Das islamische Bilderverbot

Sie sind wieder da: geköpfte Schaufensterpuppen in afghanischen Bekleidungsgeschäften (Abb.1). Aber nicht nur Frauenbilder schänden die an die Macht zurückgekehrten Taliban. Auch bei Männerbildern werden die Köpfe entfernt oder geschwärzt, etwa auf Werbeplakaten für Bodybuilding-Studios. Körperlichkeit an sich ist offenbar kein Problem, denn bis auf einen winzigen Slip sind solche Männer nackt – nur die Köpfe fehlen und somit das Leben.

Die Taliban wollen damit die strikte Einhaltung des vermeintlichen islamischen Bilderverbots demonstrieren.. Tatsächlich gab es in islamischen Umgebungen von alters her Vorbehalte gegen die Darstellung beseelter Lebewesen, insbesondere von Menschen. In sunnitischen Moscheen gelten solche Darstellungen bis heute als unerwünscht, und Porträts des Propheten Mohammed und seiner Gefährten sind auch außerhalb der Moschee problematisch, aber nicht ganz unmöglich. Die generelle Abneigung gegen alles Bildliche, sofern sie jemals existiert hat, ist nach der Erfindung der Fotografie jedoch fast widerstandslos abgeschafft worden; sogar die frommsten Prediger lassen sich ablichten (Abb. 2).  

Im Koran gibt es auch kein solches allgemeines Verbot. Zwar wettert die Schrift gegen Götzenbilder (tamāthīl), aber das ist noch kein generelles Bilderverbot. Gab es im 7. Jahrhundert überhaupt noch Götzenbilder? → Hawting ist der Meinung, dass es mit dem Heidentum in 5. Jahrhundert wohl getan war und → Crone hat gezeigt, dass Götzenbilder im Koran nur in historischen Kontexten vorkommen, zum Beispiel in den Erzählungen über Ibrāhīms Kampf gegen die Götzen.

Hadithe sind diejenigen Texte, in denen Bilder (ṣūra/ṣuwar/taṣāwīr, auch tamāthīl) verpönt werden, freilich oft nur bedingt. Eine Übersicht aller Texte zum Thema in vielen Hadith-Sammlungen bietet → Van Reenen, The ‚Bilderverbot‘. Er hat nicht weniger als 325 Hadithe zum Thema gesammelt und beispielhaft klassifiziert und analysiert. Darunter sind aber viele Dubletten und Varianten – letztlich handelt es sich um wenige Basistexte. Nachfolgend einige Beispiele, die ich jeweils in der kürzesten Fassung zitiere:

  • Der Prophet hat gesagt: Engel betreten kein Haus, in dem sich ein Hund oder eine bildliche Darstellung befindet.1

Die Erwähnung des Hundes macht deutlich, um was es hier geht: So ein Haus ist unrein, ungeeignet für das Gebet..

  • Aischa erzählte: Eines Tages, als ich einen Vorhang mit Darstellungen von Lebewesen (tamāthīl) vor eine Nische aufgehängt hatte, kehrte der Prophet von einer Reise zurück. Als er ihn sah, zerriss er ihn und sagte: „Diejenigen, die am Tag des Gerichts die schwerste Strafe bekommen, sind diejenigen die Gottes Schöpfung nachahmen!“ Wir machten daraus ein (oder zwei) Kissen.2

So musste das Gebet nicht vor solchen Abbildungen verrichtet werden und man konnte seine Verachtung dafür ausdrücken indem man sich darauf setzte.

  • Ich habe Mohammed sagen hören: Wer in dieser Welt ein Bild (ṣūra) macht, den wird am Jüngsten Tag beauftragt, ihm Leben einzuhauchen, und das wird er nicht können.3

Gemäß dem Koranver 59:24 ist nur Gott muṣawwir, also „derjenige, der ein Bild (ṣura) macht“. Auch hier ist der Punkt, dass der Mensch sich nicht anmaßen sollte, Gottes Schöpferkraft nachzueifern.
In einigen Hadithen wird auch berichte, dass der Prophet Bilder, die sich auf und in der Ka‘ba befanden, vernichten ließ. Manchen Texten zufolge durfte jedoch eine Madonna mit Kind verschont bleiben.4

Unter den ersten Kalifen gab es das Bilderverbot offensichtlich noch nicht. Münzen lügen nicht: Im westlichen Teil des arabischen Reiches wurden weiterhin römische Münzen mit Kaiserbild verwendet, manchmal sogar mit drei Kaisern. In Persien gab es persische Münzen mit Kaiserbild und auf dem Revers einem Feueraltar mit zwei Priestern. Bei Nachprägungen wurden Kreuze entfernt und islamische Formeln hinzugefügt, aber die Kaiserbilder wurden nicht entfernt. Kalif ‘Abd al-Malik (reg. 685–705) ließ als erster muslimischer Herrscher sich selbst auf seinen Münzen darstellen, mit Schwert und Peitsche, damit jeder wüsste, was für eine Art Herrscher er sei (Abb. 3). 696 ließ er aber Golddinare nur mit Texten prägen: Sie enthielten einen Koranvers, das Glaubensbekenntnis und eine Jahreszahl (Abb. 4). Woher dieser Sinneswandel kam ist unklar — war der Kalif vielleicht verärgert, weil der römische Kaiser Justinian II (reg. 685–695, 705–711) Münzen prägen ließ mit seinem eigenen Bildnis auf der einen und Jesus Christus mit dem Kreuz auf der anderen Seite (Abb. 5)? Und hatte Justinian das wirklich getan mit der Absicht, seinen arabischen Rivalen zu ärgern? Vielleicht spielte es mit, aber der Kaiser wird seine eigenen Gründe gehabt haben, sei es innenpolitische oder persönliche. Auch der Kalif kann seine eigenen Gründe gehabt haben für seine neue Münze: Die passte natürlich gut zu der Islamisierung, die er gerade in seinem Reich durchführte.

Viele der Hadithe entstanden in der Mitte des 8. Jahrhunderts, also in der heißen Phase des christlichen Bilderstreits. Aber die Bildlosigkeit des Islams ist älter. Sowohl im Felsendom in Jerusalem (692) als auch in der Großen Moschee von Damaskus (708–715) fehlen Abbildungen von Menschen oder Tieren gänzlich. Was hätte man auch abbilden können? Für die starken Symbolbilder des Christentums (Kreuz, Fisch, Gottesmutter, Apostel) hatte der Islam keine Entsprechungen.

Ob und wie das islamische Bilderverbot mit dem Bilderstreit in der oströmischen Staatskirche in Verbindung steht, bleibt unklar. Streitpunkt für die Kirche war die Frage, ob und wie die Verehrung von Ikonen in Gotteshäusern zulässig sei. Gar nicht, sagte Kaiser Leo III im Jahre 726. Der Staatsapparat und die Armee folgten ihm, während die Mönche und die einfachen Gläubigen die Verehrung der Ikonen verteidigten und weiterhin praktizierten. Der bekannte Kirchenvater Johannes von Damaskus (ca. 675–750), der in der Nähe von Jerusalem lebte, also mitten im arabischen Reich, verfasste drei Traktate zur Verteidigung der Ikonenverehrung.

Kaiser Leo ließ inzwischen Münzen mit nur Text prägen, was vermuten lässt, dass er ‘Abd al-Malik nacheiferte (Abb. 6). War das islamische Bilderverbot der Anlass für den christlichen Bilderstreit oder war es doch eher umgekehrt? So genau weiß es niemand, aber es ist klar, dass im Islam das Bilderverbot kein so wichtiges Thema war, während der christliche Bilderstreit dreißig Jahre lang die Gemüter erhitzte und im neunten Jahrhundert noch einmal aufflammte. Im Christentum haben am Ende die Ikonen gesiegt; im Islam eben nicht. 

Das Bilderverbot galt jedoch nur im religiösen Kontext und wurde nicht einmal von allen Schriftgelehrten vertreten. In den Jagdschlössern der Umayyaden-Kalifen befanden sich profane Bilder und Statuen, sogar von nackten und halbnackten Frauen (Abb. 7–8), und sie dürften auch sonst nicht gefehlt haben. Vereinfachend kann man sagen, dass an der Wand hängende oder hochstehende Bilder verboten sind, weil dann die Gefahr der Anbetung besteht; dass Bilder an öffentlichen Plätzen, wo gebetet wird, nicht erwünscht sind, da sie diese verunreinigen; und dass man an Gottes Stelle nichts schaffen wollen dürfe – was besonders die Bildhauerkunst verhinderte. Im privaten Bereich hingegen waren Abbildungen von Lebewesen normal.

Die Kirchen haben die bildenden Künste im Laufe der Jahrhunderte stark gefördert, aber die Moschee hatte keine solche Funktion. Auch die Fürstenhöfe bestellten keine großen bildlichen Werke. Soweit ein Mäzenatentum existierte, förderte es Architektur und Arabesken; ansonsten nur kleinformatige Arbeiten. Es gibt traditionell viele Tier- und Menschenbilder als Dekoration auf Geschirr, als Illustrationen in Biologie- und Geschichtsbüchern, auf Textilien und Papier, Porträts und Gruppenszenen, sogar mit dem Propheten (Abb. 9–11), unzählige Miniaturen in Büchern, Puppen für das Puppentheater und „Volkskunst“‘: Groschendrucke und Wandmalereien von der Pilgerreise nach Mekka. Je später, desto mehr bildende Kunst es gab, so scheint es; aber es kann auch sein, dass viel verloren gegangen ist. In späteren Jahrhunderten entstanden auch einzelne Malereien, vor allem in der Türkei, in Persien und Indien (Abb. 12–15).

Im 19. Jahrhundert ermöglichten die Lithographie und die Fotografie die Verbreitung von Bildern in großem Umfang. Die ältesten Fotos aus Konstantinopel und Kairo datieren von etwa 1850; die ersten Porträtfotos von der Arabischen Halbinsel von 1861. Von da an wollten alle geknipst werden und das Bilderverbot verschwand. Natürlich war es nötig, dies religiös zu begründen, aber das erwies sich als relativ leicht: Bei diesen neuen Bildern läge ja jeder Gedanke an Verehrung fern und etwas kreieren taten die Fotografen ohnehin nicht, wo die Kamera das eigentliche Werk tat und das Abgebildete nur „wiedergab“. Das Fernsehen nahm die letzten Hemmungen weg. Nur in schwer islamistischen Kreisen wird es noch durchgesetzt: bis vor kurzem bei extremen Wahhabis und jetzt wieder bei den Taliban.

ANMERKUNGEN
1. Bukhārī, Libās 88: قال النبي ص لا تدخل الملائكة بيتا فيه كلب ولا تصاوير (varianten: صور ، تماثيل )
2 Bukhārī, Libās 91: […] وعن عائشة ر قالت: قدم رسول الله ص من سفر وقد سترت بقرام لي على سهوة لي فيه تماثيل فلما رآه رسول الله ص هتكه وقال: أشد الناس عذابًا يوم القيامة الذين يضاهون بخلق الله. قالت: فجعلناه وسادة أو وسادتين.
3. Bukhārī, Libās 97: سمعت محمدا ص يقول : من صوّر صورة في الدنيا كُلّف يوم القيامة أن ينفخ فيها الروح وليس بنافخ.
4. Al-Azraqī, Akhbār Makka wa-mā djāʾa fīhā min al-āthār, Hrsg. Rushdī aṣ-Ṣāliḥ Malḥas, 2 dln., Madrid 1965, 165: لما كان يوم فتح مكة دخل رسول الله ص … وأمر بطمس تلك الصور فطمست. قال: ووضع كفيه على صورة عيسى بن مريم وأمه عليهما السلام. وقال: امحوا جميع الصور الا ما تحت يدي، فرفع يديه عن عيسى بن مريم وأمه Auch S. 168–169.

BIBLIOGRAFIE
– Patricia Crone, „The Religion of the Qurʾānic Pagans: God and the Lesser Deities,“ Arabica 57 (2010), 151–200.
– G. R Hawting, The Idea of Idolatry and the Emergence of Islam. From Polemic to History, Cambridge 1999.
– Silvia Naef, BIlder und Bilderverbot im Islam, München 2007. Das französische Original: Y a-t-il une «question de l’image» en Islam?, Paris 2004.
– Daan van Reenen, „The Bilderverbot, a new Survey,” Der Islam 67(1), (1990), 27–77.

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Wie leicht wird man Scharia-Regeln los?

🇳🇱 In islamischen Umgebungen gab es von alters her relativ wenige Abbildungen von Menschen oder Tieren, und Standbilder noch weniger. Es gibt nämlich eine Anzahl Hadithe, in denen das Anfertigen solcher Bilder verboten oder zumindest die potentiellen Produzenten stark entmutigt werden. Seit dem Vordringen der Fotografie im Nahen Osten, also ab ca. 1860, wollte jeder fotografiert werden und das Verbot kippte. Fotos seien ja nichts anderes als Spiegelbilder, kopfüber projiziert auf der Rückseite eines Kästchens, so dachte man auf einmal darüber, und auch Standbilder könnten nicht schaden, so lange sie nur nicht angebetet würden. Und welcher Zeitgenosse würde das wollen, außer den komischen Christen mit ihren Ikonen und Heiligenbildern?
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Nur noch Reste des Verbots sind übrig geblieben: keine Abbildungen des Propheten oder dessen Gefährten, keine Fotos an Orten, an denen das Gebet verrichtet wird.
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Heutzutage gibt es im Nahen Osten eine Kunstszene genau wie bei uns mit allem was dazu gehört: Maler und Bildhauer, Grafiker, Fotografen, Museen, Galerien, Ausstellungen, Auktionen und kunsthistorische Ausbildungen, Graffiti und Installationen. Anfangs brachte diese Kunst nicht viel Bedeutendes hervor, aber neuerdings hat sie gehörig an Qualität aufgeholt.
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Die Verführungen von Film und Fernsehen waren natürlich auch unwiderstehlich. Muftis erklärten das alles bei näherer Betrachtung für erlaubt. Die ersten Kinos datieren bereits von ca. 1900 und heutzutage sind die Schüssel auf den Dächern nicht mehr wegzudenken.
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Nur in ganz strengen Umgebungen, wie bei den Wahhabiten und ihrem bewaffneten Arm Daesh („Islamischer Staat“), bei den Taliban und in traurigen Gebieten in Ost-Afrika werden die vermeintlichen(?) Gebote noch zum Großteil befolgt. Obwohl man natürlich nie weiß, ob dort nicht vielleicht doch nach dem Abendgebet blonde Mädels auf westlichen Pornoseiten angeschaut werden. Auch diese Verführung ist für viele unwiderstehlich.
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Aber auch in Saudi-Arabien kippen manchmal die Regeln. Es war im Königreich zum Beispiel verboten, in der Öffentlichkeit Fotos zu machen. Als die Regierung 2006 beschloss, den Tourismus zu fördern, verschwand auch dieser Verbot ohne viel Aufhebens ( → Naef, Bilder 121–2).
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In Saudi-Arabien müssen reisende Frauen von männlichen Verwandten begleitet werden. Aber Flugbegleiterinnen müssen das nicht, wohl aus praktischen Gründen. Ein ganz frommer Mann, der das anstößig fand und lauthals protestierte, wurde aus einem Flugzeug entfernt und abgeführt. Ein königsnaher Mufti erklärte danach, dass die Begleiterinnen im Flugzeug nicht begleitet werden müssten, aber durchaus am Flughafen von männlichen Verwandten abgeholt werden sollten. Dazu hier.
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Iran produzierte von alters her beträchtliche Mengen Kaviar, die dem Land Millionen einbrachten. Der schiitischen Jurisprudenz zufolge war der Stör aber ḥarām, weil er keine Schuppen hat. Der Handel damit war demzufolge auch verboten, aber es wurden immer Wege gefunden, das Verbot zu umgehen. Im zweiten Jahr nach der islamischen Revolution wurden die Regeln verschärft und daher kam der Handel mit diesem im dekadenten Westen so begehrten Produkt zum Erliegen. Das führte aber zu finanziellen Einbußen. Schriftgelehrte und Biologen wurden konsultiert und siehe da: man entdeckte doch etwas Schuppenähnliches am Unterleib des Störs, der deshalb bei näherer Betrachtung durchaus erlaubt schien. Im vierten Jahr nach der Revolution, 1983, fand Khomeini persönlich die Zeit eine Fatwa abzufassen, die den Stör und seinen Kaviar für erlaubt erklärte. Wenn Sie Lust haben auf eine komplizierte, talmudisch anmutende Diskussion über die Zulässigkeit von Fischen mit oder ohne Schuppen, lesen Sie → Chihabi. Aber wir verstehen auch so, dass es vor allem die vielen zu verdienenden Dollars waren, die den Stör ḥalāl machten.
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Kurzum: Wenn Muslimen danach ist, eine Scharia-Regel abzuschaffen, gelingt ihnen das schon; oft sogar in ziemlich unkomplizierter Weise.

BIBLIOGRAFIE:
– H.E. Chihabi, „How Caviar Turned Out to Be Halal,“ in Gastronomica, The Journal of Critical Food Studies, 7:2. Online hier.
– Sylvia Naef, Bilder und Bilderverbot im Islam, München 2007, oder das französische Original: Y a-t-il une «question de l’image» en Islam?, Paris 2004.

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Marmelade und Käse für Muslime

Ein erfreulicher Bericht im Fernsehen: Ein älterer Arzt, ein Witwer vielleicht, hatte einen jungen, schon früher aus Syrien geflohenen Zahnarzt bei sich aufgenommen und half ihm beim Alltag, mit der Sprache und beim Studium, das er brauchte um sein Zeugnis anerkannt zu bekommen. So soll es gehen. Der ältere Mann erzählte, dass das Zusammenleben problemlos ablief. Allerdings hatte sich der Inhalt des gemeinsamen Kühlschranks geändert: kein Schweinefleisch mehr, dafür Lamm und Geflügel, aber das fand er in Ordnung. Das würde ich auch finden: vielleicht mal öfter ein Perlhuhn essen. Leicht amüsiert erzählte der Arzt noch, dass sein neuer Mitbewohner keine Erdbeermarmelade essen wollte, weil diese Gelatine enthalte, die womöglich aus Schweineknochen hergestellt worden sei.
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Anders als dieser Gastgeber fand ich Letzteres nicht amüsant, sondern vielmehr lächerlich. So ein Meckerarsch. Ja, solche Haarspalter gibt es, in allen Religionen und Weltanschauungen, also auch unter Muslimen. Es gibt sogar einen Markt für halāl Katzenfutter.1
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Als ich über das Zahnholz des Propheten arbeitete, lernte ich solche Typen auch kennen. Am Anfang des neunten Jahrhunderts war eine aktuelle Frage, ob der Gebrauch eines Zahnholzes (siwāk) im Fastenmonat erlaubt sei. Beim Kauen darauf—denken Sie an so etwas wie Süßholz—kommt ja Wasser in den Mund, und wenn man das herunterschluckt, kommt das nicht Trinken gleich, was tagsüber nicht erlaubt ist? Und der feste Stoff im Hölzchen, ist das nicht Nahrung? Man bedachte aber, dass der Gebrauch eines trockenen Zahnholzes doch nicht schaden könne, und damit konnte man ziemlich fanatisch sein:

  • Abū Huraira sagte: Ich habe heute, während ich fastete, meinen Mund zweimal mit einem Zahnholz bluten lassen.2

Anders gesagt: er benutzte ein trockenes Hölzchen. Ein frisches, von Natur aus feuchtes oder ein eingeweichtes Hölzchen hätte ja sein Zahnfleisch nicht bluten lassen. Nach frommer Auffassung war es aber nicht richtig, im Ramadan ein Zahnholz in Wasser einzuweichen. Das würde ja Wasser von außerhalb in den Mund bringen, wie etliche Hadithe warnen. Aber es gab auch Leute, die offensichtlich von dem ganzen Palaver genug hatten:

  • Ibn ‘Umar sagte: Einem Fastenden kann weder ein feuchtes noch ein trockenes Zahnholz schaden.3

Des Weiteren ging man noch der Frage nach, wie oft der Gebrauch eines Zahnholzes während des Fastens erlaubt sei. Zweimal am Tag, heißt es meist in den Hadithen, und es schadet nicht, das kurz vor dem Fastenbrechen zu tun. Und sollte man es vor dem Gebet anwenden oder vielmehr danach? Auch diese Frage erzeugte wiederum eine Anzahl Hadithe.

Aber es gab auch eine Gegenrichtung, die einfach keine Lust hatte auf die ganze Problematik:

  • ‘Abdallāh ibn ‘Āmir überliefert von seinem Vater: Ich habe unzählige Male gesehen, wie der Prophet das Zahnholz anwendete, während er fastete.4

Und einer Frau des Propheten wird eine ganz entspannte Haltung zugeschrieben:

  • Maimūna bint al-Ḥārith, die Frau des Propheten, ließ ihr Zahnholz zum Einweichen im Wasser stehen. Wenn Arbeit oder das Gebet sie ablenkte, [vergaß sie es]; ansonsten nahm sie es und benutzte es.5

Haarspalter gab es also schon früh,6 aber andere Muslime boten Paroli—ebenfalls mittels Hadithen.

Dann erinnerte ich mich an Michael Cooks Artikel über persischen Käse. Darin stand ein lustiger Hadith, der aus der Zeit von Mohammeds Eroberung von Mekka stammen soll. Eine arbeitsreiche Periode, ohne Zweifel; trotzdem fand der Prophet noch Gelegenheit einen Käse zu begutachten:

  • Von Abū Dāwūd at-Tayālisī […] von Ibn ‘Abbās: Als der Prophet Mekka eroberte, sah er einen Käse. Er fragte, was das sei; man antwortete ihm, es sei ein Nahrungsmittel, das im Land der Perser (arḍ al-‘adjam) hergestellt werde. Darauf sagte der Prophet: „Steckt das Messer rein, nennt den Namen Gottes und esst ihn!“7

Gab es im alten Mekka einen Feinkostladen, der persischen Käse verkaufte? Natürlich nicht; der ganze Hadith ist eine Erdichtung wie die meisten, und in diesem Fall eine sehr ungeschickte, weil der Wahrscheinlichkeit nicht Genüge getan worden ist. Muslime lernten selbstverständlich nicht in Mekka, sondern erst im Irak und in Iran persischen Käse kennen, als sie diese Länder erobert hatten. Aber der Text hat einen sympathischen Tenor: nicht meckern über ausländische Nahrungsmittel, einfach essen!

Was hätte an dem Käse denn falsch sein können? Nun, um die Milch gerinnen zu lassen wurde das Lab (minfaḥa) eines Kalbs benötigt. Dies konnte nur einem toten Tier entnommen werden—und man wusste ja nie, ob das Tier richtig geschächtet worden war! Über dieses Thema hatten jüdische Rabbiner kurz vor at-Tayālisī ausführlich diskutiert, ebenfalls im Irak. Berichte dazu sind im babylonischen Talmud niedergelegt worden. Für sie war ungläubiger Käse tatsächlich nicht hinnehmbar. Auch aus islamischer Sicht konnten zoroastrische Perser nicht rituell schlachten; ihr Käse hätte theoretisch für Muslime ebenfalls verboten sein sollen. Aber diese Auffassung versucht dieser Hadith gerade zu entkräften: Der Prophet fand nichts dabei! Das passt in die ganze Gedankenwelt des Islams: Die islamischen Speisegesetze sind generell lockerer als die jüdischen; bereits im Koran ist das so. Die Aussage zum Käse soll der Prophet spät in seinem Leben gemacht haben, so dass er sie kaum noch widerrufen konnte—tatsächlich, auch solche Aspekte wurden von Hadithverfassern berücksichtigt.
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Der oben erwähnte Zahnarzt hätte auch über das Käseproblem grübeln können. Vielleicht würde er sogar in einer Zeitschrift wie Islamic Medicine „wissenschaftlich“ untermauert schreiben, dass Marmelade und Käse aus nichtislamischer Herstellung schlecht für das Gebiss sind. Derartige Artikel gibt es wirklich. Aber zum Glück gibt es immer die viel breitere Gegenströmung: Nicht meckern, der Prophet sah kein Problem und Gott ist kein Korinthenkacker.

In den Worten eines anderen, breit überlieferten Hadiths:

  • Der Prophet hat gesagt: Macht es leicht und nicht schwierig; erfreut [die Menschen] und schreckt sie nicht ab!8

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BIBLIOGRAFIE
– Michael Cook, Magian Cheese: An Archaic Problem in Islamic Law, BSOAS 47/3 (1984), 449–467.
– Wim Raven, The Chewstick of the Prophet in Sīra and hadīth, in: Islamic Thought in the Middle Ages. Studies in Text, Transmission and Translation, in Honour of Hans Daiber, Hrsg. Anna Akasoy und Wim Raven, Leiden/Boston 2008, 593–611. Hier online.

ANMERKUNGEN
1. Der Prophet hat nie gesagt, dass Katzenfutter halāl sein soll; zu seiner Zeit fraßen Katzen noch selbst gejagte kleine Tiere und Küchenabfälle. Katzen haben ohnehin keine Ahnung von halāl und harām. Das Problem ist wohl, dass die Herrchen und Fräuchen beim Öffnen einer gängigen Dose Katzenfutter mit nicht korrekt geschächtetem Fleisch oder gar Schw…. in Berührung kommen könnten. The horror! The horror!


2. ‘Abd al-Razzāq as-San‘ānī, Musannaf iv, 7486:

عبد الرزاق – معمر – قتادة – أبو هريرة: قال لقد أدميْتُ فمي اليوم [وأنا] صائم بالسواك مرّتين.

3. Ibn Abī Shaiba, Musannaf xxx, 37/3:

علي بن الحسن بن شقيق – أبو حمزة – ابراهيم الصائغ – نافع – ابن عمر: قال لا بأس ان يستاك الصائم بالسواك الرطب واليابس.

4. ‘Abd al-Razzāq al-Ṣan‘ānī, Musannaf iv, 7484; Ibn Abī Shayba, Musannaf xxx, 35/1:

عبد الرزاق – الثوري – عاصم بن عبد الله بن عبيد الله بن عاصم – عبد الله بن عامر بن ربيعة – أبيه: رأيت رسول الله ص يستاك وهو صائم ما لا أُحصي.

5. Ibn Abī Shaiba, Musannaf i, 170/20:

ابن أبي شيبة – كثير بن هشام – جعفر بن برقان – يزيد بن الأصم: كان سواك ميمونة ابنة الحارث زوج النبي صلعم منقعًا في ماء فإن شغلها عنه عملٌ أو صلاةٌ والاّ فأخذته واستاكت.

6. Die zitierten Hadithe stammen aus Quellen, die im Schnitt um ein halbes Jahrhundert älter sind als die unter Muslimen hochgeschätzten „kanonischen“ Hadithsammlungen.
7. Al-Baihaqī, Sunan 10:6.6; at-Tayālisī, Musnad Nr. 2684.

… النبي ص لما كان فتح مكة رأى جبنة فقال: ما هذا؟ قالوا: طعام يصنع بارض العجم. قال فقال رسول الله ص: ضعوا فيه السكبن واذكروا اسم الله وكلوا !

Anderen Quellen zufolge soll der Prophet den Käse in Tā’if oder Tabūk gesehen haben; es blieb aber ein persischer Käse (min ard Fāris, min ahl Fāris). ‘Abd al-Razzāq, Musannaf, iv, 8795 erwähnt die Befürchtung des Fragestellers, dass der Käse maita, etwas von einem nicht geschächteten Tier, enthalten könnte.
8. Bukhārī, ‘Ilm 11 u.v.a.: النبي ص قال يسروا ولا تعسروا وبشروا ولا تنفروا.

Diakritische Zeichen: ḥalāl ḥarām, al-Šaʿbī, al-Ḥārith, aṭ-Ṭayālisī, arḍ al-ʿaǧam, minfaḥa, aṣ-Ṣanʿānī, Muṣannaf, Ibn Abī Šaiba, Ṭā’if, Fāris, al-Buḫārī

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Die islamistische Steinigung: ein modernes Phänomen

Wo es Steine gibt, wird mit ihnen geworfen — auch auf Menschen. In einem Armenviertel in Tetuan in Marokko bin ich mal von Jungs mit Steinen beworfen worden. Die Jungs waren klein und ihre Steine zum Glück auch. Überdies rief ein älterer Mann sie zur Ordnung, sie hörten auf und ich kam unbeschädigt davon. In Straßenkämpfen zwischen Gruppen von Jungen im Jemen, so Michael Roes, wurde allen Ernstes mit Steinen geworfen; dabei gab es manchmal auch Schwerverwundete.1 Sie hatten dort noch keine mordlustigen Computerspielchen. Aus dem Norden kenne ich nur Schneeballschlachten, die entarten konnten, sobald knallharte „Eisbomben“ mit einem Stein drin angefertigt und geworfen wurden.
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Erwachsene steinigen manchmal Menschen absichtlich in einem „Volksgericht“. Für die Täter ist das deutlich von Vorteil: Weil sie eine Gruppe bilden, ist es nicht möglich festzustellen, wer letztendlich den tödlichen Stein geworfen hat. In Umgebungen, in denen Steinigung bereits als Mord gilt und der Täter sich vor einem Gericht verantworten muss, kann er nicht belangt werden, weil er unbekannt ist. Und in Gegenden, in denen Blutrache herrscht, wird so den Umstand vorgebeugt, dass eine Blutrache in Gang kommt, die dann wieder eine Reaktion hervorruft und so weiter. Das ist umso mehr der Fall, wenn Verwandte des oder der Gesteinigten die tödlichen Steine werfen: Sie sind identisch mit den Racheberechtigten; Rache muss also nicht genommen werden.
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Zu unterscheiden sind wohl spontane Steinigungen, die eine Form von Lynchjustiz sind, und Steinigungen aufgrund eines Urteils nach einem Rechtsgang. Im Folgenden werde ich nur von Letzteren reden.
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Mir sind zwei Rechtssysteme bekannt, die Hinrichtung mittels Steinigung ermöglichen: das des Alten Testaments und somit des Judentums, und das des Islams.
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Allerdings: Juden steinigen nicht. Wie sie es fertiggebracht haben, die sehr harten Rechtsregeln aus der Thora für ungültig zu erklären, ist mir unbekannt. Ein Alttestamentler, den ich danach fragte, hat mir erklärt, dass die Gesetze des Alten Testaments erst nach dem Untergang des alten Israels und Judas zu Stande kamen und somit nie angewandt wurden. Er fand keinen Hinweis darauf, dass in den beiden Kleinstaaten je durch Steinigung hingerichtet worden wäre. Nach 586 v.Chr. lebten die Juden als Minderheiten in anderen Staaten und waren nicht befugt selbst Todesurteile zu vollstrecken. Das ist bekannt aus dem alten Persien, wo viele Juden lebten, und vom Fall Jesus, bei dem Juden das Urteil verkündeten, aber die Römer es in höherer Instanz bekräftigen und ausführen mussten. Bekanntlich entschieden die sich für einen Strafvollzug in römischem, nicht in alttestamentarischem Stil.
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Muslime steinigten früher auch nicht, obwohl das in einigen Rechtsquellen der Scharia unzweideutig empfohlen wird; in anderen Rechtsquellen fanden sie aber die juristischen Mittel um es zu umgehen; siehe dazu unten. Aber seit einigen Jahrzehnten steinigen sie manchmal doch. In allen Fällen ist es die Strafe für einvernehmlichen Geschlechtsverkehr von zwei Personen, die mit anderen verheiratet sind oder schon mal waren.

– In Iran zum Beispiel wurden zwischen 1980-1989 laut Amnesty International 76 Personen aufgrund eines rechtsgültigen Urteils gesteinigt und 74 weitere in der Periode 1990 bis 2009, so das International Committee Against Execution. In den letzten Jahren hat es Versuche gegeben, die Steinigung aus den iranischen Gesetzen zu streichen; das ist nur teilweise gelungen. Aber in der Praxis wird seit 2009 die Steinigung in Iran in andere Arten der Hinrichtung umgewandelt.
– In Saudi-Arabien, das seit 1932 existiert, wird meistens geköpft und erschossen, aber auch schon mal gesteinigt. Daten dazu sind mir nicht bekannt.
– Aus den Vereinigten Arabischen Emiraten sind zwischen 2006 und 2014 ungefähr zehn Fälle von Steinigung bekannt.
– In Afghanistan wurde während des Taliban-Regimes gesteinigt und danach noch gelegentlich von den Taliban. Obwohl in diesen Fällen keine spontanen Volksgerichte urteilten, kann man die Vorgänge auch nicht Rechtspflege nennen, denn seit 2004 ist in Afghanistan die Steinigung verboten und die Taliban gelten als Rebellen.
– Im Gebiet der Gruppe „Islamischen Staat“ wird gesteinigt; Näheres ist mir unbekannt.
– In Sudan wurden 2012 zwei Personen zur Steinigung verurteilt, aber die Urteile sind nicht vollstreckt worden.
– In Nord-Nigeria (das Gebiet von Boko Haram ausgenommen) sind seit 2000 mehr als zwölf Personen zum Tod durch Steinigung verurteilt, die Urteile aber nicht vollstreckt worden.
– Mauretanien? Ich denke schon.
– In Pakistan lässt der Staat nicht steinigen, sondern verurteilt vielmehr Steiniger als Mörder. Allerdings wird aufgrund von Urteilen von Stammesgerichten gesteinigt–welche Zuständigkeit diese haben und wie groß der Unterschied zur Lynchjustiz ist, weiß ich nicht.
– In Somalia wurde von 2009 bis 2014 gesteinigt nach Urteilverkündung durch sog. Schariagerichte von Terroristengruppierungen ohne Legitimation.
– Im indonesischen Teilstaat Aceh und in Brunei (2013) hatte man vor, die Steinigung ins Gesetzbuch aufzunehmen, aber meines Wissens ist es nicht dazu gekommen.

Diese Daten sind unvollständig und nicht wasserfest; ich habe sie dem Wikipedia-Artikel über „Stoning“ entnommen. Das ist natürlich unbefriedigend, aber ich werde die Fakten aus der Moderne nicht weiter erforschen. Der Artikel unterscheidet nicht zwischen Lynchjustiz und Steinigung aufgrund eines Gerichtsverfahrens. Eine große Linie ist allerdings sichtbar. Auffällig ist, dass nahezu alle Steinigungen aus der jüngsten Zeit datieren.
Im späten 20. Jahrhundert zeigt sich in mehreren islamischen Länder die Tendenz die Steinigung in die Gesetzgebung aufzunehmen und anzuwenden. Und in diesem Jahrhundert sehen wir das Bestreben, Steinigungen zu stornieren, obwohl sie „eigentlich“ ausgeführt werden sollten. Für Behörden bringt das Steinigen ohne Zweifel eine Menge Ärger: Es muss eine Gruppe gebildet werden, die die Steine werfen soll; diese muss nicht selten zur unangenehmen Arbeit gezwungen werden und jeder behält dabei einen üblen Geschmack im Mund. Überdies wirkt es ungemein unmodern. Für Behörden ist es einfacher, andere Formen der Hinrichtung anzuwenden: etwa durch einen Henker im Staatsdienst. Dann weiß man, was man hat, und ist zugleich von dem Rummel in den Medien befreit, die sich über Steinigungen gewaltig aufregen, über modernere Hinrichtungsmethoden aber viel weniger.
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Aber wie war es denn vor 1980 oder vor 1932? Vor dem 20. Jahrhundert wurde NICHT aufgrund eines Rechtsurteils gesteinigt. Steinigung ist in der islamischen Welt ein modernes Phänomen, das zu Unrecht „mittelalterlich“ genannt wird.
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Der Münsteraner Islamwissenschaftler Thomas Bauer hat viele Geschichtswerke aus der klassischen Periode im Nahen Osten durchgearbeitet und stieß dabei auf zahlreiche schwungvoll erzählte Berichte von Folterungen und Hinrichtungen. Aber er fand nur einen Fall einer Steinigung, und der verursachte seinerzeit großes Aufsehen:

  • Es gab Rebellen und Räuber, die gekreuzigt wurden – die Dichter stürzten sich darauf und dichteten spektakuläre Gedichte – Sensationslust ist ja kein modernes Phänomen. Es gab Machthaber, die folterten und hinrichten ließen – die Chronisten berichten es in aller Ausführlichkeit – aber nirgendwo wird von einer Steinigung berichtet. Mit einiger einzigen Ausnahme. Meines Wissens gab es in der Zeit zwischen 800 und dem 20. Jahrhundert nur einen einzigen sicher bezeugten Fall einer Steinigung wegen Ehebruchs aus dem Kernbereich des Islams. Er trug sich um das Jahr 1670 im osmanischen Reich zu, war – wie die modernen Fälle ja auch – politisch motiviert – und sorgte für einen handfesten Skandal. Der verantwortliche Richter wurde abgesetzt. Der Chronist, der von dem Fall berichtet, zeigt sich ebenfalls empört. Er hält Steinigungen keineswegs für islamisch. So etwas sei seit der Frühzeit des Islams nie mehr vorgekommen, stellt er entrüstet fest. Auch für ihn waren Steinigungen etwas Atavistisches und Unmenschliches.2

Warum steinigen moderne Muslime dann, wenn das gar keine Tradition hatte? Lesen Sie weiter auf Seite 2

ANMERKUNGEN:
1. Roes, Leeres Viertel, z.B. 446, 602.
2. Bauer, Musterschüler, 10. Auch in Bauer, Ambiguität, 280–282 und Rohe, Recht, 135–6.

Die Maultiere des Propheten

Ein Maultier (Arabisch baghl)1 ist ein Kreuzungsprodukt einer Pferdestute und eines Eselhengstes; ein Maulesel ist der Nachkomme von einer Eselstute und einem Pferdehengst. Weil wir meistens nicht wissen, welche Sorte in alten arabischen Texten gemeint ist, nenne ich sie hier alle Maultiere. Diese werden vielleicht auch die Mehrheit gebildet haben, denn sie sind am leichtesten zu züchten und außerdem stärker und ausdauernder als Maulesel. Herbert Eisenstein hat alle Texte zu Mohammeds Maultieren und Eseln gesammelt. Aus seinem Artikel2 werde ich hier schöpfen. Mehr Texte als er habe ich nicht gefunden; an Interpretation möchte ich allerdings einiges hinzufügen.
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Duldul
Das Maultier par excellence war Duldul. Es wird sogar als das islamische Urmaultier überhaupt betrachtet, denn es heißt: „Duldul war das erste Maultier im Islam, das man zu Gesicht bekam).“ 3 Solche „erste“-Traditionen (awā’il) gibt es viele; meist dienten sie dazu, den Terminus post quem irgendeines Phänomens festzustellen. Aber sie können tendenziös sein — so auch in diesem Fall.4 Es gibt in bester arabischer Tradition einiges an biographischem Material zur Stute Duldul.5 Sie soll dem Propheten von dem Muqauqis von Alexandrien geschenkt worden sein — wer auch immer das war —, zusammen mit einem Esel, Gold, Textilien und zwei schönen Sklavinnen, Māriya und Sīrīn.6
In der Schlacht von Hunain (630) soll der Prophet auf Duldul geritten sein und zu ihr gesagt haben: Irbidī! (leg dich!), oder: Sdi! (streck dich!), so dass er eine Handvoll Staub nehmen konnte, den er seinen Feinden ins Gesicht warf. In einer anderen Variante sagte er am Tag der Schlacht zu seinem Onkel ‘Abbās: „Reiche mir einige Kiesel!”, was Duldul aber verstand, worauf sie unaufgefordert mit ihm niederging, so dass er die Kiesel selbst nehmen konnte.
Das Tier überlebte Mohammed um mehr als dreißig Jahre und starb während der Regierung des Kalifen Mu‘āwiya (661–680) in Yanbu’ an der Küste des Roten Meers. Ein Alter von fünfzig Jahren ist für ein Maultier durchaus möglich; es muss wohl nicht mehr ganz jung gewesen sein, als es in Medina eintraf. Im hohen Alter waren Duldul die Zähne ausgefallen, so dass die Gerste für sie gemahlen werden musste. Ihr tragischer Tod war filmreif: Blind geworden geriet sie in ein Melonenfeld, das sie zertrampelte. Das Feld gehörte einem Mann der Banū Mudlidj, der sie mit einem Pfeil tötete, offensichtlich nicht ahnend, mit welch noblem Tier er es zu tun hatte.
Laut schiitischer Überlieferung sollen auch ‘Alī, seine beiden Söhne und seine rechte Hand Muhammad ibn al-Hanafīya noch auf Duldul geritten sein.
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Andere Maultiere
Auch über die anderen Maultiere des Propheten hat Eisenstein Texte gesammelt, die ich hier kurz zusammenfasse:7
– Fidda („Silber”), eine weißes Tier, das Farwa ibn ‘Amr al-Djudhamī ihm schenkte, und das er an Abū Bakr weitergab,
– ein weißes Tier, das er vom Herrscher von Aila (heute ‘Aqaba) geschenkt bekam,
– ein Maultier, das Kisrā, der König von Persien, ihm schenkte und das er mit einer Satteldecke aus Haar geritten haben soll,
– ein Grauchen, ein Geschenk des Negus von Abessinien,
– ein Geschenk von dem Herrn von Dūmat al-Djandal (beim heutigen al-Jawf oder Jouf)
– und ein nicht spezifiziertes Tier, von dem erzählt wird, dass es mit dem Propheten durchging, woraufhin er ihm einen Koranvers vorlesen ließ.

Wie viele Maultiere es in den Stallungen des Propheten nun genau gab, bleibt unklar, denn die Namen dieser Tiere und auch Teile ihrer Biographien sind in der Überlieferung arg durcheinander geraten. Aber wollen Sie sie wirklich zählen? Es ist doch offenkundig, dass alle diese Berichte über Tiere bis auf den letzten eigentlich nur eins sind: Variationen über das Thema: „ein Maultier wird dem Propheten geschenkt“, das als Präzedenzfall für eine Scharia-Regel fungiert.
In der Tat, laut den Texten waren nahezu alle diese Maultiere Geschenke aus dem Ausland. Aila und Dūma liegen zwar im Norden Arabiens, galten damals aber noch als christliches Gebiet. Auch Fidda kam aus dem Ausland, denn das Tier war ein Geschenk von Farwa ibn ‘Amr, der bis zu seiner Bekehrung und seinem anschließendem Martyrium römischer Statthalter in Ma‘ān im heutigen Südjordanien war.8
Zum Motiv der geschenkten Sklavinnen Māriya und Sīrīn habe ich bereits hier erklärt, welche Funktion Geschenke aus dem Ausland in den frühen islamischen Texten haben. Sie sollen – durch das beispielgebende Handeln des Propheten – die An- oder Übernahme außerislamischer Güter legitimieren.

Aber waren Maultiere überhaupt neu und fremd? Im ganzen alten Orient gab es sie doch; auch in Äthiopien waren sie verbreitet. Es waren starke und zuverlässige Last- und Reittiere, die gerne benutzt wurden; werden sie denn in Arabien gefehlt haben? Das mag ich nicht glauben.
Das arabische Wort für Maultier, baghl, ist äthiopischer Herkunft. Obwohl die Tiere auch in Syrien und am Golf vorkamen, wird es einfacher gewesen sein, sie über das Meer aus Afrika nach Arabien zu importieren. Hunderte von Kilometern durch die Wüste konnten sie ja nicht laufen.
Offensichtlich will die Mitteilung, dass die ägyptische Duldul „das erste Maultier im Islam“ war, uns glauben machen, dass Maultiere im alten Arabien neu waren. An ihnen konnte nichts Vorislamisches sein, denn der Prophet war der Erste, der eines besaß. Und das, obwohl der Koran Maultiere bereits in dem frühen Vers 18:6 wie selbstverständlich erwähnt. Mit anderen Worten: Die Rede sowohl von der Fremdheit wie auch von der Neuheit von Maultieren zur Zeit Mohammeds ist nichts weiter als fromme Dichtung von Rechtsgelehrten.
Welche islamischen Rechtsregeln in Bezug auf Maultiere gibt es?
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Rechstregeln in Bezug auf Maultiere
– Maultierfleisch essen ist nicht erlaubt – diesen Aspekt lasse ich hier unbehandelt.
– Auf Maultieren zu reiten ist ohne Weiteres erlaubt, denn es heißt in Koran 16:8:  وَالْخَيْلَ وَالْبِغَالَ وَالْحَمِيرَ لِتَرْكَبُوهَا وَزِينَةً وَيَخْلُقُ مَا لَا تَعْلَمُونَ „Und die Pferde und die Maultiere und Esel, damit ihr sie besteigt, sowie als Zierde.“ Dass der Prophet mehreren Erzählungen zufolge auch tatsächlich auf einem Maultier ritt, steht damit im Einklang. Laut der Bibel ritten im alten Israel auch die Könige David und Salomo auf ihnen und Maultiere konnten auch als fürstliches Geschenk dienen.9
– Ein normaler Umgang mit Maultieren hat keine rituelle Unreinheit zu Folge.
– Eine Kreuzung zwischen Pferd und Esel selbst durchzuführen, ist für Muslime „verwerflich“ (makrūh). Ein Hadith befindet darüber unzweideutig:

  • … Der Prophet bekam ein Maultier geschenkt und ritt darauf. Da sagte ‘Alī: „Wie wäre es, wenn wir mal Esel Pferde bespringen ließen? Dann hätten wir auch solche Tiere.“ Aber der Prophet sagte: „Das machen nur Leute ohne Kenntnis.“ 10

In den Texten, die Eisenstein dazu gefunden hat, wird diese Aussage des Propheten mit dem Maultier aus Aila in Verbindung gebracht.11 Muslime, die ein absolutes Kreuzungsverbot befürworteten, interpretierten „Leute ohne Kenntnis“ als „Menschen, die das Verbot nicht kennen.“ Auf jeden Fall gilt das Züchten von Maultieren als eine aus islamischer Sicht unerwünschte Tätigkeit. Bei den Juden war das Verbot noch eindeutiger, aufgrund des Bibelworts 3. Mose 19:19:„Lass nicht zweierlei Art unter deinem Vieh sich paaren.“

Aber weiter mit den Rechtsregeln:
– Trotz des Zuchtverbots durften existierende Tiere aber benutzt oder von außerhalb angenommen oder eingeführt werden.
– Umgang mit widerspenstigen Maultieren: Dem Tier, das mit ihm durchging, verpasste der Prophet eine Lektion, indem er es einsperrte und ihm Koran 113:1 rezitieren ließ, worauf es sich beruhigte. Durch so einen Bericht lernten die Muslime, was auch sie in solchen Fällen zu tun hätten. Die letzten beiden Suren des Koran heißen „Schutzsuren” (al-mu‘awwidhatān) — durch sie meinte man auch die böse Macht eines Dämons, der ein Maultier geritten hatte, bändigen zu können. 

Ich vermute, dass es ungefähr wie folgt abgelaufen ist. Die Araber und frühen Muslime ritten einfach auf Maultieren und benutzten sie als Lasttiere wie jeder anderer auch. Als nach zwei, drei Jahrhunderten islamische Rechtsgelehrte anfingen, das ganze Leben auf die Vereinbarkeit mit den von ihnen aufgestellten Rechtsregeln hin zu überprüfen, nahmen sie auch das Maultier durch. Da wie immer der Prophet die höchste Autorität gewesen sein musste, ließen sie ihn auch auf Maultieren reiten, ja sogar als Allerersten. Das jüdische Zuchtverbot behielten sie aber bei; deshalb bleibt in den Texten an Maultieren immer etwas vage Unislamisches haften.


Auch veröffentlicht in zenith, 03/2014, S. 110–1 und online.
Hier über die Esel des Propheten

ANMERKUNGEN
1. Ch. Pellat, „Baghl,” in EI2.
2. H. Eisenstein, „Die Maultiere und Esel des Propheten,” in Der Islam, 62 (1985), 98–131.
3. Ibn Saʿd, Kitāb aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, 8 Bde., hg. Iḥsān ‘Abbās, Beirut o.J., i, 491.
أول بعلة رؤيت في الإسلام أهداها له المقوقس
; Ibn Saʿd, o.c. i, 260: „ein weißes Maultier; das einzige, das die Araber zu der Zeit hatten.” غلة بيضاء لم يكن في العرب يومئذ غيرها
4. F. Rosenthal, Art. „Awāʾil,” in EI2..
5. Eisenstein, o.c. 99–101.
6. Zu diesen Sklavinnen s. hier.
7. Eisenstein, o.c. 101–4.
8. Ibn Isḥāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hrsg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 958; Übers. Guillaume 644; Ibn Ḥaǧar al-‘Asqalānī, Al-Iṣāba fī tamyīz aṣ-ṣaḥāba, 8 Bde., Kairo, o.J., v, 386–7.
9. Bibel, 1. Könige 1:33, 38, 44; 10:25.
10. Eisenstein, o.c. 103.; Abū Dawūd, Ǧihād 53:

حدثنا قتيبة بن سعيد حدثنا الليث عن يزيد بن أبي حبيب عن أبي الخير عن ابن زرير عن علي بن أبي طالب ر قال: أهديت لرسول الله ص بغلة فركبها فقال علي: لو حملنا الحمير على الخيل، فكانت لنا مثل هذه. قال رسول الله ص: إنما يفعل ذلك الذين لا يعلمون.

11. Eisenstein, o.c. 103.

Diakritische Zeichen: baġl, awāʾil, Ḥunain, irbiḍī, Muʿāwiya, Yanbuʿ, ʿAlī, Banū Mudjlǧ, Muḥammad ibn al-Ḥanafīya, Fiḍḍa, Farwa ibn ʿAmr al-Ǧuḏamī, Dūmat al-Ǧandal, Maʿān, al-muʿawwiḏatān

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Katzen, Hunde und der Prophet

Mann mit Saluki🇳🇱 Hatte Mohammed eine Katze? Bestimmt. Er muss wohl eine oder mehrere Katzen besessen haben, denn zu seiner Zeit hatte jeder welche. Katzen waren damals unentbehrlich, als Jäger von Ungeziefer und Beschützer der Vorräte. Sie hielten auch Schlangen fern, indem sie ihnen die Beutetiere wegfraßen. Hunde waren in der alten arabischen Welt ebenfalls allgegenwärtig, aber den Menschen nicht immer so nahe. Sie dienten als Jagdhund, als Schäferhund und als Wachhund für Haus, Garten und Acker.

Es gibt  einige Texte, Hadithe und Anekdoten, über Mohammeds Meinungen und Haltungen zu Katzen und Hunden, aber mit real existierenden Tieren in seiner Umgebung haben sie nichts zu tun. Als die islamischen Rechtsgelehrten anfingen sich mit nahezu allen Aspekten des täglichen Lebens zu befassen, sparten sie die Hunde und Katzen nicht aus. Weil der Prophet in Rechtsfragen als die höchste Autorität galt, musste er sich auch zu diesen Tieren geäußert haben.
Die Rechtsfragen, die in Bezug auf Tiere  aufkommen, sind immer die gleichen: Sind sie kultisch rein? Darf man sie essen? Sind sie verkäuflich? Wie geht man mit ihnen um?

Zur ersten Frage: Weder Katzen- noch Hundefleisch darf ein Muslim essen:

  • […] von Abū Tha‘laba al-Khushanī: „Der Prophet verbot uns den Verzehr von allen Raubtieren mit Reißzähnen“.1

Geld nehmen für diese Tiere darf man ebenfalls nicht:

  • […] von Abū Zubair, der sagte: „Ich befragte Djābir über den Preis von Hunden und Katzen. Er sagte „Der Prophet unterband es [Geld für sie zu nehmen]“.2

In puncto Reinheit werden Katzen und Hunde unterschiedlich beurteilt — ebenso wie der Umgang mit ihnen. So ist der Speichel von Katzen nicht unrein. Wenn ein Gläubiger damit in Berührung kommt, muss er sich deswegen nicht rituell waschen, wie etwa aus diesem Hadith ersichtlich ist:

  • Dāwūd ibn Sālih ibn Dīnār at-Tammār erzählte, dass seine Mutter[, eine Sklavin,] von ihrer Herrin mit einer Pastete zu Aischa geschickt wurde, als diese gerade beim Beten war. Aischa gab der Frau ein Zeichen, dass sie die Pastete hinstellen sollte. Da kam eine Katze und fraß etwas davon, aber als Aischa fertig war, aß sie von derselben Stelle, von der die Katze gefressen hatte. Sie sagte: „Der Prophet hat gesagt: [Katzen] sind nicht unrein; sie gehen bei euch ein und aus.“ Und sie fügte hinzu: Ich habe auch gesehen, wie der Prophet die rituelle Waschung mit Wasser verrichtete, das eine Katze übrig gelassen hatte.3

Dagegen ist der Speichel des Hundes unrein; deshalb hat man sich von Hunden fern zu halten. Als Beleg gilt ein Hadith, der von Abū Huraira überliefert sein soll (sein Name bedeutet übrigens „der mit dem Kätzchen“, angeblich weil er als Kind immer mit einer Katze gespielt haben soll):

  • Der Prophet sagte: „Wenn ein Hund aus dem Gefäß von einem unter euch trinkt [Variante: leckt], sollt ihr es sieben Mal waschen, [Var.: das erste Mal mit Sand].4

Das hört sich fast talmudisch an. Ob rein oder unrein, auf jeden Fall soll man die Tiere in ihrer Art respektieren und anständig behandeln. Das wird ersichtlich aus Hadithen, denen zufolge der Prophet erzählt haben soll:

  • „Mir wurde die Hölle gezeigt und dort sah ich eine Frau von den Israeliten, die wegen einer Katze gefoltert wurde, die sie festgebunden und nicht gefüttert hatte und auch nicht ihre eigene Nahrung unter den Feldtieren hatte suchen lassen.“ 5
  • „Ein Mann war unterwegs und es überfiel ihn ein großer Durst. Er fand einen Brunnen, stieg hinab und trank. Als er herausstieg, fand er einen Hund mit ausgestreckter Zunge, der aus Durst die feuchte Erde leckte. Der Mann dachte: Dieser Hund erleidet aus Durst das Gleiche, was ich selber erlitten habe. Er stieg in den Brunnen wieder hinab, füllte seinen Schuh mit Wasser und hielt ihn mit dem Mund fest, bis er wieder nach oben kam. Dann tränkte er den Hund. Gott dankte es ihm und schenkte ihm Vergebung.“
    Sie sagten: „Prophet, haben wir auch in Bezug auf die Behandlung der Tiere einen Lohn zu erwarten?“ Er antwortete: „Für die Tränkung eines jedes Lebewesens gibt es einen Lohn.“ 6

Aber über dieses ethische Minimum hinaus wurden Katzen auch richtig geliebt. Ob Mohammed ein Katzenfreund war, können wir wiederum nicht wissen. Mit Sicherheit fütterte er sie nicht mit halāl Katzenfutter, wie es manche moderne Muslime tun. Bekannt ist eine obskure, aber rührende Geschichte, die gerne erzählt wird um Mohammeds Liebe für seine Katze Mu‘izza und für Katzen im Allgemeinen zu illustrieren.

  • Eines Tages wollte der Prophet aufstehen zum Gebet, aber die Katze lag schlafend auf dem Ärmel seines Gewandes. Um das Tier nicht zu wecken schnitt er den Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand beim Gebet. Als er zurückkam aus der Moschee dankte Mu‘izza ihm, indem sie sich verneigte.7

Diese Anekdote gibt es aber auch in ganz anderer Besetzung. Nach dem chinesischen Historiker Bān Gù (32–92) versuchte der Han-Kaiser Āi dì (reg. 7–1 v.Chr.) einmal aufzustehen, als sein Geliebter auf dem Ärmel seines Gewandes eingeschlafen war. Um ihn nicht zu wecken schnitt er seinen Ärmel ab und erschien mit beschädigtem Gewand in der Öffentlichkeit. Seine Hofdiener übernahmen darauf diese Tracht um die Liebesbeziehung zu feiern.
Die chinesische Erzählung ist bei weitem die älteste. Von der Flöte oder dem Rad kann man sich noch vorstellen, dass sie mehrmals an verschiedenen Orten in der Welt erfunden wurden. Aber eine solch spezifische Erzählung wird nur einmal erfunden und macht danach eine Reise durch die Kulturen. Wie ist sie in der islamischen Welt gelandet: über Indien, Persien vielleicht? Ich weiß es nicht; wenn Sie, lieber Leser, es wissen, höre ich es gerne von Ihnen.

CharitéDesTurcsEs gibt noch einige Hadithe, die die rituelle Reinheit der Katze betonen, aber die Erzählungen zu Mohammeds Katzenliebe, die Annemarie →Schimmel zitiert, sind alle sehr spät entstanden. Sie zeigen allerdings, dass Katzenliebe in islamischen Ländern sehr verbreitet war – über alle Jahrhunderte. Auch in Reiseberichten wird sie immer wieder bezeugt. 

Dagegen sind die Meinungen über Hunde in den Hadithen eher negativ. Wegen ihrer Unreinheit soll man sie nicht zu nahe bei sich haben:

  • Der Prophet sagte: „Wer sich einen Hund anschafft, außer für die Jagd oder das Vieh, verliert jeden Tag zwei qīrāt seines [jenseitigen] Lohns.“8

In einer Textvariante wird auch der Wachhund für die Ernte als Ausnahme erlaubt. Der Prophet soll laut einem Hadith auch Hunde haben töten lassen; wahrscheinlich ist gemeint: wenn die vielen herumstreunenden Tiere zu einer Plage wurden:

  • Der Prophet befahl die Hunde zu töten. Er schickte Menschen aus, in die Gebiete rund um Medina, um sie zu töten.9

In der Wohnung hat ein Hund nichts verloren, denn Engel betreten kein Haus, in dem sich ein Hund befindet. Mohammed soll einmal vergeblich auf den Engel Gabriel gewartet haben, weil sich ein junger Hund in seine Wohnung verirrt hatte.

  • Der Prophet hatte sich an einem bestimmten Augenblick mit Djibrīl verabredet, aber der kam nicht. Er hatte einen Stock in der Hand; den warf er weg und sagte: „Noch nie hat Gott oder einer seiner Botschafter ein Versprechen gebrochen!“ Dann schaute er um sich und bemerkte einen jungen Hund unter seinem Bett. Er sagte: „Aischa, wann ist dieser Hund hier hereingekommen?“ Sie antwortete: „Bei Gott, ich weiß es nicht.“ Er ließ das Tier entfernen. Darauf erschien Djibrīl und der Prophet sagte zu ihm: „Wir hatten einen Termin und ich habe gewartet, aber du kamst nicht!“ Djibrīl antwortete: „Der Hund in deinem Haus hat mich davon abgehalten, denn wir [Engel] betreten kein Haus, in dem ein Hund oder eine Abbildung [eines Lebewesens]  ist.“ 10

Auch in der Moschee ist ein Hund unerwünscht, denn er lenkt ab vom Gebet, wie Frauen und Esel auch.

  • […] ‘Abdallāh ibn as-Sāmit, von Abū Dharr: Der Prophet sagte: Wenn einer von euch das Gebet verrichtet, dann ist er geschützt, wenn er so etwas wie den hinteren Teil eines Sattels vor sich hat. Wenn das nicht der Fall ist, wird sein Gebet ungültig, [wenn] eine Frau, ein Esel oder ein schwarzer Hund [vor ihm herumläuft].
    Ich fragte [Abū Dharr]: Wieso ein schwarzer Hund und kein roter oder gelber? Er antwortete: Genau so habe ich es den Propheten gefragt und er sagte: „Ein schwarzer Hund ist ein Satan.“ 11

Träger füttert Hunde, İstanbul ±1900

Träger füttert Hunde, İstanbul ±1900

Haben die alten Muslime denn wegen solcher Texte ihre Hunde nicht geliebt? Ich denke doch. Wenn man sich einen Hund zu Nutze machen will, ist ein dominierendes, aber zugleich freundschaftliches Verhältnis zum Tier unumgänglich und von vielen Menschen auch einfach gewünscht. Das Buch von →Ibn al-Marzubān (gest. 921), Die Überlegenheit der Hunde über viele, die Kleider tragen, zeigt viele Beispiele der festen Freundschaft zwischen Herr und Hund. Hier konnte aber der Prophet unmöglich in einer Anekdote als Vorbild herhalten, weil Hunde eben unrein sind. Den Hundebesitzern wird es egal gewesen sein.

Auch veröffentlich in zenith, Mai/Juni 2014 und online.

ANMERKUNGEN
(Ich zitiere jeweils nur einen Hadith; von den meisten gibt es etliche Varianten und Paralleltexte.)
1. Muslim, Ṣayd 13:

وحدثني حرملة بن يحيى أخبرنا ابن وهب أخبرني يونس عن ابن شهاب عن أبي إدريس الخولاني أنه سمع أبا ثعلبة الخشني يقول: نهى رسول الله ص عن أكل كل ذي ناب من السباع.

2. Muslim, Musāqāt 42:

حدثني سلمة بن شبيب حدثنا الحسن بن أعين حدثنا معقل عن أبي الزبير قال: سألت جابرا عن ثمن الكلب والسنور. قال: زجر النبي ص عن ذلك.

3. Abū Dāwūd, Ṭahāra 38:

حدثنا عبد الله بن مسلمة حدثنا عبد العزيز عن داود بن صالح بن دينار التمار عن أمه أن مولاتها أرسلتها بهريسة إلى عائشة ر فوجدتها تصلي فأشارت إلي أن ضعيها. فجاءت هرة فأكلت منها فلما انصرفت أكلت من حيث أكلت الهرة. فقالت إن رسول الله ص قال إنها ليست بنجس إنما هي من الطوّافين عليكم. وقد رأيت رسول الله ص يتوضأ بفضلها.

4. Muslim, Ṭahāra 90:

 حدثنا يحيى بن يحيى قال قرأت على مالك عن أبي الزناد عن الأعرج عن أبي هريرة أن رسول الله ص قال: إذا شرب الكلب في إناء أحدكم فليغسله سبع مرات.

5. Muslim, Kusūf 9:

وحدثني يعقوب بن إبراهيم الدورقي حدثنا إسمعيل ابن علية عن هشام الدستوائي قال حدثنا أبو الزبير عن جابر بن عبد الله […] وعرضت عليّ النار فرأيت فيها امرأة من بني إسرائيل تعذب في هرة لها ربطتها فلم تطعمها ولم تدعها تأكل من خشاش الأرض.

6. Buḫārī, Sharb 9, Übersetzung nach A. Th. Khoury, So sprach der Prophet, Gütersloh 1988, S. 350.

حدثنا عبد الله بن يوسف أخبرنا مالك عن سمي عن أبي صالح عن أبي هريرة ر أن رسول الله ص قال: بينا رجل يمشي فاشتد عليه العطش فنزل بئرا فشرب منها ثم خرج فإذا هو بكلب يلهث يأكل الثرى من العطش. فقال: لقد بلغ هذا مثل الذي بلغ بي. فملأ خفه ثم أمسكه بفيه ثم رقي فسقى الكلب فشكر الله له فغفر له. قالوا يا رسول الله وإن لنا في البهائم أجرا؟ قال في كل كبد رطبة أجر.

7. Weder Frau Schimmel, S. 11, noch die Wikipedia bietet einen brauchbaren Quellennachweis.
8. Muslim, Musāqāt 51:

وحدثنا أبو بكر بن أبي شيبة وزهير بن حرب وابن نمير قالوا حدثنا سفيان عن الزهري عن سالم عن أبيه عن النبي ص قال من اقتنى كلبا إلا كلب صيد أو ماشية نقص من أجره كل يوم قيراطان.

9. Muslim, Musāqāt 44:

 حدثنا أبو بكر بن أبي شيبة حدثنا أبو أسامة حدثنا عبيد الله عن نافع عن ابن عمر قال: أمر رسول الله ص بقتل الكلاب فأرسل في أقطار المدينة أن تُقتل.

10. Muslim, Libās 81:

حدثني سويد بن سعيد حدثنا عبد العزيز بن أبي حازم عن أبيه عن أبي سلمة بن عبد الرحمن عن عائشة أنها قالت واعد رسول الله ص جبريل عس في ساعة يأتيه فيها فجاءت تلك الساعة ولم يأته. وفي يده عصا فألقاها من يده وقال: ما يخلف الله وعده ولا رسله. ثم التفت فإذا جرو كلب تحت سريره. فقال: يا عائشة متى دخل هذا الكلب هاهنا? فقالت: والله ما دريت فأمر به فأخرج. فجاء جبريل فقال رسول الله ص واعدتني فجلست لك فلم تأت فقال: منعني الكلب الذي كان في بيتك، إنا لا ندخل بيتا فيه كلب ولا صورة.

11. an-Nasāʾī, Qibla 7:

أخبرنا عمرو بن علي قال أنبأنا يزيد قال حدثنا يونس عن حميد بن هلال عن عبد الله بن الصامت عن أبي ذر قال قال رسول الله ص إذا كان أحدكم قائما يصلي فإنه يستره إذا كان بين يديه مثل آخرة الرحل فإن لم يكن بين يديه مثل آخرة الرحل فإنه يقطع صلاته المرأة والحمار والكلب الأسود. قلت ما بال الأسود من الأصفر من الأحمر فقال: سألت رسول الله ص كما سألتني فقال: الكلب الأسود شيطان.

WEITERE LEKTÜRE
– Annemarie Schimmel, Die orientalische Katze. Geschichten, Gedichte, Sprüche, Lieder und Weisheiten, München [1989].
– Muhammad ibn Khalaf ibn al-Marzubān, Fadl al-kilāb ‘alā kathīr mimman labisa ath-thiyāb, Köln (Al-Kamel Verlag) 2003, und mit engl. Übers.: Ibn al-Marzubān, The Superiority of Dogs over Many of Those Who Wear Clothes, hrsg. und übers. G.R. Smith und M.A.S. Abdel Haleem, Warminster 1978.

Diakritische Zeichen: Abū Ṯaʿlaba al-Ḫušanī, Ǧābir, Dāwūd ibn Ṣāliḥ, ḥalāl, qīrāṭ , Ǧibrīl,ʿAbdallāh ibn aṣ-Ṣāmit, Abū Ḏarr, Muḥammad ibn Ḫalaf ibn al-Marzubān, Faḍl al-kilāb ʿalā kaṯīr mimman labisa aṯ-ṯiyāb

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Unbegleitete Begleiterin

Vielleicht haben Sie auch den weltweit verbreiteten Bericht gelesen, den ich hier von einer österreichischen Webseite zitiere:

  • Kritik an unbegleiteter Stewardess: Saudi musste Flugzeug verlassen
    Riad – Ein strenggläubiger Muslim hat in Saudi-Arabien ein Flugzeug verlassen müssen, weil er nicht mit unbegleiteten Frauen in der Maschine sein wollte. Während eine Stewardess Sicherheitsvorkehrungen erläuterte, kritisierte der Saudi, dass sie ohne einen männlichen Verwandten unterwegs war. Wie die saudische Zeitung „Okaz“ am Dienstag berichtete, sagte der Passagier: „Ich bin dagegen, dass dieses Flugzeug abhebt, bevor nicht alle Frauen, die ohne einen männlichen Verwandten reisen, ausgestiegen sind.“
    Nach dem in Saudi-Arabien geltenden islamischen Recht sollen Frauen in Begleitung ihres Ehemannes oder eines nahen männlichen Verwandten reisen. Allerdings hatte ein Religionsgelehrter, der König Abdullah berät, dieses Verbot eingeschränkt und Flugreisen davon ausgenommen, solange ein Verwandter die Frau am Zielort abholt.
    Die Fluggesellschaft folgte nicht der Argumentation des aufgebrachten Passagiers. Er und sein Sohn wurden von Sicherheitsleuten mit Gewalt aus der Maschine gebracht, die dann mit zwei Stunden Verspätung von Dschidda nach Dammam flog. (APA, 12.3.2013)

Es ist nicht meine Gewohnheit hier Berichte aus den Mischnachrichten zu übernehmen, und schon gar nicht, wenn die Veröffentlichung bezweckt beim Leser ein Gemisch aus Häme und Gruseln vor wieder so einem bekloppten Muslim hervorzurufen, was oft die Absicht solcher Artikel ist.
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Mir gefiel der Bericht vielmehr, weil er mal wieder zeigt, wie leicht die saudische Version der Scharia außer Kraft gesetzt wird, wenn das so passt.
Der erboste Fluggast hat aus Sicht der Scharia Saudi style nämlich vollkommen Recht. Frauen dürfen ohne Begleitung eines männlichen Verwandten nicht reisen, und das wird im Königreich meist sehr ernst genommen. Die Existenz unbegleiteter Flugbegleiterinnen ist also theoretisch unmöglich. Trotzdem gibt es sie: sowohl bei Saudi Arabian Airlines wie bei Nas Air, und nicht nur Ausländerinnen. Vielleicht von Seite des Königs ermutigt wird der betreffende Mufti gedacht haben: Flugbegleiterinnen begleiten zu lassen ist irgendwie unpraktisch und sinnwidrig; das machen wir nicht.
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Es gibt mehr Regeln, die nicht eingehalten werden. Beim Autofahren sitzt eine Frau oft alleine mit einem nichtverwandten männlichen Fahrer in einem Wagen, was ebenfalls regelwidrig ist. So lange eine Frau nicht selbst fahren darf, lässt sich das wohl nicht vermeiden. Ein kleines Entgegenkommen an die Sittsamkeit und die Verkehrssicherheit (ja, doch!) ist dann manchmal das Abschrauben des Innenspiegels.
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Vor mehr als einem Jahrhundert kippte das Verbot von Abbildungen von Lebewesen. Sobald die Photographie in der arabischen Welt erschien, fand man sie viel zu verführerisch um sie zu verbieten. Seitdem haben auch die frommsten Prediger sich ablichten lassen.
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Ohne Zweifel lässt sich nachschlagen, welche spitzfindigen Argumente jeweils angewandt wurden um alte, islamisch inspirierte Regeln zu entschärfen, aber das ist nicht mal so wichtig. Hauptsache ist, dass die Abschaffung solcher Regeln auch in Saudi-Arabien gegebenenfalls schnell und schmerzlos über die Bühne geht. Das macht Hoffnung auf eine zunehmende Modernisierung des noch immer sehr steifen Landes.

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Die Koptin Mariya

Die Koptin Māriya war laut Überlieferung eine Sklavin, die der Muqauqis, ein Herrscher im christlichen Ägypten, 629 zusammen mit ihrer Schwester Sīrīn dem Propheten Mohammed schenkte. Die „Geschenksendung“ enthielt des Weiteren Gold und Textilien, die Mauleselstute Duldul und einen Esel namens ‘Ufair oder Ya‘fūr.1 Māriya wurde die Mutter Ibrāhīms, ein Sohn des Propheten Mohammed. Ibrāhīm starb, noch bevor seine Stillzeit zu Ende war.

Aber diese koptische Sklavin war keine historische Figur und demnach auch ihr Sohn nicht. An mindestens drei Stellen taucht ein christliches Frauengespann Māriya-Schirin auf; aber nicht in Ägypten, sondern in Persien:
1. In der Chuzestan Chronik, abgefasst um etwa 660 von einem syrisch-aramäischen Christen aus dem südpersischen Ḫūzistān, heißt es:

  • Īshō‘yahb wurde respektvoll behandelt von dem König [Khosrau] selbst und von seinen beiden christlichen Frauen Šīrīn der Aramäerin und Maria der Römerin.2

2. In der Chronik von Siirt (10. Jh.) ist das 18. Kapitel dem persischen Herrscher Khosrau II. Parwīz (reg. 590–628) gewidmet. Dort lesen wir:

  • […] aus Dankbarkeit Mauricius gegenüber befahl Khosrau, Kirchen wiederaufzubauen und die Christen in Ehren zu halten. Er baute selbst zwei Kirchen für Maria (Maryam) und eine große Kirche und eine Burg im Land von Beth Laschpar für seine Frau Schirin (Shīrīn) die Aramäerin.3

3. Nach einem Bericht bei dem Chronisten at-Tabarī soll der römische Kaiser Mauricius (reg. 582–602) seinem persischen Amtskollegen Khosrau II. „eine geliebte Tochter von ihm, die Maryam (Maria) hieß,“ zur Frau gegeben haben.4 Dass dieser bereits eine christliche Frau namens Schirin hatte, ist aus der Literatur mehrfach bekannt.

Mit dieser Maria scheint also eine christliche Römerin gemeint zu sein, die es nach Persien verschlug. Sie zusammen mit Schirin nach Ägypten und von dort wiederum nach Medina  zu verschleppen ist eine Freiheit, die sich der islamische Erzähler genommen hat. Auch bei ihm wird eine Maria von einer hochherrschaftlichen Person an eine andere, nämlich Mohammed, „verschenkt“.  Der Name Schirin ist übrigens in Persien, nicht in Ägypten zu Hause. 

Wenngleich nichtexistent, hat Māriya ihre Spuren in Texten hinterlassen, die als Quellen für die Scharia dienen sollten, und das gleich mehrfach. Der Prophet nahm sie an und zeigte so, dass man ein Geschenk von Christen akzeptieren darf. Er hatte erlaubten Sex mit ihr als Sklavin. Ihre Schwester Schirin reichte er dagegen weiter; man darf ja nicht mit zwei Schwestern zur selben Zeit verkehren. Und indem Māriya Mohammed einen Sohn gebar, wurde sie ein Beispiel für eine umm walad. Der frühe Tod ihres Sohnes bot dem Propheten Gelegenheit, ein Vorbild für gemäßigte Trauerbräuche zu stellen.
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Geschenke
Laut Überlieferung empfing Mohammed Geschenke von christlichen Herrschern: vom Negus von Abyssinien, vom Muqauqis von Alexandrien, vom römischen Kaiser, aber auch von Dihya al-Kalbī, einem Muslim, der des öfteren in diplomatischer Mission im Römerreich unterwegs gewesen sein soll. In den Texten wird die folgende Formel verwendet: ahdā fulān lin-nabī, „XY schenkte dem Propheten“ oder passiv: uhdiya lin-nabī, „dem Propheten wurde … geschenkt“. Warum wird uns von diesen Geschenken erzählt? Die Berichte wollen erst mal zeigen, dass Mohammed derart auf Augenhöhe mit den Herrschern der Welt verkehrte, dass sie ihm Geschenke sandten.5
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Christliche Herkunft
Offensichtlich durfte man Geschenke von Christen annehmen, denn der Prophet hatte das auch getan. Aber durfte man sie auch verwenden? Geschenkt wurde dem Propheten laut Hadithen u.a. Folgendes: Schuhe, ein Siegelring, Sklavinnen, Reittiere, Textilien und ein schicker Pelzmantel. Der Prophet nahm das meiste problemlos in Gebrauch; somit war dies auch den Muslimen erlaubt. Nur wenn ein Geschenk zu extravagant war oder anderweitig den späteren islamischen Regeln nicht entsprach, kommentierte der Prophet es abwertend, reichte es weiter oder ließ es umfunktionieren oder zerschneiden. Der Pelzmantel mit Brokat aus Konstantinopel war für den Gebrauch entschieden zu extravagant; das Prachtstück wurde in geschickter Weise dem Negus von Abyssinien weiter verschenkt.6 Gewänder aus Seidenbrokat wurden verpönt: die Servietten im Paradies seien noch besser als diese.7 Sie  konnten zerrissen werden und als Kopftuch8 oder als Unterhemd wieder verwendet werden.9 Koptische Textilien mit Abbildungen von Lebewesen konnten zu Sitzkissen verarbeitet werden – so dass mit dem Allerwertesten Verachtung für die Abbildungen ausgedruckt werden konnte.10 Aber ein Paar einfache schwarze11 Schuhe zog der Prophet an und er zeigte zur gleichen Zeit, dass das obligatorische Waschen der Füße für die rituelle Waschung auch über die geschlossenen Schuhe erfolgen konnte.12 Christliche Sklavinnen anzunehmen oder zu besitzen und für sich arbeiten zu lassen war offenbar völlig unproblematisch.
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Die Sklavin
Manche modernen Muslime schämen sich rückwirkend der Sklaverei und reden von Māriya als hätte Mohammed sie geheiratet. Aber bis auf eine oder zwei Ausnahmen sagen alle alten Quellen, sie sei eine Sklavin gewesen. Wie hätte man sie und ihre Schwester auch sonst verschenken können? Māriya kommt in den Listen der Prophetengattinen nicht vor — dafür aber in einer Liste von Mohammeds Konkubinen.13 Sie soll nicht bei den anderen Frauen gewohnt haben und sie erhielt nicht später den Titel „Mutter der Gläubigen“ wie die Gattinnen.
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Sex mit Sklavinnen
In der Antike war es selbstverständlich, dass ein Mann mit seinen Sklavinnen Sex haben konnte. Auch im Koran wird das als normal betrachtet: der Ausdruck für Sklavin ist: „was deine/eure rechte Hand besitzt“. Nach islamischem Recht darf ein Muslim vier Ehefrauen haben, wenn er sie unterhalten kann. Darüber hinaus darf er mit einer unbeschränkten Menge Sklavinnen (Nebenfrauen, arab. surrīya, Pl. sarārī) sexuellen Umgang haben – wenn er sie bezahlen kann.14 Auch beim Verkehr mit Sklavinnen sollte Mohammed das Vorbild abgegeben haben, und hier war Māriya als Beispiel einsetzbar. Die bloße Annahme einer wertvollen Sklavin als Geschenk aus dem Ausland setzt eigentlich schon Geschlechtsverkehr voraus. Zum Melken, Sammeln von Holz und Putzen waren bestimmt genügend andere vorhanden.
Die Juristen spürten aber das Bedürfnis, den Verkehr des Propheten mit einer Sklavin zu thematisieren, und das geschah u.a. in einer Anlass zur Offenbarung-Erzählung zum Koranvers 66:1:

  • […] Zaid ibn Aslam erzählte mir, dass der Prophet Sex hatte mit [Māriya,] der Mutter von Ibrāhīm in der Wohnung einer seiner Frauen.
    Dann sagte diese: „Was, Prophet! In meiner Wohnung und auf meinem Bett?“
    Darauf erklärte er [Māriya] für sich verboten [ḥarām]. Sie sagte: „Wie kannst Du für dich verboten erklären, was erlaubt ist?“
    Aber er schwor bei Gott, dass er keinen Sex mehr mit ihr haben würde.
    Darauf offenbarte Gott: Prophet! Warum erklärst du denn im Bestreben, deine Gattinnen zufriedenzustellen, für verboten, was Gott dir erlaubt hat?
    Zaid sagte noch: „Du bist für mich verboten“ sind [also] leere Worte“.15

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Wenn die Sklavin ein Kind bekommt
Nach islamischem Recht wird eine umm walad — eine Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind gebärt — nach dessen Tod frei, wie eine dem Kalifen ‘Umar zugeschriebene Aussage bezeugt:

  • „Ihr Kind hat sie [eine umm walad] in Freiheit gesetzt – selbst wenn sie eine Fehlgeburt hatte.“ 16

wie auch dieser Hadith des Propheten:

  • Der Prophet sagte über eine umm walad: „Ihr Kind hat sie in Freiheit gesetzt. Ihre Wartezeit beträgt so viel wie die Wartezeit einer freien Frau.“ 17

Etwas später wurde Māriya zur Konkretisierung eingesetzt:

  • […] von Ibn ‘Abbās: In Gegenwart des Propheten wurde von der Mutter Ibrāhīms geredet. Dann sagte er: „Ihr Sohn hat sie in Freiheit gesetzt.” 18

In der islamischen Rechtspraxis wurde die Sklavin mit Kind erst  beim Ableben ihres Herrn frei; im Hadith hört es sich dagegen so an, als würde die Freilassung noch zu Lebzeiten ihres Herrn (wenn auch ggf. nach einer Wartezeit) wirksam. Das wurde ein Diskussionsthema, das hier aber nicht besprochen werden muss.
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Kein Sex mit zwei Schwestern
Māriya und ihre Schwester Sīrīn dienten als Präzedenzfall für die Regel, dass man nicht mit zwei Schwestern in derselben Zeitspanne Sex haben darf. Der Prophet soll die schöne Māriya  zur Konkubine genommen haben (tasarrā bihā), während er Sīrīn an Hassān ibn Thābit weiter verschenkte: eine normale Vorgehensweise mit unpassenden Geschenken (s. oben). Diese soll dem Ḥassān seinen Sohn ‘Abd al-Rahmān geboren haben.19
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Normen für Trauer
Durch den Tod von Māriyas Sohn Ibrāhīm konnten gewisse Trauersitten zu sunna des Propheten werden. Über Ibrāhīm steht hier bereits ein separater Artikel.

Sie werden es schon bemerkt haben: Die Interessen der Juristen dominieren die Texte, nicht das Biographische und Historische. Māriya verdankt ihre literarische Existenz und ihren Sklavenstatus der Tatsache, dass sie als Präzedenzfall bei Scharia-Fragen so brauchbar war. Natürlich gibt es auch Menschen, die genau den Wohnort der Māriya, ihr Todesdatum, das ihres Sohnes und die genaue Lage seines Grabes kennen. Sogar das Original von dem Brief des Propheten an den Muqauqis ist bewahrt geblieben; alles für diejenigen, die an solche Dingen glauben.

Auch veröffentlicht in zenith, Mai/Juni 2013, S. 110–111 und in zenith online.

BIBLIOGRAPHIE
– Kaj Öhrnberg, „Māriya al-qibtiyya unveiled,“ Studia Orientalia (Helsinki) 14 (1984), 297–303.
– N.N., „Maria al-Qibtiyya,“ in der deutschen Wikipedia. Ein gut informierter Artikel, der aber im Glauben an der Historizität  gefangen bleibt.
– F. Buhl, „Māriya,“ in EI2. Idem.

ANMERKUNGEN
1. Ibn Sa‘d, At-Tabaqāt al-kubrā, hg. Iḥsān ‘Abbās, Beirut o.J., viii, 212. بعث المقوقس صاحب الاسكندرية الى رسول الله ص في سنة سبع من الهجرة بمارية وبأختها سيرين وألف مثقال ذهبًا وعشرين ثوبًا لينًا وبغلته الدلدل وحماره عفير ويقال يعقور […]. Der Muqauqis ist ein Fantasieherrscher aus Ägypten. In Wirklichkeit war das Land damals ein Teil des Römerreichs. Zu den Tieren s. H. Eisenstein, „Die Maultiere und Esel des Propheten,“ Der Islam, 62 (1985), 98–131. Von Duldul gibt es sogar etwas wie eine Biographie. Eisenstein scheint zu meinen, dass es die Tiere wirklich gegeben hätte.
2. „Die von Guidi herausgegebene syrische Chronik, übersetzt und commentiert von Prof. Dr. Th. Nöldeke,“ in Sitzungsberichte der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Kl. 128, 9, Wien 1893, S. 1–48; hier S. 10; Sebastian P. Brock, „Guidi’s Chronicle,“ in Encyclopaedia Iranica, online hier; Robert G. Hoyland, Seeing Islam as Others Saw it. A Survey and Evaluation of Christian, Jewish and Zoroastrian Writings on Early Islam, Princeton 1997, S. 182–89.
3. Histoire nestorienneChronique de Séert, II, 1, hg. & übers. Addai Scher, Paris 1911, Nachdr. 1950@check@, S. 467. (Patrologia Orientalis, vii, 2; Robert Hoyland, o.c., S. 443–6. Ist in diesem Text mit Maria nicht einfach die Mutter Gottes gemeint?
4. At-Tabarī, Ta’rīkh i, 994, 999: وزوّجه ابنة له كانت عزيزة عليه يقال لها مريم ; Kaj Öhrnberg, „Māriya al-qibtiyya unveiled,“ Studia orientalia (Helsinki), xi/14 (1984), 297–303, insbes. S. 298. S. auch C. Cannuyer, „Māriya, la concubine copte de Muḥammad, réalité ou mythe?“ in Acta Orientalia Belgica 21 (2008), 251–64.
5. Der Prophet soll ihnen seinerseits Briefe gesandt haben, in denen er sie zum Islam aufrief.
6. Abū Dāwūd, Libās 8.
7. Ahmad ibn Hanbal, Musnad iii, 229; vgl. Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, S. 903.
8. Muslim, Libās 18; Abū Dāwūd, Libās 8.
9. Abū Dāwūd, Libās 35.
10. Bukhārī, Libās 91. […] وعن عائشة ر قالت: قدم رسول الله ص من سفر وقد سترت بقرام لي على سهوة لي فيه تماثيل فلما رآه رسول الله ص هتكه وقال: أشد الناس عذابًا يوم القيامة الذين يضاهئون بخلق الله. قالت فجعلناه وسادة أو وسادتين.
11. Rote Schuhe z.B. wären extravagant gewesen; Lane, Arabic Lexicon 770.
12. Koran 5:6; Ibn Abī Shaiba, Musannaf 1, 117; Abū Dāwūd, Tahāra 60, Tirmidhī, Adab 55, Ibn Mādja, Ṭahāra 84, Aḥmad ibn Ḥanbal, Musnad v, 352. Das Waschen bzw. Wischen der Füße/Schuhe (al-mash ‘alā al-ḫuffain) ist Gegenstand unglaublich ausführlicher Diskussionen gewesen, s. R. Strothmann, Der Kultus der Zaiditen, Straßburg 1912, 21–46; cf. Ch. Pellat, „Al-Mash ‘alā ’l-khuffayn,“ in EI2 und J. Schacht, The Origins of Muhammadan Jurisprudence, Oxford 1950, S. 263f.; Wim Raven, „Some early Islamic Texts on the Negus of Abyssinia,“ JSS 33 (1988), S. 197–218. Online hier.
13. At-Tabarī, Taʾrīkh i, 1778. Bei der Erwähnung ihres Todes nennt at-Tabarī (Taʾrīkh i, 2480) sie eine umm walad.
14. Heutzutage ist die Sklaverei zwar abgeschafft, aber streng-islamisch betrachtet kann sie nicht abgeschafft werden, weil sie in Koran und Hadith als selbstverständlich gilt. In Ländern, die sie erst spät abgeschafft haben (u.a. Saudi-Arabien 1962, Emiraten 1963, Mauretanien einige Male, letztlich 2007) existiert sie oft in der Praxis weiter.
15. حدثني محمد بن عبد الرحيم البرقي، قال: ثني ابن أبي مريم، قال: ثنا أبو غسان، قال: ثني زيد بن أسلم أن رسول الله ص أصاب أمَّ إبراهيم في بيت بعض نسائه قال: فقالت: أي رسول الله في بيتي وعلى فراشي؟، فجعلها عليه حراماً فقالت: يا رسول الله كيف تحرّم عليك الحلال؟، فحلف لها بالله لا يصيبها، فأنزل الله عزّ وجلّ: { يا أيُّها النَّبِيُّ لِمَ تُحَرّمُ ما أحَلَّ اللَّهُ لَكَ تَبْتَغِي مَرْضَاةَ أزْوَاجِكَ } قال: زيد: فقوله أنت عليّ حرام لغو.
Diese Version ist aus at-Tabarī, Tafsīr zu Koran 66:1, hier in der Übersetzung von Paret. Es gibt mehrere, auch ausführlichere Fassungen der Erzählung, mit oder ohne namentlicher Erwähnung der Māriya. Die peinlich überraschte Frau des Propheten soll Ḥafṣa bint ʿUmar gewesen sein.
16. Ibn Abī Shaiba (gest. 849), Musannaf, xi, 184/21894.@check@
17. ‘Abd ar-Razzāq as-San‘ānī (gest. 826),Muṣannaf, vii, 12937: عبد الرزاق عن الن عيينة عن أبي أنعم عن راشد بن الحارث عن ابن المسيّب أن النبي ص قال في أم الولد: أعتقها ولدها، فتعتدّ عدة الحرة.
18. Ibn Mādja (gest. 887), ʿItq, 2:‎ ‎حدثنا أحمد بن يوسف حدثنا أبو عاصم حدثنا أبو بكر يعني النهشلي عن الحسين بن عبد الله عن عكرمة عن ابن عباس قال: ذكرت أم إبراهيم عند رسول الله ص فقال: أعتقها ولدها.
19. At-Tabarī, Taʾrīkh i, 1528, 1591, 1781.

Diakritische Zeichen: Īšōʿyahb, Šīrīn, aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ, Diḥya, Ḥassān ibn Ṯābit, ʿAbd al-Rahmān, al-qibṭiyya, aṭ-Ṭabaqāt, Aḥmad ibn Ḥanbal, Ibn Isḥāq, Buḫārī, Ibn Abī Šaiba, Muṣannaf, Ṭahāra, Tirmiḏī, Ibn Māǧa, al-masḥ ʿalā al-ḫuffain, aṣ-Ṣanʿānī

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Umar und der Prophet

Wie kommt es, dass der Prophet Mohammed und der spätere Kalif Umar (634-644) über die Absonderung der Frau und viele andere juristische und ethische Probleme oft so unterschiedliche Meinungen hatten? Meine Antwort ist: diese Meinungen hatten sie erst 150-200 Jahre nach ihrem Tod.

Als die Araber im 7. Jahrhundert große Teile Westasiens und Nordafrikas erobert hatten, brauchten sie eine Rechtsprechung. Die Bewohner der eroberten Gebiete behielten erst ihre gewohnte Rechtsprechung; da mischten sich die Araber nicht ein. Es wurden aber einige wenige Richter angestellt, die unter den Arabern Recht sprachen und zugleich auch Streitsachen zwischen Arabern und ihren neuen Untertanen behandelten. Diese Richter waren oft schlecht bezahlt und jobbten zusätzlich noch im Handel oder waren als Erzähler (qāss) tätig. Sie waren die ersten Intellektuellen der neuen religiösen Bewegung, die gut mit Korantexten bekannt waren, wie auch mit der Biografie des Propheten und den Überlieferungen der Juden und Christen, mit denen sie ihre Erzählungen durchsetzten. Als Erzähler und Koranausleger bekamen sie am Freitag nach dem Gebet das Wort in der Moschee. Recht sprachen sie auf der Grundlage des Korans und ihres gesunden Menschenverstandes. Ältere Koranauslegung oder Jurisprudenz gab es ja noch nicht.

Hundert Jahre später hatte sich schon etwas geändert. Araber sein war im Reich weniger wichtig geworden; jetzt ging es darum Muslim zu sein. In Bagdad war eine neue Hauptstadt gegründet worden und die Abbasidenkalifen versuchten ihr enormes Staatsgebiet zu einer Einheit zu schmieden. Im Reich gab es anfangs kein einheitliches Recht: Die unterschiedlichen städtischen Zentren hatten alle jeweils ihre eigenen Auffassungen und ihre eigene Jurisprudenz. In den Städten wurden die Aussagen und Rechtsmeinungen von früheren Rechtsgelehrten noch überliefert. Überdies berief man sich auf religiöse Autoritäten aus der Vergangenheit. In Medina z.B. war das oft ʿUmar; in der irakischem Stadt Kūfa war es Alī. War es nun der wirkliche Umar, der wahre Alī, deren Lehren dort befolgt wurden? Natürlich nicht; es handelte sich um rückprojizierte Bilder dieser großen Prophetengefährten. Wer eine Meinung hatte, schrieb diese gerne dem Umar oder dem Alī zu: diese hatten ja mehr Autorität als die zeitgenössischen Rechtsgelehrten X,Y und Z.

Inzwischen hatte sich im 8. Jahrhundert auch eine Gruppe gebildet, die mit dem Islam, wie er unter den Umayyadenkalifen Gestalt angenommen hatte, nicht zufrieden war. Für sie war die sunna (Brauch, überlieferte Norm) des Propheten Mohammed viel wichtiger als die eines Herrschers oder die Meinung eines Rechtsgelehrten im Staatsdienst. Anfangs war es nicht so klar, was die sunna sei, aber in der sog. Hadithliteratur wurden immer mehr Aussagen des Propheten in Worten niedergelegt. Und für die prophetische sunna wurde immer deutlicher eine Monopolstellung beansprucht; man hielt sie zunehmend für wertvoller als die eigenmächtigen sunnas der Kalifen, aber auch als die der namhaften Prophetengefährten. Um 800 kam eine homogenisierende Tendenz auf. Das Großreich der Abbasiden verlangte Einheitlichkeit in der Rechtsprechung, konnte allerlei Lokaltraditionen in den unterschiedlichen Städten nicht dulden. Der Rechtsgelehrte ash-Shāfiʿī (Schafi‘i; gest. 820) soll den genialen Schritt getan haben. In seinem Rechtssystem galt fortan als einzige Rechtsquelle neben dem Koran nur noch der Hadith, also Berichte zur sunna des Propheten und Aussagen von diesem. Damit war rückwirkend die Autorität des Propheten etabliert und zur gleichen Zeit waren die Grundlagen für die Vereinheitlichung des Rechts in allen Teilen des Reiches gelegt worden. Die Folge war, dass die Zahl der Aussagen des Propheten stark zunahm. Hatte der berühmte Hadithgelehrte az-Zuhrī (gest. 742) noch insgesamt 2200 Hadithe gesammelt, „davon die Hälfte mit isnad“,1 so gab es anderthalb Jahrhunderte später zehntausende. Die Autorität des Propheten ist rückwirkend aufgebaut und auf ihn rückprojiziert worden, wie es zuvor mit früheren Kapazitäten wie Umar und Alī gemacht worden war. In religiösen Systemen ist das nicht ungewöhnlich: Denken Sie bloß an Moses, der (eine unbekannte Anzahl) Jahrhunderte nach seinem Auftreten zum Gesetzgeber des Judentums wurde.

Die nicht-prophetischen Texte, die z.B. auf Umar zurückgeführt werden, hat man nicht alle weggeworfen; viele von ihnen sind bewahrt worden. Wenn wir diese neben die prophetischen Texte legen, finden wir unterschiedliche Meinungen und Standpunkte. Das war den alten Muslimen natürlich auch aufgefallen. Um Einheitlichkeit und Harmonie zu kreieren brachten sie den Konfliktstoff in neuen Texte unter, in denen der Meinungsunterschied selbst thematisiert und in Szene gesetzt wurde. Das meinte ich, als ich sagte, dass Umar und der Prophet ihre Meinungsverschiedenheiten erst lange nach ihrem Tod gehabt hätten. Es war immer ein Streit zwischen zwei neueren Texten, die jeweils eine ehrwürdige Vergangenheit rekonstruiert hatten. Selbstverständlich gewann der Prophet fortan immer die papierene Debatte, und ʿUmars Meinung ist als ehrenvolle, aber doch weniger wichtige Alternative bewahrt geblieben. Stereotyp ist zum Beispiel die folgende Szene, in Situationen, in denen ein Rechtsbeschluss verlangt wird. ʿUmar fragt den Propheten: „Werde ich ihm den Kopf abschlagen?“ „Nein,“ sagt der Prophet dann, und schlägt eine mildere, pragmatischere Lösung vor.2 Die Auffassungen des Propheten sind im Laufe der Jahrhunderte natürlich maßgeblich geworden und geblieben. Einige weniger milde, ʿUmar zugeschriebene Auffassungen aus Medina haben sich aber durchgesetzt; darunter auch die über die Absonderung der Frau. In diesem Punkt hat der Prophet quasi „nachgegeben“, mit Rückenstärkung von Gott selbst, z.B. in:

  • Umar erzählte: Ich sagte: „Prophet, jedermann geht bei deinen Frauen ein und aus; wenn du ihnen mal auftragen würdest sich abzusondern?“ Und darauf wurde der „Vers der Absonderung“ offenbart.3

In einer anderen Erzählung, die von Aischa erzählt wird, spielt ‘Umar ebenfalls die Hauptrolle:

  • Die Frauen des Propheten waren es gewohnt, abends hinauszugehen, um sich an ruhigen Orten mit viel Frischluft zu entleeren. ‘Umar hatte dem Propheten schon gesagt, er möge doch seine Frauen absondern, aber dieser hatte das nicht getan. Also ging Sauda, die Frau des Propheten, eines Abends hinaus—sie war eine hochgewachsene Frau—und ‘Umar rief ihr, so laut er konnte, zu: „Wir haben dich schon erkannt, Sauda!“—begierig wie er war, dass Gott den [„Vers der] Absonderung“ offenbaren würde. Darauf offenbarte Gott den [„Vers der] Absonderung“.4

‘Umar soll richtig stolz auf seine Initiative gewesen sein:

  • Gott und ich waren uns in drei Punkten einig: …5

und dann werden drei Koranverse erwähnt, die auf ‘Umars Initiative offenbart sein sollen; darunter also  der „Vers der Absonderung“.

ANMERKUNGEN
1. Ibn Ḥaǧar al-ʿAsqalānī, Tahḏīb at-tahḏīb ix, 447:  .وقال الآجُري عن أبي داود: جميع حديث الزهري كله ألفا ومائتا حديث النصف منها مسند
2. سأضرب عنقه Noch in Arbeit @@
3. Aṭ-Ṭabarī, Tafsīr zum Vers:

حدثنا ابن بشار، قال ثنا ابن أبي عدي، عن حميد، عن أنس بن مالك، قال: فال عمر بن الخطّاب: “ قلت لرسول الله ص: لو حجبت عن أمهات المؤمنين، فإنه يدخل عليك البرّ والفاجر، فنرلت آية الحجاب.“

4. Muslim, Salām 18:

‎حدثنا عبد الملك بن شعيب بن الليث حدثني أبي عن جدي حدثني عقيل بن خالد عن ابن شهاب عنعروة بن الزبير عن عائشة أن أزواج رسول الله ص كن يخرجن بالليل إذا تبرزن إلى المناصع وهو صعيد أفيح وكان عمر بن الخطاب يقول لرسول الله ص احجب نساءك فلم يكن رسول الله ص يفعل فخرجت سودة بنت زمعة زوج النبي ص ليلة من الليالي عشاء وكانت امرأة طويلة فناداها عمر ألا قد عرفناك يا سودة حرصا على أن ينزل الحجاب قالت عائشة فأنزل الله عز وجل الحجاب.

5. Bukhārī, Fadā’il al-qur’ān 2, 9

باب واتخذوا من مقام إبراهيم مصلى …/ مثابة K. 2:125 يثوبون يرجعون

حدثنا مسدد عن يحيى بن سعيد عن حميد عن أنس قال قال عمر: وافقت الله في ثلاث أو وافقني ربي في ثلاث. قلت يا رسول الله لو اتخذت مقام إبراهيم مصلى. وقلت يا رسول الله يدخل عليك البر والفاجر فلو أمرت أمهات المؤمنين بالحجاب فأنزل الله آية الحجاب. قال وبلغني معاتبة النبي صلى الله عليه وسلم بعض نسائه فدخلت عليهن قلت إن انتهيتن أو ليبدلن الله رسوله ص خيرًا منكن حتى أتيت إحدى نسائه قالت يا عمر أما في رسول الله ص ما يعظ نساءه حتى تعظهن أنت فأنزل الله عسى ربه إن طلقكن أن يبدله أزواجًا خيرًا منكن مسلمات K. 66:5 الآية وقال ابن أبي مريم أخبرنا يحيى بن أيوب حدثني حميد سمعت أنسًا عن عمر.

Diakritische Zeichen: ʿUmar, qāṣṣ, ʿAlī, aš-Šāfiʿī

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Ibrahim, der Sohn des Propheten

Hatte Mohammed einen Sohn? Außer Menschen, die über „Glaubenswissen“ verfügen, kann niemand das genau sagen; es gibt so wenig gefestigte Kenntnis über den Propheten, dass solche Fragen einfach nicht zu beantworten sind. Ihm wird nachgesagt, er habe mehrere Frauen gehabt. Wenn dem so war, wird er möglich auch einen Sohn oder mehrere Söhne gehabt haben. Von dreien berichten Hadithe: Qāsim, ‘Abdallāh und Ibrāhīm. Alle drei sollen noch im Kindesalter gestorben sein.

Ibrāhīm war nach dem gleichnamigen Propheten, also Abraham, benannt. Von Mohammeds Hausdiener Anas ibn Malik, der hochbejahrt im Jahr 712 gestorben sein soll, ist beispielsweise die folgende Erzählung über ihn überliefert:

  • Der Prophet sagte: „Mir ist heute Nacht ein Sohn geboren; ich benenne ihn nach meinem Vater Ibrāhīm.“ Er übergab ihn der [Amme] Umm Saif,1 der Frau eines Schmiedes namens Abū Saif. Eines Tages ging er ihn besuchen; ich kam mit, und wir kamen zu Abū Saif, der mit dem Blasebalg ins Schmiedefeuer blies; das ganze Haus war voller Rauch. Ich eilte voraus und sagte: Hör auf, Abū Saif, der Prophet ist da! Er hörte auf und der Prophet rief um Ibrāhīm, druckte ihn an sich und sprach allerlei zu ihm. Anas sagte noch: Ich habe ihn auch gesehen als [das Kind] vor seinen Augen im Sterben lag. Er weinte und sagte: „Das Auge weint, und das Herz ist traurig, aber wir sagen nur, was Gott zufrieden stellt. Bei Gott, Ibrāhīm, wir trauern schon über dich.“ 2

In einem anderen Hadith wird in diesem Zusammenhang von einem ungewöhnlichen Phänomen berichtet:

  • Zur Zeit des Propheten gab es eine Sonnenfinsternis am Tag, an dem Ibrāhīm verstarb. Der Prophet sagte: „Die Sonne und der Mond sind [nicht mehr als] zwei von den Zeichen Gottes; sie verfinstern sich weder wegen jemands Todes noch wegen seines Lebens. Wenn ihr eine [Sonnen- oder Mondfinsternis] seht, betet dann zu Gott und verrichtet Gebete bis sie vorbei ist.“ 3
  • Als Ibrāhīm, der Sohn des Propheten, verstarb, sagte der Prophet zu den Menschen: „Hüllt ihn nicht in die Leichentücher, bevor ich ihn nicht gesehen habe.“ Dann kam er auf ihn zu, beugte sich über ihn und weinte.4

Historiker wissen noch mitzuteilen, dass er im Jahr 7 (also 629 nach unserer Zeitrechnung) von einer ägyptischen Sklavin, nämlich der Koptin Māriya, geboren wurde und noch im Jahr 8 verstorben ist. Wer Hadithe als Geschichtsquelle ernst nimmt, könnte auf Grund des ersten zitierten Textes eine Rauchvergiftung als Ursache für den frühen Tod Ibrāhīms in Betracht ziehen. Viel ist es nicht, was wir über das Kerlchen erfahren. Das wundert nicht; über einen Säugling ist nun mal wenig zu erzählen. Aber auch die wenigen harten Fakten, die vorzuliegen scheinen, sind keineswegs hart. Schon seine Mutter, die Koptin Māriya al-Qibtīya, ist reichlich fiktiv. Sie soll Teil einer Geschenksendung gewesen sein, die der Muqauqis, ein etwas rätselhafter Herrscher Alexandriens, dem Propheten gesandt haben soll. Die Sendung enthielt zwei erstklassige, zweifelsohne jungfräuliche Sklavinnen: Māriya und ihre Schwester Sīrīn, eine Menge Gold und Textilien, die Mauleselstute Duldul und einen Esel namens ‘Ufair oder Ya‘fūr.5 Aber die beiden Frauennamen sind aus einer ganz anderen Geschichte hinübergeweht. Bereits der römische Kaiser Mauricius (reg. 582–602) soll seinem persischen Amtskollegen Chosrau II. Parwīz (reg. 590–628) seine geliebte Tochter Maryam (also Maria) zur Frau gegeben haben.6 Eine christliche Frau namens Shīrīn (Schirin) hatte Chosrau bereits; sie ist in der Literatur ziemlich bekannt geworden. Der Name Schirin passt ohnehin besser nach Persien als nach Ägypten. (Über die Koptin Māriya steht hier ein Sonderartikel.)

Bei näherer Betrachtung handeln die drei obigen Hadithe gar nicht so sehr von Ibrāhīm, sondern wollen die Zuneigung des Propheten und vor allem sein Verhalten bei dessen Tod zeigen. Trauer, Tränen: selbstverständlich—aber moderat! Auch eine Sonnenfinsternis sollte nicht überbewertet werden; Nüchternheit ist geboten. Keinesfalls wird solch ein Naturphänomen, wie manche Leute meinten, durch das Dahinscheiden einer wichtigen Person verursacht; nicht einmal durch den Tod des kleinen Ibrāhīm.
Es gibt viele Hadithe, die aussehen, als enthielten sie Biografisches, die aber in Wirklichkeit von Anfang an als Grundlage einer Rechtsregel dienen sollten und sich bloß zum Schein in das Gewand einer historischen Begebenheit kleideten. Auch in diesem Fall dominieren deutlich die Motive von Scharia-Gelehrten: Mit den Hadithen vom Tod Ibrahims sollten in erster Linie den übertriebenen Trauerbräuchen der Muslime persischer Herkunft sowie abergläubischer Folklore Schranken gesetzt werden.7 Die Moral lautet: Eine passende, aber nicht übertriebene Trauer ist Muslimen angemessen; um Beerdigungen sollte nicht so viel Aufhebens gemacht werden.
Wie bei so vielen Dingen sollte auch beim Thema Totenklage (an-niyāha ‘alā al-maiyit) das Vorbild der Prophet Mohammed sein. Und dazu konnte der Erzähler jemanden gebrauchen, den der Prophet maximal vermissen würde: ein verstorbenes Söhnchen. Nach meiner Überzeugung ist Ibrāhīm von den Überlieferern vor allem ins Leben gerufen um ihn bald sterben zu lassen, sodass der Prophet ihn vorbildhaft moderat beweinen konnte. Überdies machte seine Geburt die Sklavin, die seine Mutter war, zu einer umm walad — einer Sklavin, die ihrem Herrn ein Kind geboren hat und deshalb nach dessen Tod von Rechts wegen frei wird. Gleich zweimal liefert der Junge also einen Präzedensfall für eine Scharia-Regel.

Ob Mohammed nun im realen Leben einen Sohn hatte oder nicht — in seine Prophetenvita würde keiner passen. Religionsgründer haben normalerweise keinen Sohn: Moses, Jesus und der Buddha hatten keinen; wenigstens keinen, der in den Erzählungen eine Rolle gespielt hätte, oder nach ihrem Tod die Nachfolge hätte antreten wollen oder müssen. Das hätte die Ursprungsmythen nämlich sehr gestört. Die Hadithliteratur scheint sich dessen halbwegs bewusst zu sein, heißt es doch bei Ibn Mādja:

  • [Ibrāhīm] starb als kleines Kind. Hätte Gott bestimmt, dass es einen Propheten nach Mohammed geben sollte, so wäre sein Sohn am Leben geblieben. Aber es gibt keinen Propheten nach ihm.8

Erheblich interessanter ist die Erzählung von Zaid (ibn Hāritha), der als Erwachsener fünfzehn bis zwanzig Jahre lang der Adoptivsohn Mohammeds war. Die Adoption wurde im Koran rückgängig gemacht; überdies starb Zaid schon vor dem Propheten. Um so besser, denn, so sagt es Muqātil in seinem Korankommentar: „Wäre Zaid Mohammeds Sohn gewesen, so wäre er ein Prophet gewesen.“ 9

 

ANMERKUNGEN
1. In aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ i, 1686 wird eine ganz andere Amme erwähnt: Umm Burda bint al-Munḏir ibn Zaid, Frau von al-Barāʾ ibn Aus […] an-Naǧǧār.
2. Muslim, Faḍāʾil 62 (hier); auch Buḫārī, Ǧanāʾiz 44, Ibn Māǧa, Ǧanāʾiz 53 u.v.a.

حدثنا هداب بن خالد وشيبان بن فروخ كلاهما عن سليمان واللفظ لشيبان حدثنا سليمان بن المغيرة حدثنا ثابت البناني عن أنس بن مالك قال: قال رسول الله ص ولد لي الليلة غلام فسميته باسم أبي إبراهيم. ثم دفعه إلى أم سيف امرأة قين يقال له أبو سيف. فانطلق يأتيه واتبعته فانتهينا إلى أبي سيف وهو ينفخ بكيره قد امتلأ البيت دخانا. فأسرعت المشي بين يدي رسول الله ص فقلت يا أبا سيف أمسك جاء رسول الله ص. فأمسك فدعا النبي ص بالصبي فضمه إليه وقال ما شاء الله أن يقول. فقال أنس لقد رأيته وهو يَكيد بنفسه بين يدي رسول الله ص فدمعت عينا رسول الله ص فقال تدمع العين ويحزن القلب ولا نقول إلا ما يرضى ربنا والله يا إبراهيم إنا بك لمحزونون.

3. Muslim, Kusūf, 29 (längere Fassung Muslim, Kusūf 10 u.v.a.):

وحدثنا أبو بكر بن أبي شيبة ومحمد بن عبد الله بن نمير قالا حدثنا مصعب وهو ابن المقدام حدثنا زائدة حدثنا زياد بن علاقة وفي رواية أبي بكر قال قال زياد بن علاقة سمعت المغيرة بن شعبة يقول انكسفت الشمس على عهد رسول الله ص يوم مات إبراهيم فقال رسول الله ص إن الشمس والقمر آيتان من آيات الله لا ينكسفان لموت أحد ولا لحياته فإذا رأيتموهما فادعوا الله وصلوا حتى تنكشف.

4. Ibn Māǧa, Ǧanāʾiz 13:

حدثنا محمد بن إسمعيل بن سمرة حدثنا محمد بن الحسن حدثنا أبو شيبة عن أنس بن مالك قال لما قبض إبراهيم ابن النبي ص قال لهم النبي ص لا تُدرِجوه في أكفانه حتى أنظر إليه فأتاه فانكبّ عليه وبكى.

5. Ibn Saʿd, Aṭ-Ṭabaqāt al-kubrā, hg. Iḥsān ʿAbbās, Beirut o.J., viii, 212. Zu den Tieren siehe Die Maultiere des Propheten und Mohammed: Eselreiter oder Kamelreiter?
6. Aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ i, 994, 999: وزوّجه ابنة له كانت عزيزة عليه يقال لها مريم. Auch dies ist pure Phantasie. Kaj Öhrnberg, „Māriya al-qibṭiyya unveiled,“ Studia orientalia (Helsinki), xi/14 (1984), 297–303, insbes. S. 298. S. auch C. Cannuyer, „Māriya, la concubine copte de Muḥammad, réalité ou mythe?“ in Acta Orientalia Belgica 21 (2008), 251–64. Uri Rubin hält Māriya und Ibrāhīm für historisch: U. Rubin, „The Seal of the Prophets and the Finality of Prophecy,“ ZDMG 164 (2014), 65–96, insbes. S. 76ff.
7. T. Fahd, „Niyāḥa,“ in EI2; G.H.A. Juynboll, Muslim Tradition, Cambridge 1982, 99–108.
8. Ibn Māǧa, Ǧanāʾiz 27:

حدثنا محمد بن عبد الله بن نمير حدثنا محمد بن بشر حدثنا إسمعيل بن أبي خالد قال قلت لعبد الله بن أبي أوفى رأيت إبراهيم ابن رسول الله ص قال مات وهو صغير ولو قضي أن يكون بعد محمد ص نبي لعاش ابنه ولكن لا نبي بعده.

9. Muqātil ibn Sulaymān, Tafsīr, iii, 498–9 zu Koran 33:40:

يقول لو كان زيد ابن محمد لكان نبيا فلما نرلت ((ما كان محمد أبا أحد من رجالكم)) قال النبي ص لزيد: لست لك بأب. فقال زيد: يا رسول الله، أنا زيد بن حارثة معروف نسبي.

 

Auch veröffentlich in der Zeitschrift zenith, März/April 2013.

Diakritische Zeichen: Māriya al-Qibṭīya, ʿUfair, Yaʿfūr, Šīrīn,an-niyāḥa ʿalā al-maiyit, Ibn Māǧa, Zaid ibn Ḥāriṯa

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