Affengeschichten

Seit ungefähr 800 n. Chr., sprich seit Hārūn ar-Rashīd, gab es organisierte Ostindienfahrten vom irakischen Hafen Basra, wie auch aus dem iranischen Sīrāf. Diese Schifffahrt war privatwirtschaftlich: jemand investierte Geld in ein Schiff und in Handelsgut und heuerte einen Kapitän an oder er erwarb einen Anteil an einem Schiff. Dann konnte er nur hoffen und beten, dass das Schiff wohlbehalten und voller kostbarer Ware aus Indien, Indonesien oder China zurückkehren möge. Die Schiffe waren klein, die Risiken groß, und die Gewinne waren Supergewinne — wenn alles klappte. Einen Dachverband wie eine Ostindische Kompagnie gab es nicht, aber die Kapitäne kannten sich, waren untereinander mehr oder weniger solidarisch und halfen einander in der Ferne, nach Möglichkeit.
Ein Seefahrer dieses Typs ist Sindbad aus Tausendundeine Nacht. Wenn er auch eine fiktive Figur ist, die Erzählungen über ihn vermitteln ein gewisses Bild der Schifffahrt, und mehr noch des Seemannsgarns, das die Seefahrer spannen. Berichte, die nicht fiktiv angelegt sind, sind kaum realistischer. Die erzählenden Kapitäne und Matrosen sind Vorläufer der späteren, ebenfalls sehr gesprächigen niederländischen und englischen Seefahrer.
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Es folgen gleich einige Anekdoten aus dem 9. und 10. Jahrhundert, aus denen hervorgeht, dass damals zwischen Menschen und Affen nicht immer scharf unterschieden wurde.1 Offensichtlich fiel es vielen arabischen und persischen Seefahrern einfach schwer, die Arten auseinander zu halten. Sie meinten auch, dass die Schwarzen in Afrika und die Angehörigen der „primitiven“ Völker in Zentral- und Südasien keine Seele hätten — was natürlich den Sklavenhandel sehr erleichterte. Europäer haben es ihnen später nachgemacht und dachten über die Schwarzen in Afrika dasselbe.

  • Dort [auf der Insel Rami, d.h. Sumatra] leben in den Wäldern nackte Menschen, deren Sprache unverständlich ist, denn sie ist nur ein Gepfeife. Sie sind klein und menschenscheu; ihre Länge beträgt vier Spann; Männer wie Frauen haben kleine Geschlechtsteile. Auf ihrem Kopf haben sie ein rotes Flaumhaar. Sie klettern auf Bäume, nur mit ihren Händen, ohne die Füße aufzusetzen.
  • Im dortigen Meer gibt es weiße Menschen, die in Windeseile schwimmend Schiffe überholen. Sie tauschen Ambra gegen Eisen, das sie dann in ihrem Mund transportieren.
  • Es gibt auch eine Insel, auf der Menschen mit schwarzem Kraushaar leben, die Menschen lebendig in Scheiben schneiden und aufessen.2
  • Muhammad ibn Bābishad erzählte mir, dass in der Nähe von Sanfīn, in den Tälern Lameri und Qaqula, riesige Affen leben würden. Jede Gruppe von ihnen hat einen Führer, der noch größer ist als die anderen. Manchmal kommen sie aus den Wäldern zu den Durchgangsstraßen, schlagen die Reisenden und versperren ihnen den Weg; es sei denn, diese geben ihnen ein Tier, ein Schaf oder ein Rind oder etwas anderes Essbares. Wie Muhammad erzählt, war es des Öfteren passiert, dass diese Affen ihnen den Weg versperrten, ihre Kleider zerrissen, sie von allen Seiten überfielen und ihre Wasserschläuche zerschnitten, und dies alles war passiert, als sie sich in einer Wüste weit von jeder Wasserstelle befanden. Als sie den Affen etwas gaben, wurden sie in Ruhe gelassen; dann aber waren sie ohne Wasser. Der Großteil der Reisenden starb somit vor Durst und nur Wenige konnten die nächste Wasserstelle erreichen.3
  • Der Matrose und die Affenmutter
    Ein Mann erzählte mir auf Gewähr eines Matrosen eines seiner Schiffe, dass jener im Jahr 309 [das ist AD 912] auf dem Schiff eines seiner Kapitäne nach Qaqula gefahren war. Sie kamen wohlbehalten an, brachten ihr Handelsgut an Land und transportierten einen Teil davon zu einer Stadt im Landesinneren, die sieben Tagesreisen vom Meer entfernt liegt. Sie zogen das Schiff in einer kleinen Bucht an Land, auf drei, vier Parasangen4 von Qaqula, schütteten einen Damm zwischen dem Schiff und dem Meer auf, deckten es ab und stellten Pfähle rundherum, womit sie es stützten. Dann fuhr der Matrose fort: „Sie ließen mich mit dem nötigen Proviant zurück und gingen alle zu dieser Stadt, in der sie verbleiben wollten, um Handel zu treiben. Als sie weg waren, erschien ein Haufen Affen, die um das Schiff herumliefen und versuchten an Bord zu klettern, aber ich bewarf sie mit Steinen. Eine ziemlich große Äffin ließ sich nicht verjagen und schaffte es, über eine Seite des Schiffs an Bord zu gelangen. Ich war gerade beim Essen und warf ihr ein Stück Brot zu, das sie aufaß. Sie blieb eine Weile bei mir und ging dann von Bord. Sie blieb weg bis zum Abend, wo sie nochmals erschien, mit einer Staude von ungefähr zwanzig Bananen in ihrem Maul. Sie schrie auf, ich ging nachschauen und sie kam an Bord. Die Bananen legte sie vor mich hin und ich aß einige davon. Danach blieb sie bei mir, und sie lief auf und ab mit Bananen und Obst aus dem grünen Tal. Die Nacht verbrachte sie auf dem Schiff, dicht neben mir. So erweckte sie meine Lust und ich schlief mit ihr. Kaum waren drei Monate vergangen, da wurde sie dicker und fing an wie eine schwangere Frau zu gehen. Sie wies auf ihren Bauch. Ich verstand, dass sie schwanger von mir war. Ich war davon sehr bedrückt und fürchtete die Schande, wenn die Männer zurückkehrten und sähen, was Sache war. Aus Scham nahm ich das Beiboot des Schiffs und befestigte daran einen Mast, Segel und einen Anker. Ich besorgte mir Schläuche Wasser und Mundvorrat, nahm meine Kleider und was ich sonst noch besaß und brachte es an Bord. Ich wartete einen Augenblick ab, da die Äffin nicht da war, ging an Bord der Schaluppe und fuhr aus, das große Risiko in Kauf nehmend. Das Schiff ließ ich unbemannt zurück. Nach mehr als zwanzig zām5 landete ich auf einer der Andamanen, nachdem ich fast vor Elend umgekommen war. Ich blieb einige Tage auf der Insel um mich zu erholen und vom süßen Wasser zu trinken, das es dort gab, aß Früchte und Bananen, bis es mir besser ging. Auf der Insel sah ich niemanden, außer einigen Fischern in Booten, die zwischen den Bäumen an Land gingen. Dann ging ich wieder auf See, ohne zu wissen, wohin es mich treibt. Ich fuhr ungefähr 70 zām,5 bis ich auf einer Insel landete, die Badfārkalah(?) heißt. Dort blieb ich, bis ich nach Kalah wegkommen konnte. Nach einiger Zeit traf ich den Besitzer und die Seeleute meines Schiffs und ich fragte sie, wie es ihnen ergangen sei. Sie sagten, sie seien zum Schiff zurückgekehrt und hätten an Bord eine Äffin vorgefunden, die einige Äffchen in die Welt gesetzt habe, mit Gesichtern, die aussähen wie Menschengesichter, mit unbehaarter Brust und mit Schwänzen, die viel kürzer seien als Affenschwänze. Sie hätten schon vermutet, dass die Äffin von mir schwanger geworden sei und dass ich im Beiboot geflüchtet sei, weil sie eben außer dem Beiboot und meinen Sachen nichts vermissten. Manche dachten, dass die Äffin mich getötet hätte und dass das Beiboot von einem Passanten oder Fischer gestohlen worden wäre; das wussten sie nicht so genau. Die Äffin und ihre Sprösslinge hätten sie mit Steinen verjagt.“
    Mein Gewährsmann erzählte zuletzt, dass der Matrose sehbehindert sei und dass er auf die Frage, ob ihm nichts aufgefallen sei, geantwortet habe: „Ich sah so schlecht, dass ich nicht bemerkte, dass ich mit einer Äffin schlief. Während meiner Zeit auf See war mein Sehvermögen immer schlechter geworden.“6

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Affen als Hauspersonal: drei Anekdoten von vor tausend Jahren:

  • In einem der Dörfer in …. sah jemand im Haus eines Kaufmanns einen Affen, der dessen Hausangestellter war. Er fegte das Haus aus, öffnete und schloss die Tür für Besucher, zündete das Feuer unter dem Kochtopf an, blies es an, bis es gut brannte, fütterte es mit Brennholz, jagte die Fliegen vom Tisch und fächelte seinem Herrn Kühlung zu.
  • In Zafār, einer Stadt im Jemen, gab es einen Schmied, der einen Affen hatte, der den ganzen Tag den Blasebalg bediente. Der Affe blieb ungefähr fünf Jahre bei ihm. Ich war mehrmals in der Stadt, und immer sah ich das Tier bei ihm.
  • Jemand hat mir von einem Affen erzählt, der im Haus eines Mannes irgendwo im Jemen lebte. Der Mann kaufte Fleisch, brachte dieses mit nach Hause und beauftragte den Affen darauf aufzupassen. Dann kam ein Milan angeflogen, der vor den Augen des verdutzten Affen das Fleisch wegschnappte. Im Innenhof des Hauses stand ein Baum. Der Affe kletterte ganz nach oben und wandte seinen Hintern in die Luft, mit seinen Vorderbeinen daneben, während er seinen Kopf nach unten hängen ließ. Der Milan hielt dieses Hinterteil für ein Stück Fleisch, das er weggeschnappt hatte. Er stürzte sich darauf, aber da packte der Affe ihn und brachte ihn nach unten in das Haus. Er legte ihn unter eine Schüssel, die er mit einem großen Gegenstand beschwerte. Als der Hausherr zurückkam, fand er das Fleisch nicht vor. Er ging auf den Affen zu um ihm ein paar Schläge zu verpassen. Der Affe lief zur Schüssel und holte den Milan hervor. So verstand der Mann, was geschehen war. Er nahm den Vogel, rupfte ihn und kreuzigte ihn am Baum.7

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ANMERKUNGEN    (Die arabischen Texte sind noch nicht ganz vollständig.)
1. Remke Kruk, „Traditional Islamic Views of Apes and Monkeys,“ in: Ape, Man, Apeman. Changing Views since 1600, ed. R. Corbey & B. Theunissen, Department of Prehistory, Leiden University 1995, 2–38. Hier herunterzuladen.
2. Die ersten drei Fragmente sind aus Ibn Ḫurdāḏbeh (Khordadhbeh), Kitāb al-masālik wal-mamālik, hg. M.J. de Goeje, Leiden 1889, 65. Die „Menschen“ mit dem roten Flaumhaar im ersten Fragment müssen wohl Orang Utans sein. Die Geschöpfe in den beiden anderen Fragmenten sind tatsächlich Menschen. Hatten die „weißen“ Menschen sich vielleicht weiß angemalt? So etwas sieht man in der Tat manchmal auf Fotos.

وبها ناس عراة في غياض لا يفهم كلامهم لأنه صفير وهم صغار يستوحشون من الناس طول الإنسان منهم أربعة أشبار للرجل ذَكر صغير وللمرأة فرج صغير شعر رؤوسهم زَغَب أحمر يتسلقّون على الأشجار بأيديهم من غير أن يضعوا أرجلهم عليها.
وفي البحر ناس بيض يلحقون المراكب سباحةً والمركب في سرعة الريح يبيعون العنبر بالحديد يحملوته في أفواههم.
وجزيرة فيها ناس سود مفلفلون يأكلون الناس أحياءً يشرّحونهم تشريحًا.

3. Bozorg ibn Šahriyār al-Rāmhurmuzī, ʿAǧāʾib al-Hind, hg. P. A. van der Lith, Leiden 1883–86 (mit franz. Übers.), 66-67. Diese Bösewichte scheinen mir etwas zu groß, zu unvegetarisch, zu clever und zu gehässig, um Affen sein zu können.

وذاكرت محمد بن بابشاد في حديث القردة وما يحكي عنها فحدثني بصفات كثيرة من أحاديثهم. فمما حدثني به أن بنواحي صنفين وبوادي لامري وبوادي قاقلة قردة في نهاية الكبر وأنّ لكل فرقة منها أمير خلقته أعظم من خلق باقيها وأنّهم ربّما خرجوا من الغياض الى الطرق والمسالك فتضرب السفّارة فتمنعهم السبيل دون أن يعطوهم شيئًا من الحيوان مثل الغنم والبقر وغير ذلك من المأكولات. وذكر محمد بن بابشاد أنه حدثه غير واحد أنه اجتاز على قطعة منهم مع جماعة معه فمنعوهم من المشي فحاربوهم فمزّقوا ثيابهم وتواثبوا عليهم من كل مكان وقطعوا قربهم وهو في مفازات بعيدة عن الماء فأعطوهم شيئًا فتركوهم ولا ماء لهم. فمات أكثر القوم عطشًا ولم يصل منهم الى الماء الثاني الاّ القليل.

4. Etwa fünfzehn, zwanzig Kilometer.
5. Ein zām soll @@ gewesen sein (W. Hinz, Islamische Maße und Gewichte umgerechnet ins metrische System, Leiden 1955, @)
6. Al-Rāmhurmuzī, ibid., 67–70. Wenn Menschen mit Äffinnen Kinder bekommen könnten, hätten wir es längst gewusst. Sollte eine reale Begebenheit zu Grunde liegen, müsste die junge Mutter also wirklich eine Einheimische gewesen sein. In diesem Fall könnte man das Verhalten der Seeleute als protokolonial bezeichnen.

وحدثني أن رجلاً من بانانيّة مركب كان له حدثه أنه خرج في سنة تسع وثلثمائة في مركب لبعض النواخذة إلى قاقلة فانهم وصلوا بالسلامة ونجلوا أمتعتهم إلى البرّ وحملوا بعض الأمتعة إلى بلد بينه وبين البحر مسيرة سبعة أيّام ونحوها. فلما حملوا تلك الأمتعة إلى ذلك البلد رفعوا المركب في خَور صغير على ثلثة فراسخ من قاقلة أو أربعة وسدّوا بينه وبين البحر وجلّلوه وأقاموا الخشب حولها وسنّدوه. قال هذا البناني وتركوا معي من الزاد حاحتي ومضوا بأسرهم إلى تلك المدينة فأقاموا في بيعهم وشرايهم فلمّا بعدوا عني جاءني عدة من القِرَدة فطافوا حول المركب وراموا الصعود اليّ فرميتهم بالحجارة ولاحقتْ المركب قردة لها خلق وجثة فطردتها فلم تبرح فسارقتني من بعض جوانب المركب فصعدتْ اليّ فلما حصلت معي في المركب وكنت آكل فطرحت لها كسرة من خبز فأكلته وأقامت عندي ساعةً ثم نزلت فغابت عن عيني إلى العَشيّ ثم وافت وفي فمها قنو صغير فيه نحو من عشرين موزة فصاحت فتطلّعت اليها فصعدت الى المركب فوضعت الموز بين يديّ فأكلت وأقامت عندي بعد ذلك قكانت تغيب وتجيء بالموز والفاكهة التي في تلك الغَوطة وصارت تبيت معي في المركب والى جانبي فشاقت نفسي اليها فوطيتها فما مضت ثلثة أشهر في مقامي في الموضع حتى ثقلت وجعلت تمشي متحاملة وأومت الى بطنها فعلمت أنها قد حملت منّي. فورد عليّ من ذلك أمر عظيم فخفت الفضيحة متا جاء القوم وشاهدوا الأمر. فحملني الحياء الى أن أخذت دونيج المركب وحملت لها دقلا وشراعا وأنجرا وجعلت فيه قرب ماء وزادا وأخذت ثيابي وما كان معي وحملته فيه. وتعمدت وقتا تغيب فيه القردة فنزلت الى الدونيج ودخلت البحر على غرر عظيم وخطر شديد. وتركت المركب ليس معه أحد فسرت نيفا وعشرين زاما ووقعت الى جزيرة من جزائر أندمان بعد أن كدت الى أن أتلف لعظيم ما مرّ بي من الشدّة. فأقمت في تلك الجزيرة أياما حتى استرحت وأخذت من ماء عذب كان فيها ملؤ قربة ومن ثمار فيها وموز وأصلحت أمري. ولم أكن رأيت بالجزيرة أحدا الاّ الصيادين في قوارب ينزلون بين الشجر. فسرت في البحر لا أدري أين آخذ ولا أهتدي نحو سبعين زاما، فوقعت في جزيرة يقال لها بدفاركله فأقمت بها الى أن خرجت منها الى كله فخرجت منها فلقيت بعد ذلك بزمان صاحب ذلك المركب وقوم راكبون فيها، فقلت: ما شأنكم؟ فقالوا إنهم وردوا الموضع فوجدوا في المركب قردة قد وضعت قردا أو قردين وجوههم تشبه وجوه بني آدم سواء وصدورهم لا شعر عليها وأذنابهم فيها قصر عن أذناب القرود، وظنّوا أن القردة حملت من ذاك الباناني وأنه هرب في الدونيج، لأنهم ما فقدوا شيئا غير الدونيج وآلته وأنّ بعضهم ظنّ أنّ القردة قتلته وأنّ الدونيج سرقه مجتاز أو صيّاد ورجموا الظنون ورموا بالقردة وأولادها. قال لي محمد بن بابشاد: وكان هذا الباناني الذي حدّثني ضعيف البصر جدّا، فسألته عن ذلك، فقال: ضعف بصري لمّا كنت أجامع القردة، وزاد في ضعفه طول مكثي في البحر.

7. Al-Rāmhurmuzī, ibid., 77-78.

وحدثني من رأى قردا بقرية من قرى … في منرل بعض التجار يخدمه يكنس منرله  ويفتح الباب لمن دخل ويغلقه خلفه ويقد النار تحت القدر وينفخ فيه حتي يقد ويطاعمه الحطب وينش الذبّان عل المائدة ويروّح على مولاه بالمروجة.

وحدثت أنه كان بالظَفار من مدائن اليمن حدّاد عنده قرد ينفخ على الكور طول نهاره أقام عنده كذاك نحو خمس سنين وترددت الى البلد سفرات وأنا أبصره عنده.

Diakritische Zeichen: Hārūn ar-Rašīd, Muḥammad ibn Bābišad, Ṣanfīn, Ẓafār

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Der Schamhaarfriseur

Der Syrische Ritter Usāma ibn Munqidh (1095–1188) hat die Kreuzritterstaaten in Palästina und Teilen Syriens erlebt und hat auch einige christliche Ritter persönlich kennen gelernt. Er hatte keine hohe Meinung von den Europäern. Ihren Mut fand er bewundernswert, ihre Kultur und Zivilisation aber primitiv. Kein Wunder auch: zu jener Zeit war die arabisch-islamische Zivilisation der westeuropäischen weit überlegen. Auch die Sittlichkeit der Europäer hielt er für minderwertig. Männer fanden es zum Beispiel nicht anstößig, wenn ihre Frauen auch mit anderen Männern verkehrten. Selbstverständlich hatten sie auch keine Ahnung von den guten Manieren im Badehaus. Ihre Barbarei illustriert Usāma in seinen Memoiren mit einer Anekdote, die er von einem Bademeister namens Sālim gehört haben will. Dieser erzählt:

  • Ich hatte in al-Ma‘arra ein Badehaus eröffnet um damit meinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Eines Tages trat ein Ritter von den Franken herein. Sie haben eine Abneigung dagegen, dass man im Bad den Gürtel seines Kleidungsstück zugeknöpft hält; so streckte er seine Hand aus, zog den Gürtel von meinem Mittel und warf ihn zur Seite. Er schaute auf mich und sah, dass ich vor kurzem mein Schamhaar abrasiert hatte. Er sagte: „Sālim!“ Er kam näher, er streckte seine Hand aus, legte sie auf mein Schambein und sagte: „Sālim, gut! Bei der Wahrheit meiner Religion, mach das auch bei mir!“ Er legte sich auf seinen Rücken. Es war wie sein Bart, was er dort hatte. Ich rasierte ihn und er fuhr mit seiner Hand darüber und spürte wie glatt es war. Darauf sagte er: „Sālim, bei der Wahrheit meiner Religion, mach dasselbe bei der Dame!“ „Dame“ ist in ihrer Sprache das Wort für „Frau“; will sagen, seine Ehegattin. Zu einem Diener sagte er: „Sag zu Madame, sie soll hierher kommen!“ Der Diener kam zurück mit der Frau des Ritters und brachte sie ins Badehaus. Sie legte sich auf ihren Rücken und der Ritter sagte: „Mach bei ihr dasselbe was du bei mir gemacht hast.“ Darauf rasierte ich ihr das Haar weg, während ihr Gatte daneben saß und zuschaute. Als ich fertig war, bedankte er sich bei mir und gab mir eine gute Belohnung für meine Dienste.1

Mehr als sechs Jahrhunderte später, im Jahr 1801, schrieb ‘Abd ar-Rahmān al-Djabartī (1754–1826) ein Tagebuch über die Besetzung Ägyptens durch Napoleon. Al-Djabartī hatte eine höhere Wertschätzung der Europäer als Usāma seinerzeit gehabt hatte. Er war von der französischen Militärdisziplin und Effizienz beeindruckt und bewunderte die Tätigkeiten der Wissenschaftler und Künstler, die Napoleon mitgebracht hatte. Auch das war kein Wunder: Inzwischen hatte Europa sich entwickelt, während Ägypten gerade durch eine Periode der Stagnation ging. Als minderwertig aber empfand er die Moral der Franzosen, namentlich die der französischen Frauen:

  • Ihre Frauen bedecken sich nicht und kennen keine Sittsamkeit. Es ist ihnen egal, ob sie ihre Schamteile entblößen. […] Manchmal betritt eine ihrer Frauen den Laden eines Barbiers und bittet ihn ihr Schamhaar zu rasieren. Wenn er will, kann er seine Belohnung in Naturalien empfangen.2

Die meisten Kreuzfahrer dürften keine verfeinerten Menschen gewesen sein, und die „Damen“, die sie bei sich hatten, waren es mit Sicherheit nicht. Für die Soldaten Napoleons und die sie begleitenden Frauen gilt wohl dasselbe. Trotzdem verstehen wir auf Anhieb, dass die beiden Autoren nie eine Frau gesichtet haben, deren Schamgegend von einem Friseur rasiert wurde, und ihre Zeitgenossen ebenso wenig. Wir haben es hier mit einer Großstadtlegende (urban legend) zu tun, die sich sechs Jahrhunderte gehalten hat und bei al-Djabartī noch erheblich pikanter geworden ist.

ANMERKUNGEN

1. [Usāma ibn Munqidh, Kitāb al­-iʿtibār:] Ousama ibn Mounkidh. Un émir syrien au premier siècle des Croisades. hg. H. Derenbourg, Paris 1893, 101. Das ganze Buch ist zwei mal ins Deutsche übersetzt: – [Usāma ibn Munqidh, Kitāb al­-iʿtibār:] Die Erlebnisse des syrischen Ritters Usāma ibn Munqid. Unterhaltsames und Belehrendes aus der Zeit der Kreuzzüge, übers. Holger Preißler, Leipzig/Weimar 1981, und Usâma ibn Munqid, Ein Leben im Kampf gegen Kreuzritterheere, übers. G. Rotter, Tübingen/Basel 1978. Ich weiß nicht, welche Übersetzung die beste ist.

‎ومن ذلك انه كان عندنا رجل حمامي يقال له سالم من أهل المعرة في حمام لوالدي رحمه الله. قال: فتحت حماماً في المعرة أتعيش فيا، فدخل إليها فارس منهم وهم ينكرون على من يشد في وسطه الأزر في الحمام، فمد يده وجذب مئزري من وسطي رماه، فرآني وأنا قريب عهد بحلق عانتي، فقال سالم: فتقربت منه، فمد يده على عانتي وقال: سالم جيد! وحق ديني أعمل لي كذا! واستلقى على ظهره وله مثل لحيته في ذلك الموضع، فحلقته فمر يده عليه فاستوطأه فقال: سالم بحق دينك، اعمل للدام! والدام بلسانهم الست يعني امرأته. وقال لغلام له: قل للداما تجيء. فمضى الغلام أحضرها وأدخلها، فاستلقت على ظهرها وقال: اعمل كما عملت لي، فحلقت ذلك الشعر وزوجها قاعد ينظرني، فشكرني ووهبني حق خدمتي.

2. Al-Djabartī: Tarīkh muddat al-faransīs bi-Misr. Al-Jabartī’s chronicle of the first seven months of the French occupation of Egypt, hg. und übers. S. Moreh, Leiden 1975, S. 12:

ونساؤهم لا يستترون ولا يحتشمون ولا يبالون بكشف العورات […] وربما دخلت المرأة منهن الى حانوت الحلاق ودعته لحلق عانتها، وإن شاء أخذ أجرته منه.

Diakritische Zeichen: Usāma ibn Munqiḏ, ʿAbd ar-Raḥmān al-Ǧabartī, Miṣr

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Burka for men

Arabische Männer tragen traditionell keine Burkas,1 vielleicht weil sie das mit Weiblichkeit assoziieren. So verzichten sie auf ein praktisches Kleidungsstück, das den Träger vor Sonnenbrand, Staub, Sand und einem unangenehmen Ausblick schützt, und seinen Gegenüber gegebenenfalls vor dem Anblick einer abstoßenden Visage oder einer schlechten Frisur. Die Tuareg haben das besser verstanden; bei ihnen trugen und tragen die Männer tiefblaue Gesichtsschleier.
In Bagdad verschleierte sich früher nur gelegentlich ein empfindlicher Mann, wie z.B. Ibn Djāmi‘, der Freund des Ibn Dāwūd al-Isbahānī (± 868–910). Ibn Djāmi‘ hatte keine abstoßende Visage; im Gegenteil, er fand sich viel zu schön für die Öffentlichkeit. Als der Kalif – laut einer Anekdote – ihn einmal um ein Beispiel seiner Rücksicht auf Ibn Dāwūd bat, antwortete er:

  • Ich ging einmal ins Badehaus und als ich es wieder verlassen wollte, schaute ich in den Spiegel und fand mein Spiegelbild schöner als je zuvor. Ich bedeckte mein Gesicht und schwor, dass niemand vor ihm es zu sehen bekomme. Dann ging ich eilends zu ihm; er nahm meinen Schleier ab und schaute mich an. Er war froh und glücklich, und sagte: Es gibt keinen Gott außer Gott! Lob sei Ihm, der ihn erschaffen hat! Darauf rezitierte er den Koranvers 3:6: „Er ist es, der euch im Mutterleib gestaltet, wie er will.“ Ich erzählte ihm, wie es mir zumute gewesen sei, und blieb den Tag bei ihm.2

Ein Text aus dem 13. Jh. kennt das Phänomen des verschleierten Mannes ebenfalls:

  • […] Daher erzählt einer der leute, die etwas von der liebe verstehen, er habe einmal zugehört, wie ein geliebter seinen liebhaber mit vorwürfen überschüttete, die so hart waren, das es dem zuhörer zu herzen ging. Dieser wollte nach dem vorfalle den geliebten zur rede stellen wegen der behandlung, die er dem liebenden hatte zuteil werden lassen. Doch als dieser zu ihm herauskam, war er verschleiert (mubarqa‘). Als er fragte, was das bedeute, sprach jener: Er hat meine harte vorwürfe ertragen, er ist zu mir aus seiner heimat ausgewandert, um mein gesicht sehen zu können. Darum lasse ich niemand mein gesicht sehen als ihn.3

Auch heute können Männer ihr Gesicht verschleiern; zum Beispiel ob der Diskretion. Irakische Polizisten umwickeln ihren Kopf, um unerkannt zu bleiben; sie wären sonst ihres Lebens nicht sicher. Man behauptet, Burkas würden gelegentlich auch von Bankräuber und Terroristen verwendet. Das wird eher eine Großstadtlegende (moderne Sage; urban legend) sein; im Nahen Osten achtet man ja sehr genau auf die Bewegungen des weiblichen Körpers und es ist unwahrscheinlich, dass Selbstmordattentäter für die gute Sache mit ihrem Allerwertesten wackeln möchten. Sich in Burka vermummende Männer werden auch in dem Hit der afghanischen Burka Band erwähnt, die leider nur kurz existierte.

jewish-men-wearing-burkasStrenggläubige Muslime sollten sich vielleicht an ultraorthodoxen jüdischen Männern ein Beispiel nehmen. Diese verschleiern nicht ihre Frauen, sondern benutzen selbst Augen- und Seitenklappen um die verführerischen Frauen nicht sehen zu müssen.
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Die Burka hat auch eine erotische Funktion. Hier ein verschleierter Afghane beim Schwofen. In Europa wird der erotische Wert der Burka, auch in der Latex-Version, vor allem in Fetischistenkreisen erkannt, bei Frauen wohl noch eher als bei Männern. Aber seit Michael Jackson mal eine Abaya anzog, bei einem Tag shoppen in Bahrein, galt es auch in bestimmten homosexuellen Kreisen in London als cool, sich in einer Burka eben nicht zu zeigen. Ein Trend ist es wohl nicht geworden; die betreffenden Webseiten, die auch die Möglichkeit boten Burkas zu kaufen, sind wieder verschwunden.

ANMERKUNGEN:
1. Burka ist ein arabisches Wort: burqu‘ oder burqū‘ oder burqa‘ (برفع، برقوع). Ich schreibe es auf Deutsch, weil es vor allem in Westeuropa üblich ist. Das Wort ist aus Afghanistan zu uns gekommen, wo es über Indien gelandet war. In Afghanistan heißt das betreffende Kleidungsstück jedoch Tschaderi (چادرى‎).
2. As-Safadī, Salāh ad-dīn Khalīl ibn Aibak, al-Wāfī bi’l-wafayātDas Biographische Lexikon usw., hg. Helmut Ritter, İstanbul/Leipzig 1953, iii, 59–60:

دخل على ابن داود ابراهيم بن (محمد) نفطويه وقي ضنى على فراشه فقال له: يا أبا بكر ما هذا مع القدرة والمحبوب مساعد؟ فقال: أنا في آخز يوم من أيام الدنيا لا أنالني الله شفاعة محمد ص إن كنت حللت سراويلي على حرلم قط. حدثني أبي العباس: قال رسرل الله ص: من عشق فكتم وعفّ وصبر ثم مات مات شهيدا وأدخله الله الجنة.

3. Ibn al-Dabbāġ (gest. 1296). Zitiert in Helmut Ritter, Das Meer der Seele, Leiden 1955, 383. Arabischer Text nicht zur Verfügung.

Kleidung
• Damen: Kopftuch, Schleier, Burka & Co, Tschadorhot pants
• Herren: Lendentuch, langes Gewand, Arabische Kleidung in der Bibel

Diakritische Zeichen: Ibn Dāwūd al-Iṣbahānī, Ibn Ǧāmiʿ, mubarqaʿ

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