, so ist der Vogel gleich wieder da, lebendig, fett und gar. Dann fliegt er auf, Gott verherrlichend und sagend: „Lobpreis sei Ihm, der mich geschaffen und gegart hat, und mein Fleisch zur Nahrung für Seine gottesfürchtige Knechte gemacht hat.”

Quelle ist das anonyme Kitāb al-‘Azama, das sich nicht genau datieren lässt, aber Tausend Jahre alt sein könnte. Die arabische Textausgabe von Kamal Abu Deeb (London 2007), S. 148–156, hat eine arabische Version, die nicht ganz identisch ist mit der, die hier übersetzt worden ist. Darüber und über das Buch hier  mehr. Die Koranzitate und -fragmente nach Friedrich Rückert sind kursiv gedruckt.

ANMERKUNG
1. Ein hadith des Propheten, Buḫārī, Tawḥīd 35 u.v.a.; vgl. 1. Korinther 2:9.
2. Vgl. Bibel, Offenbarung, 7:16–17; 21:4.

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