Ibn Dawud: Verliebtheit als Krankheit

(Übersetzter Text, 10. Jahrhundert)

„Ein Mediziner hat gesagt: Leidenschaftliche Liebe ist eine Begierde die im Herzen entsteht, in das sich die Substanzen des Verlangens sammeln. Je nachdem sie stärker wird, wird der Verliebte aufgeregter und hartnäckiger und seine Unruhe und Schlaflosigkeit nehmen zu. Dabei wird sein Blut verbrannt und in schwarze Galle umgesetzt, und seine gelbe Galle entzündet sich und geht ebenfalls in schwarze Galle über. Dieses Übermaß an schwarzer Galle verdirbt das Denkvermögen, was mit Stottern, Abnahme der Vernunft, unrealistischen Erwartungen und unerfüllbaren Wünschen einhergeht, bis es letztendlich zum Wahnsinn führt. Ein Verliebter tötet dann häufig sich selbst, oder er stirbt vor Kummer, oder er schaut die ganze Zeit auf den Gegenstand seiner Leidenschaft und stirbt dann vor Freude oder Gram. Oder er gibt einen Seufzer von sich, infolge dessen sein Geist vierundzwanzig Stunden lang verschwindet, so dass man denkt, er wäre gestorben, und ihn bei lebendigem Leibe begräbt. Oder er seufzt so tief dass sein Atem in seinem Herzbeutel stecken bleibt; das Herz umschließt ihn und lässt ihn nicht mehr los bis er stirbt. Oder er ist ruhig und starrt die ganze Zeit auf seine Geliebte, oder er sieht diese plötzlich, und dann ist seine Seele auf einmal weg, ganz unerwartet.
Bei einem leidenschaftlich Verliebten lässt sich beobachten, dass das Blut bei bloßer Nennung seines Geliebten aus seinem Gesicht wegzieht; in diesem Fall kann der Ablauf sein wie erwähnt. Wenn jemand in diesem Zustand verkehrt, kann Eingreifen von Menschenhand ihm nicht helfen, sondern er kann nur noch durch eine Gnade, die ihm seitens des Allerhöchsten widerfährt, geheilt werden. Das ist, weil eine zeitweilige Erkrankung, die aus einer unabhängig bestehenden Ursache hervorgeht, zwar beendet werden kann, indem man ihre Ursache wegnimmt, aber wenn zwei Ursachen gleichzeitig auftreten und die eine ist die Ursache der jeweiligen anderen, dann gibt es keine Manier eine von der beiden zu beenden. Wenn die schwarze Galle die Ursache stetigen Grübelns ist, und dies ist wiederum die Ursache des Verbrennens und Umsetzens von Blut und gelber Galle, so dass die Melancholie noch verstärkt wird, dann nimmt das Grübeln mit der schwarzen Galle zu, und die schwarze Galle mit dem Grübeln. Dies ist eine unheilbare Krankheit, die Ärzte nicht behandeln können.“

Ausgabe und Übersetzung eines Textes von Muḥammad ibn Dāwūd al-Iṣbahāni (Bagdad, 869–910), Kitāb al-Zahra, hg. A.R. Nykl, Chicago 1932, S. 17. Auf Grund der Handschriften und Textzeugen habe ich einige Textänderungen durchgeführt.

وقال بعض المتطبّبين: العشق طمع يتولّد في القلب وتجتمع اليه موادّ من الحرص. فكلّما قوِي ازداد صاحبه في الاهتباج واللَجاج وشدّة القلَق وكثرة السهر، وعند ذلك يكون احتراق الدم واستحالته الى السوداء والتهابُ الصفراء وانقلابُها الى السوداء. ومن طُغيان السوداء فساد الفكر، ومع فساد الفكر تكون الفدامة ونُقصان العقل ورجاء ما لا يكون وتمنِّي ما لا يتمّ حتّى يؤدّي ذلك الى الجنون. فحينئد رُبّما قتل العاشقُ نفسَه ورُبّما مات غَمّاً ورُبّما نظر الى معشوقه فيموت فرحًا أو أسفًا، ورُبّما شهَق شهقةً فتختفي منها رُوحُه أربعًا وعشرين ساعةً، فيظنّون أنّه قد مات فيقبِرونه وهو حيّ. ورُبّما تنفّس الصُعداءَ فتختنق نفسُه في تأمور قلبه، وينضمّ عليه القلبُ فلا ينفرج حتّى يموت. ورُبّما ارتاح وتشوّف للنَظَر أو رأى من يُحبّ فجأةً، فتخرج نفسُه فجأةً دفعةً واحدة. وأنت ترى العاشق إذا سمع بذكر من يُحبّ كيف يهرُب ويستحيل لونُه وإن كان الأمر يجري على ما ذُكر. فإنّ زوال المكروه عمّن هذه حاله لا سبيل إليه بتدبير الآدميين ولا شفاءَ له الّا بلطفٍ يقع له من ربّ العالمين، و ذلك أن المكروه العارض من سبب قائمٍ منفردٍ بنفسه يتهيّأ التلطّف في إزالته بإزالة سببِه، فإذا وقع السببان وكلّ واحد منهما علّه لصاحبه لم يكن الى زوال واحد منهما سبيل. فإذا كانت السوداء سببًا لاتّصال الفكر وكان اتّصالُ الفكر سببًا لاحتراق الدم والصفراءِ وقلبِها الى تقوية السوداء فالسوداءُ كلّما قويت قوّت الفكرَ، والفكرُ كلّما قوِي قوّى السوداءَ. وهذا هو الداءُ العياء الذي يعجَز عن معالَجته الأطِبّاءُ.

Weiterführende Literatur: H.H. Biesterfeldt und D. Gutas, „The Malady of Love,“ JAOS 104 (1984), 21–55.

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Ibn Dawud als Rechtsgelehrter: Wein

(Übersetzter Text)

Ein gewisser Kalif,1 dessen Vernunft durch die Betrunkenheit der Lüste benebelt ist, wird vielleicht sagen: „Wie kann [Wein] verboten und tadelnswert sein und zur gleichen Zeit lobenswert, obwohl doch seine Substanz (ʿayn) ein und dieselbe ist und die Scharia ihn nicht für verboten erklärt?“ Man könnte ihm entgegen halten: „Der Wein, der in dieser Welt tadelnswert ist, ist nicht derselbe wie der Wein, der im Jenseits lobenswert ist, denn diejenigen, die ihn dort trinken, bekommen weder Kopfweh noch werden sie betrunken.2 Jener Wein führt nicht zu Aggression oder Hass, und wird niemanden davon abhalten, Gott zu gedenken oder von seinen Ordnungen ablenken. Aber der Wein hier tut das alles schon, und deshalb ist der Wein in dieser Welt tadelnswert und der im Jenseits lobenswert.“ 3

ANMERKUNGEN:
1. Baʿḍ al-ḫulafāʾ: gemeint ist vielleicht Ibn al-Muʿtazz, ein Zeitgenosse des Autors, der einen Tag lang Kalif war und eine freizügige Abhandlung zum Weintrinken geschrieben hat: (Fuṣūl al-tamāṯīl, Cairo 1925). Oder soll man statt al-ḫulafāʾ vielmehr al-ḫulaʿāʾ lesen, „ausschweifend, liederlich“? Aber das Wort hatte meines Wissens zu der Zeit noch nicht diese moderne Bedeutung.
2. Koran 56:19.
3. Muḥammad ibn Dāwūd al-Iṣbahānī, Kitāb al-Zahra, Kap. 81.

فلعل بعض الخلفاء أن يغلب على عقله سكرة الأهواء فيقول: كيف تكون محرمة مذمومة وممدوحة، وعينها واحدة، ولم تأت الشريعة بتحريمها؟ فيقال له: الخمر المذمومة في هذه الدار غير الخمر المدوحة في تلك الدار، لأن أصحاب تلك الدار لا يصدعون عنها ولا ينزفون منها، وتلك لا توقع العداوة والبغضاء، ولا تصد عن ذكراه وعن فرضه. وهذه الخمر تفعل جميع ذلك، فلهذه العلل صارت الخمر في الدنيا مذمومة وفي الآخرة ممدوحة.

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Ibn Dawud: der Liebestod

Ibn Dawud, mit vollständigem Namen Abū Bakr Muhammad ibn Dāwūd al-Isbahānī (Bagdad, 868–910), soll an unerfüllter Liebe gestorben sein. Dazu gibt es eine Anekdote, von der ich drei Varianten gefunden habe.

Die klassische, oder besser: meist zitierte Version nenne ich Version 1:

  • [Langer Isnad …] – von Ibrāhīm ibn ‘Arafa Niftawayh, dem Grammatiker: Ich besuchte Muḥammad ibn Dāwūd al-Isbahānī während der Krankheit, an der er gestorben ist, und fragte ihn:
    – Wie fühlst du dich jetzt? Er antwortete:
    – Die Liebe für du-weißt-schon hat mich in den Zustand gebracht, den du siehst.
    – Was hat dich daran gehindert, dich an ihm zu ergötzen, so lange du es konntest?
    – Genuss hat zwei Aspekte: die verbotene Wollust und das erlaubte Anschauen. Das letzte hat mich in den Zustand gebracht, den du siehst. Und von der verbotenen Wollust hat mich der Hadith abgehalten, den mein Vater mir von Suwaid überliefert hat [… folgt Isnad, der zurückgeht bis zum] – Propheten: „Wer leidenschaftlich liebt, es verbirgt, keusch bleibt und darin beharrt, dem schenkt Gott Vergebung und den führt er ins Paradies.“
    Darauf rezitierte er einige Verse aus eigener Hand:

    • Schau auf den Zauber seiner Augen,
      schau auf die Schwärze seines trägen Blicks.
      schau auf die Härchen seiner Backe,
      zerstreut wie Ameisen, krabbelnd auf Elfenbein.1

    und ebenfalls:

    • Was hat man gegen seine Backenschwärze
      wo man blühenden Zweigen nichts vorzuwerfen hat?
      Wenn die Schwärze auf seinen Backen eine Schande ist,
      sind Augenlider das auch für die Augen.

    Ich sagte zu ihm:
    – Im Recht lehnst du Analogien also ab, aber in der Poesie nicht?
    – Ja, dazu haben das Besiegen der Leidenschaft und die Beherrschung der Lust mich gebracht.
    Er verstarb noch in derselben Nacht, oder am Tag danach.2

Version 2. Eine Variante der Erzählung lautet wie folgt:

  • Al-Marzubānī sagt […] – Abū ‘Abdallāh Niftawayh und Muhammad ibn Dāwūd al-Isbahānī verband eine feste Zuneigung und ein vollkommenes Zugetansein. Ibn Dāwūd war in Abū al-Ḥusain Muḥammad ibn Ǧāmiʿ aṣ-Ṣaydalānī verliebt, was zu seinem Tod geführt hat.
    Ibn ʿArafa Nifṭawayh hat gesagt: Ich besuchte ihn während der Krankheit, an der er gestorben ist, und fragte ihn:
    – Was ist mit Ihnen, mein Herr?
    Er antwortete:
    – Die Liebe für du-weißt-schon hat mich in den Zustand gebracht, den du siehst.
    – Was hindert dich daran, dich an ihm zu ergötzen so lange du noch kannst?
    – Den Genuss gibt es in zwei Sorten: eine verbotene und eine erlaubte. Was die verbotene betrifft, Gott bewahre!, und die erlaubte hat mich in diesen Zustand gebracht.
    Darauf sagte er: Suwaid [… folgt Isnad] – der Prophet hat gesagt: „Wer liebt, keusch bleibt, es verbirgt und dann stirbt, der stirbt als Märtyrer.“ Daraufhin wurde er ohnmächtig, und als er zu sich kam, öffnete er seine Augen. Ich sagte:
    – Ich sehe, dass dein Herz jetzt ruhiger schlägt und deine Stirn nicht mehr so schweißnass ist; das ist ein Zeichen guter Gesundheit.
    Aber er stimmte an und rezitierte:

    • Ich sage zu meinen beiden Freunden, die mich zu trösten versuchen,
      fehlgeleitet durch meine jetzt ruhige Stirn:
      „Sucht Trost in Selbstbeherrschung beim Verlust eures Bruders,
      fangt an zu beten und lasst mich in Ruhe!
      Ich höre nicht zu stöhnen auf, weil meine Krankheit nachlässt,
      ich bin zum Stöhnen zu schwach geworden.“1

    Er verstarb noch in derselben Nacht; das war im Jahr 297 [= 909 AD].
    Die Menschen sagen, dass Niftawayh darunter sehr gelitten habe, untröstlich gewesen sei und ein Jahr lang keine Sitzungen abgehalten habe. Nach diesem Jahr sei er wieder erschienen und habe wieder Sitzungen abgehalten. Als er darauf angesprochen worden sei, habe er geantwortet: Abū Bakr ibn Dāwūd hat mir mal gesagt, als wir über die Erfüllung der Freundschaftspflichten diskutierten: „Das Wenigste, was jemand für einen [verstorbenen] Freund tun kann, ist Trauer3 tragen während eines ganzen Jahres, nach dem Vers Labīds:“

    • Bis zu einem Jahr; dann sprich das Wort: „Adieu!“
      Wer ein volles Jahr weint, ist entschuldigt.

    Wir haben also ein Jahr um ihn geweint, wie er es verlangt hatte.4

Version 3:

  • Als Ibn Dawud dem Tode schon sehr nah war, kam Ibrāhīm ibn ‘Arafa Niftawayh zu ihm zu Besuch und sagte: „Abū Bakr,5 was ist das, wo du doch kannst und dein Geliebter willig ist?“ Er antwortete: „Dies ist der letzte Tag meines Lebens in dieser Welt. Möge Gott Mohammeds Fürsprache fern von mir halten, wenn ich je meine Hose für Verbotenes aufknüpfe! Mein Vater hat mir überliefert, mit einem Isnad bis zu Ibn ‘Abbās: „Wer leidenschaftlich liebt, es verbirgt, keusch bleibt und darin beharrt und dann stirbt, stirbt als Märtyrer und Gott führt ihn ins Paradies“.“6

.
Ich muss Sie enttäuschen: diese rührende Sterbeszene hat so nicht stattgefunden. Diese Anekdote ist berstend voll von Motiven aus Ibn Dawuds Buch Kitab az-Zahra und von Auffassungen zu juridischen Themen, derentwegen er bekannt war. Sie ist mit az-Zahra im Hinterkopf geschrieben.

So lange du konntest: „Wer durch Unvermögen von verbotenen Handlungen abgehalten wird, verdient keinen Dank,“ sagt Ibn Dawud in seinem Buch.7 Keuschheit üben, ohne zum Gegenteil in der Lage zu sein, ist sittlich nicht wertvoll.

Der erlaubte Blick kann eine juristische Meinung Ibn Dawuds gewesen sein. Während die meisten Rechtsschulen ein-, höchstens zweimal einer künftigen Ehefrau ins Gesicht zu sehen für erlaubt hielten, soll Ibn Dawud dies in uneingeschränkter Zahl für erlaubt gehalten haben. Möglich ist es, aber es kann auch sein, dass dieser Standpunkt aus seinem Kitab az-Zahra destilliert worden ist, in dem ja die Wirkung des Blickes in der Liebe ausführlich behandelt wird. Gleich schon die Überschrift des ersten Kapitels lautet: „Viel Anschauen führt zu langem Seufzen.“ 8

Die Lust auf andere Personen als einer Ehepartnerin oder einer Sklavin ist nach den Schariagelehrten verboten, obwohl zu jener Zeit Geschlechtsverkehr mit einem Mann oder einem heranwachsenden Jüngling von niemandem so tragisch genommen wurde. Ob Ibn Dawud dies vielleicht strenger als die meisten Juristen betrachtete, ist unbekannt. Wahrscheinlicher ist, dass der Erzähler durch einen Hinweis auf ein bestehendes Verbot die Chose etwas pikanter machen wollte, zumal Ibn Dawud selbst Schariagelehrter war. In Version 3 wird die Wollust schon recht unumwunden angedeutet („[…] Hose aufknüpfe“).

Sehr naheliegend war die Anwendung des berühmten Liebeshadiths (hadīth al-‘ishq), der die Keuschheit propagiert, weil dieser von Ibn Dawud selbst (in einer etwas anderen Fassung) in seinem Kitab az-Zahra verbreitet worden ist. Auch deswegen war er berühmt. Die Überschrift des Kapitels, in dem er den Liebeshadith zitiert, lautet: „Ein verfeinerter Mensch hat keusch zu leben.“ 9

Geheimhaltung. In diesem Hadith kam auch das Geheimhaltungsmotiv vor. In der obigen Anekdote finden wir es in den Worten: „Meine Liebe für du-weißt-schon“ wieder. In Version 2 wird zwar der Namen des Geliebten genannt, aber nur im Vorspann; nicht in der eigentlichen Anekdote.

Poesie auf dem Totenbett. Vor dem Sterben muss unbedingt noch etwas Poesie vorgetragen werden, wie bei uns in der Oper ein Sterbender mit seinem letzten Atem noch gerne eine Arie singt. Die Gedichtchen sind nicht denen ähnlich, die wir sonst von Ibn Dawud lesen. Die Erzähler haben ein paar beliebige, in den beiden Versionen unterschiedliche Verse eingefügt. Knaben mit beginnendem Bartwuchs wurden in der arabischen Poesie oft genug besungen, aber bei Ibn Dawud eben nicht.

Analogie. Der besuchende Freund analysiert scharf: Während Ibn Dawud dafür bekannt war, im Recht keine Analogieschlüsse anzuwenden, tat er das offensichtlich in der Poesie schon; zumindest in diesem „Zitat“. Man kann Niftawayhs Bemerkung als Kritik an Ibn Dawuds Ablehnung der Analogie (qiyās) im Recht lesen.

Der Liebestod wird merkwürdigerweise im Kitāb al-Zahra ausdrücklich empfohlen. In einem Vers „eines Zeitgenossen“, der von Ibn Dawud selbst stammen könnte, lesen wir:

  • Gib dir selbst und nicht den Reittieren die Schuld!
    Und stirb vor Gram, denn Achtsamkeit ist passend.10

Der Dichter kritisiert hier die traditionellen Liebesdichter. Diese werfen nämlich gemeinhin den Kamelen vor, dass die mit ihren Geliebten weit weggeritten sind. Aber ein Liebender, der wirklich unter der Trennung leidet, sollte nicht über verlassene Zeltlager oder abreisende Kamele jammern, sondern konsequent sein und lieber sterben, so der Dichter.

Ein Jahr Trauer: Der Vers von Labīd wird auch im Kitāb az-Zahra zitiert und besprochen.11 Hieraus wird er seinen Weg in diese Anekdote gefunden haben.

 

ANMERKUNGEN
1. Gedichte poetisch übersetzen kann ich leider nicht.
2. al-Khatīb al-Baghdādī, Ta’rīkh Baghdād, 14 Bde., Kairo 1931 v, 262

أخبرني أبو الحسن بن أيوب بن الحسين بن أيوب القمي – إملاء من حفظه – حدثنا أبو عبيد الله المرزباني وأبو عمر بن حيويه وإبو بكر بن شاذان قالوا: حدثنا أبو عبد الله إبراهيم بن محمد بن عرفة النحوي – نفطويه – قال: دخلت على محمد بن داود الإصبهاني في مرضه الذي مات فيه فقلت له: كيف تجدك؟ فقال: حب من تعلم أورثني ما ترى. فقلت: ما منعك من الاستمتاع به مع القدرة عليه؟ فقال: الاستمتاع على وجهين؛ أحدهما النظر المباح، والثاني اللذة المحظورة. فأما النظر المباح فأورثني ما ترى، وأما اللذة المحظورة، فإنه منعني منها ما حدثني به أبي حدثنا سويد بن سعيد حدثنا علي بن مسهر عن أبي يحيى القتات عن مجاهد عن ابن عباس عن النبي ص أنه قال: من عشق وكتمه وعفّ وصبر غفر الله له وأدخله الجنة. ثم أنشد لنفسه: [من البسيط]
أُنْظُرْ إلَى السِحْرِ فِي لَوَاحِظِهِ * وَانْظُرْ إلَى دَعَجٍ فِي طَرْفِهِ السَّاجِي
وَانْظُرْ إلَى الشَّعَرَاتِ فَوْقَ عًارِضِهِ * كَأَنّهُنَّ نِمالٌ دَبَّ فِي عَاجِ
وأنشد لنفسه: [من الخفيف]
مَا لَهُمْ أَنْكَرُوا سَوَادًا بِخَدَّيْــــــــهِ وَلاَ يُنْكِرُونَ وَرْدَ الغُصُونِ
إنْ يَكُنْ عَيْبُ خَدِّهِ بَدَدُ الشَـــــعْرِ ، فَعَيْبُ العُيُونِ شَعرُ الجُفُون
فقلت له: نفيت القياس في الفقه وأثبتّه في الشعر! فقال: غلبة الهوى وملكة النفوس دعوا اليه. قال: فمات في ليلته أو في اليوم الثاني.

3. Tasallub: ein Wort, das meist von Frauen gesagt wird.
4. Yāqūt ar-Rūmī al-Hamāwī, Irshād al-‘arīb ilā ma‘rifat al-adīb, hg. D.S. Margoliouth, 7 Bde., London  21923–1926, i, 308–310.

قال المرزباني […] وكان بين أبي عبد الله نفطويه وبين محمد بن داود الاصبهاني مودة أكيدة وتصافٍ تام. وكان ابن داود يهوى أبا الحسين محمد بن جامع الصيدلاني هوي أفضى به الى التلف.
[وقال] ابن عرفة نفطويه: فدخلت عليه في مرضه الذي مات فيه. فقلت: يا سيدي ما بك؟ فقال: حب من تعلم أورثني ما ترى. فقلت: ما يمنعك من الاستمتاع به مع القدرة عليه؟ فقال: الاستمتاع نوعان: محظور ومباح. أما المحظور فمعاذ الله منه، وأما المباح فهو الذي صيرني الى ما ترى. ثم قال: حدثني سويد بن سعيد الحدثاني عن أبي يحيى القتات عن مجاهد عن ابن عباس أن النبي ص قال: من حب فعف وكتم ثم مات مات شهيدًا. ثم غُشي عليه ساعة وأفاق ففتح عينيه، فقلت له: أرى قلبك قد سكن، وعرق جبينك قد انفطع، وهذا أمارة العافية. فأنشأ يقول: [من الوافر]
أَقُولُ لِصَاحِبَيَّ وَسَلَّيَانِي * وَغَرَّهُمَا سُكُونُ حِمَى جَبِينِي
تَسَلَّوْا بالّتَعَزِّي عَنْ أَخِيكُمْ * وَخُوضُوا فِي الدُّعَاءِ وَوَدِّعُونِي
فَلَمْ أَدَعِ الْأَنِينَ لِضَعْفِ سُقْمٍ * وَلَكِنِّي ضَعُفْتُ عَنِ الْأَنِينِ
ثم مات في ليلته، وذلك في سنة ٢٩٧. فيقال إن نفطويه تفجع عليه وجزع جزعًا عظيمًا، ولم يجلس للناس سنة كاملة، ثم ظهر بعد السنة وجلس. فقيل له في ذلك فقال: إن أبا بكر بن داود قال لي يوما، وقد تجارينا حفظ عهود الأصدقاء، فقال: أقل ما يجب للصديق أن يتسلب على صديقه سنة كاملة، عملاً بقول لبيد: [من الكامل]
إلَى الْحَوْلِ ثُمَّ اسْمُ السَّلاَمِ عَلَيْكُمَا * وَمَنْ يَبْكِ حَوْلاً كَامِلاً فَقَدِ اعْتَذَرْ
فحزنّا عليه سنةً كما شرط.

5. Das ist Ibn Dawud.
6. As-Safadī, Salāh ad-dīn Khalīl ibn Aibak, al-Wāfī bil-wafayāt, Das Biographische Lexikon usw. , hg. Helmut Ritter, İstanbul/Leipzig 19@@, iii, 59–60:

دخل على ابن داود ابراهيم بن (محمد) نفطويه وقي ضنى على فراشه فقال له: يا أبا بكر ما هذا مع القدرة والمحبوب مساعد؟ فقال: أنا في آخز يوم من أيام الدنيا لا أنالني الله شفاعة محمد ص إن كنت حللت سراويلي على حرلم قط. حدثني أبي العباس: قال رسرل الله ص: من عشق فكتم وعفّ وصبر ثم مات مات شهيدا وأدخله الله الجنة.

7. Ibn Dāwūd al-Isbahāni, Kitāb al-Zahra (The Book of the Flower), The first half, hg. A.R. Nykl und Ibrāhīm Tūqān, Chicago 1933, i, 72 .لأن من منعه من اتيان المنكر عجزه عنه لم يُشكر
8. Ibn Dāwūd, Zahra i, 8 .من كثرت لحظاته دامت زفراته
9. Ibn Dāwūd, Zahra i, 66 .من كان ظريفًا فليكن عفيفًا
10. Ibn Dāwūd, Zahra i, 219 .فَنَفْسَكَ لُمْ وَلاَ تَلُمْ المَطَايَا * وَمُتْ أَسَفًا فَقَدْ حَقَّ الحِذَارُ
11. Ibn Dāwūd, An-nisf ath-thānī min Kitāb az-Zahra ii, hrsg. Ibrāhīm as-Samarrāʾī und Nūrī al-Qaisī, Bagdad 1975, 82, Z. 6.

Diakritische Zeichen: Abū Bakr Muḥammad ibn Dāwūd al-Iṣbahānī, Ibrāhīm ibn ʿArafa Nifṭawayh, Abū al-Ḥusain Muḥammad ibn Ǧāmiʿ aṣ-Ṣaydalānī, ḥadīth al-ʿišq, al-Ḫaṭīb al-Baġdādī, Taʾrīḫ Baġdād, al-Ḥamāwī, Iršād, Aṣ-Ṣafadī, Ṣalāh, Ḫalīl, Ṭūqān, an-niṣf aṯ-ṯānī

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Ibn Dawud: Hadith

Ibn Dāwūds Kitāb al-Zahra enthält ungefähr zehn Hadithe; darunter drei, die erwähnenswert sind.1

1. Der erste wird im Rahmen der Liebestheorie präsentiert: 

  • Abū Bakr Muhammad ibn Ishāq as-Sāghānī – Ibn Abī Maryam – Yahyā ibn Ayyūb – Yahyā ibn Sa‘īd – ‘Amra – Aischa – der Prophet: „Die Seelen sind einberufene Soldaten; diejenige, die sich ineinander wiedererkennen, suchen Gesellschaft miteinander; diejenigen, die das nicht tun, stoßen aufeinander.“ 2

2. Der berühmte Liebeshadith (hadīth al-‘ishq) lautet in der Zahra so:

  • Von meinem Vater – Suwayd ibn Sa‘īd al-Hadathānī – Alī ibn Mushir – Abū Yahyā al-Qattāt – Mudjāhid – Ibn ‘Abbās – der Prophet: „Wer leidenschaftlich liebt, keusch bleibt, es verbirgt und dann stirbt, der stirbt als Märtyrer.“ 3

Ein Märtyrer war ursprünglich jemand, der auf dem Schlachtfeld im Kampf für den Islam umkam und dafür im Jenseits extra Lohn bekam. Weil im Laufe der Zeit immer weniger Muslime an Kampfhandlungen teilnahmen, man sich aber die Privilegien der Märtyrer nicht entgehen lassen mochte, ist der Märtyrerbegriff erweitert worden. Auch Menschen, die z. B. im Ausland oder durch eine Epidemie, im Wochenbett, durch Krankheit, Armut oder Ertrinken starben, galten späterhin als Märtyrer. Der obige Hadith rechnet auch Liebeskummer zu diesen schwierigen Umständen.4 Vielleicht war der *Zāhirite Ibn Dāwūd der erste, der diesen Schmerz ernst nahm. Aber er hat den Hadith sicherlich nicht selbst erfunden, wenigstens nicht dessen Kern. Der Dichter Abū Nuwās (757–815) hatte ihn nämlich schon hundert Jahre zuvor als Witz lanciert. Seine Absicht war wohl auf das sich schnell erweiternde Märtyrerwesen anzuspielen oder es zu verspotten. Sein Hadith hat einen Fantasie-Isnad; der Text lautet: „Wer als Verliebter stirbt, erhält den Lohn des Martyriums.“ Abū Nuwās kann den Text entweder selbst erdacht oder fertig vorgefunden haben.5

3. Mit Hilfe des dritten Hadiths versuchte man die Poesie islamisch zu legitimieren. Auch Ibn Dawud zitiert ihn:

  • (mit unvollständigem Isnad:) Ibn ‘Abbās – der Prophet: „Manche Poesie besteht aus Weisheiten; manche Eloquenz ist Zauberei.“ 6

ANMERKUNGEN
1. W. Raven, Ibn Dāwūd, 13–15.
2. Ibn Dāwūd, Zahra i, 14; A.J. Wensinck, Concordance s.v. djannada; Giffen, Theory 55, Ibn Qayyim al-Djawzīya, Rauda 83. الأرواح جنود مجنَّدة فما تعارف منها ائتلف وما تناكر منها اختلف. Ibn Dāwūd kann as-Sāġānī eventuell noch selbst gekannt haben; dieser wohnte in Bagdad und starb 883, als Ibn Dāwūd 15 Jahre alt war; al-Khatīb al-Bagdādī, Ta’rīḫ Bagdād i, 240–241; Ibn Hadjar al-‘Asqalānī, Tahḏīb at-tahdhīb ix, 35–37.
3. Ibn Dāwūd, Zahra i, 66; nicht in Wensincks Concordance; Giffen, Theory 99ff..قال رسول الله ص من عشق فعفّ فكتمه فمات فهو شهيد
4. E. Kohlberg, Art. „Shahīd,“ in EI 2; W. Raven, Art. „Martyrs,“ in EQ.
5. E. Wagner, Abū Nuwās. Eine Studie zur arabischen Literatur der frühen ʿAbbāsidenzeit, Wiesbaden 1965, 34–5. (ramal)

ولـــقـــد كـُــنّــا رويـْـنــا ‪*‬ عـن سـعـيـدٍ عـن قـتـادةْ
عـن سعيـدِ بـنِ الـمســـيَّـــــبْ أنّ سعْـدَ بـنَ عُبـادةْ
قــال: مـَنْ مـات مُـحِـبـّاً *  فــلـه أَجْــر الــشــهادةْ

6. Es ist der letzte Satz des Kitāb az-Zahra, wenigstens in seiner uns überlieferten Form: Ibn Dāwūd, Zahra ii, 372: إنّ من الشعر لحكمًا وإنّ من البيان لسحرًا . Ungefähr identisch steht es in Abū Dāwūd, Sunan, Adab 87; die beiden Teile des Hadith werden oft separat zitiert.

Diakritische tekens: Muḥammad ibn Isḥāq aṣ-Ṣāġānī, Yaḥyā, ʿĀʾiša, ḥadīth, al-Ḥadaṯānī, Abū Yaḥyā, Muǧāhid, Ẓāhirite, al-Ǧawzīya, Rauḍa, al-Ḫaṭīb al-Baġdādī, Taʾrīḫ Baġdād, Ibn Ḥaǧar, Tahḏīb at-tahḏīb

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„Platonische“ Liebe

Ibn Dāwūd al-Isbahāni (Bagdad, 868-909) kannte die „platonische Liebe,“ — aber natürlich nicht so, wie der Ausdruck heute verstanden wird. In seinem Kitāb az-Zahra hat er zwei Texte, die etwas mit Plato zu tun haben.
Im kürzesten Text nennt Ibn Dāwūd Plato als Autor:

  • Es wird erzählt, dass Plato gesagt habe: „Ich weiß nicht, was Liebe ist, aber ich weiß, dass sie ein göttlicher Wahnsinn ist, der weder zu loben noch zu tadeln ist.“ 1

Im zweiten Text nennt er den griechischen Philosophen nicht, aber wir müssen unweigerlich an dessen halbierte Menschen und ihre Sehnsucht nach ihrem ursprünglichen Gegenstück denken:2

  • Ein Philosoph behauptet, dass Gott jede Seele rund schuf, in der Gestalt einer Kugel, und sie dann in zwei Hälften auseinanderschnitt und jede Hälfte in einen Leib getan hat. [Wenn nun] ein Leib dem Leib begegnet, in dem sich die Hälfte befindet, die von der Hälfte, die er selbst bei sich hat, abgeschnitten war, so entsteht zwischen ihnen leidenschaftliche Liebe, auf Grund ihres früheren Zusammenpassens. Die Anziehungskraft ist bei Menschen stärker oder schwächer, je nach der Subtilität ihrer Natur.3

Bekannt ist die Kritik des Ibn Hazm al-Andalusī (994–1064) an der Theorie der halben Kugeln:

  • Über das Wesen der Liebe gibt es verschiedene Theorien, die von ihren Verfechtern ausführlich dargestellt worden sind. Meine eigene Auffassung ist, daß die Liebe eine Vereinigung von den in dieser Schöpfung getrennten Seelenteilen in ihrem höheren Ursprungselement ist, u.z. nicht so, daß die Seelen in Teile zerlegte Kugeln sind, die Meinung einiger Philosophen, wie sie Muhammad ibn Dawud wiedergibt, sondern in der Weise, daß die beiderseitigen bewegenden Kräfte in der Heimstatt ihrer höheren Welt gleichartig und nach ihrer Bildungsart verwandt sind.4

Aber auch das Kitāb az-Zahra selbst hat in einer der drei Handschriften einen kritischen Kommentar dazu, den Ibn Hazm offensichtlich nicht kannte. Es ist unklar, ob dieser vom Verfasser oder von einem Abschreiber stammt: 

  • Gegen ihn ist einzuwenden: Wenn wir jemanden finden, der eine andere Person leidenschaftlich liebt, und der Liebhaber stirbt dann vor Liebe, aber die andere Person stirbt vor Hass dem Liebhaber gegenüber, wie war seine Hälfte dann abgeschnitten?
    Und wenn wir einen Mann finden, der zwanzig Menschen liebt, wie viele Hälften hat seine Seele dann? 5

 

ANMERKUNGEN
1. Ibn Dāwūd al-Isbahāni, Kitāb al-Zahra (The Book of the Flower), The first half, hg. A.R. Nykl und Ibrāhīm Tūqān, Chicago 1933, S. 15.

وحكي عن افلاطرن أنه قال: ما أدري ما الهوى غير أني أعلم أنه جنون الاهي لا محمود ولا مذموم.

Dieser Satz kommt so bei Plato nicht vor, aber der Inhalt geht zurück auf dessen Phaedrus 244a-245b.
2. Plato, Symposion 189d–193d.
3. Ibn Dāwūd al-Isbahāni, o.c., S. 15.

وزعم بعض المتفلسفين أن الله جل ثناؤه خلق كل روح مدوّرة على هيئة الكرة، ثم قطعها أنصافًا، فجعل في كل جسد نصفًا وكل جسد لقي الجسد الذي فيه النصف الذي قطع من النصف الذي معه كان بينهما عشق للمناسبة القديمة وتتفاوت أحوال الناس في ذلك بين القوة والضعف على حسب رقة طبائعهم.

4. Ibn Hazm, Von der Liebe und den Liebenden, übers. Max Weisweiler, Leiden 1941, S. 19. Im Original: Abû-Muhammed-Alî-Ibn-Hazm al-Andalusî, Tauk-al-Hamâma, hrsg. D.K. Pétrof, St. Petersburg/Leiden 1914, S. 7:

وقد اختلف الناس في مائيته وقالوا وأطالوا والذي أذهب اليه انّه اتّصال بين أجزاء النفوس المقسومة في هذه الخليقة في أصل عنصرها الرفيع، لا على ما حكاه محمد بن داود رحمه الله عن بعض أهل الفلسفة: الأرواح أُكَر مقسومة لكن على سبيل مناسبة قواها في مقرّ عالمها العلوى ومجاورتها في هيئة تركيبها.

Ibn Hazm, Von der Liebe und den Liebenden, übers. Max Weisweiler, Leiden 1941, S. 19.
5. Ibn Dāwūd al-Isbahāni, Kitāb az-Zahra i, Ms. Torino, Bibl. Reale Nr. 68, fol. 11 a/b.

يقال له فهو [إ]ذا [كنا] نجد واحدًا يعشق واحدًا فيموت العاشق من حبّه وذلك الآخر يموت من بغض من يعشقه، فأنّى قَصّة هذا النصف؟ ونجد الرجل أيضًا يعشق عشرين فكم نصف لروح هذا؟

Diakritische Zeichen: Ibn Dāwūd al-Iṣbahāni, Ṭūqān, Ibn Ḥazm al-Andalusī, Ṭauḳ (Ṭauq) al-Ḥamâma

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Burka for men

Arabische Männer tragen traditionell keine Burkas,1 vielleicht weil sie das mit Weiblichkeit assoziieren. So verzichten sie auf ein praktisches Kleidungsstück, das den Träger vor Sonnenbrand, Staub, Sand und einem unangenehmen Ausblick schützt, und seinen Gegenüber gegebenenfalls vor dem Anblick einer abstoßenden Visage oder einer schlechten Frisur. Die Tuareg haben das besser verstanden; bei ihnen trugen und tragen die Männer tiefblaue Gesichtsschleier.
In Bagdad verschleierte sich früher nur gelegentlich ein empfindlicher Mann, wie z.B. Ibn Djāmi‘, der Freund des Ibn Dāwūd al-Isbahānī (± 868–910). Ibn Djāmi‘ hatte keine abstoßende Visage; im Gegenteil, er fand sich viel zu schön für die Öffentlichkeit. Als der Kalif – laut einer Anekdote – ihn einmal um ein Beispiel seiner Rücksicht auf Ibn Dāwūd bat, antwortete er:

  • Ich ging einmal ins Badehaus und als ich es wieder verlassen wollte, schaute ich in den Spiegel und fand mein Spiegelbild schöner als je zuvor. Ich bedeckte mein Gesicht und schwor, dass niemand vor ihm es zu sehen bekomme. Dann ging ich eilends zu ihm; er nahm meinen Schleier ab und schaute mich an. Er war froh und glücklich, und sagte: Es gibt keinen Gott außer Gott! Lob sei Ihm, der ihn erschaffen hat! Darauf rezitierte er den Koranvers 3:6: „Er ist es, der euch im Mutterleib gestaltet, wie er will.“ Ich erzählte ihm, wie es mir zumute gewesen sei, und blieb den Tag bei ihm.2

Ein Text aus dem 13. Jh. kennt das Phänomen des verschleierten Mannes ebenfalls:

  • […] Daher erzählt einer der leute, die etwas von der liebe verstehen, er habe einmal zugehört, wie ein geliebter seinen liebhaber mit vorwürfen überschüttete, die so hart waren, das es dem zuhörer zu herzen ging. Dieser wollte nach dem vorfalle den geliebten zur rede stellen wegen der behandlung, die er dem liebenden hatte zuteil werden lassen. Doch als dieser zu ihm herauskam, war er verschleiert (mubarqa‘). Als er fragte, was das bedeute, sprach jener: Er hat meine harte vorwürfe ertragen, er ist zu mir aus seiner heimat ausgewandert, um mein gesicht sehen zu können. Darum lasse ich niemand mein gesicht sehen als ihn.3

Auch heute können Männer ihr Gesicht verschleiern; zum Beispiel ob der Diskretion. Irakische Polizisten umwickeln ihren Kopf, um unerkannt zu bleiben; sie wären sonst ihres Lebens nicht sicher. Man behauptet, Burkas würden gelegentlich auch von Bankräuber und Terroristen verwendet. Das wird eher eine Großstadtlegende (moderne Sage; urban legend) sein; im Nahen Osten achtet man ja sehr genau auf die Bewegungen des weiblichen Körpers und es ist unwahrscheinlich, dass Selbstmordattentäter für die gute Sache mit ihrem Allerwertesten wackeln möchten. Sich in Burka vermummende Männer werden auch in dem Hit der afghanischen Burka Band erwähnt, die leider nur kurz existierte.

jewish-men-wearing-burkasStrenggläubige Muslime sollten sich vielleicht an ultraorthodoxen jüdischen Männern ein Beispiel nehmen. Diese verschleiern nicht ihre Frauen, sondern benutzen selbst Augen- und Seitenklappen um die verführerischen Frauen nicht sehen zu müssen.
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Die Burka hat auch eine erotische Funktion. Hier ein verschleierter Afghane beim Schwofen. In Europa wird der erotische Wert der Burka, auch in der Latex-Version, vor allem in Fetischistenkreisen erkannt, bei Frauen wohl noch eher als bei Männern. Aber seit Michael Jackson mal eine Abaya anzog, bei einem Tag shoppen in Bahrein, galt es auch in bestimmten homosexuellen Kreisen in London als cool, sich in einer Burka eben nicht zu zeigen. Ein Trend ist es wohl nicht geworden; die betreffenden Webseiten, die auch die Möglichkeit boten Burkas zu kaufen, sind wieder verschwunden.

ANMERKUNGEN:
1. Burka ist ein arabisches Wort: burqu‘ oder burqū‘ oder burqa‘ (برفع، برقوع). Ich schreibe es auf Deutsch, weil es vor allem in Westeuropa üblich ist. Das Wort ist aus Afghanistan zu uns gekommen, wo es über Indien gelandet war. In Afghanistan heißt das betreffende Kleidungsstück jedoch Tschaderi (چادرى‎).
2. As-Safadī, Salāh ad-dīn Khalīl ibn Aibak, al-Wāfī bi’l-wafayātDas Biographische Lexikon usw., hg. Helmut Ritter, İstanbul/Leipzig 1953, iii, 59–60:

دخل على ابن داود ابراهيم بن (محمد) نفطويه وقي ضنى على فراشه فقال له: يا أبا بكر ما هذا مع القدرة والمحبوب مساعد؟ فقال: أنا في آخز يوم من أيام الدنيا لا أنالني الله شفاعة محمد ص إن كنت حللت سراويلي على حرلم قط. حدثني أبي العباس: قال رسرل الله ص: من عشق فكتم وعفّ وصبر ثم مات مات شهيدا وأدخله الله الجنة.

3. Ibn al-Dabbāġ (gest. 1296). Zitiert in Helmut Ritter, Das Meer der Seele, Leiden 1955, 383. Arabischer Text nicht zur Verfügung.

Kleidung
• Damen: Kopftuch, Schleier, Burka & Co, Tschadorhot pants
• Herren: Lendentuch, langes Gewand, Arabische Kleidung in der Bibel

Diakritische Zeichen: Ibn Dāwūd al-Iṣbahānī, Ibn Ǧāmiʿ, mubarqaʿ

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