Sira (Kurzdefinition)

Sira (Arabisch سيرة, sīra) bedeutet „Lebenslauf, Biografie“. In islamischem Kontext ist „die“ Sira meistens die Biografie des Propheten Mohammed. Der Begriff war anfangs umfassender.

Über die Biografie des Propheten gibt es, bzw. kommt ungefähr folgendes:

Andere Kurzdefinitionen: Anlässe der Offenbarung, DhimmiFatwa, Hadith, Isnad, Isra’iliyatKalif, Koranauslegung, Muslim, Prophetenerzählungen, Sabab an-nuzul, Scharia, Sunna, Tafsir, Taqiya

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Listen in der Sira

Sīra-Texte enthalten etliche Namenslisten: die ältesten Konvertiten zum Islam, die Kämpfer in den wichtigsten Schlachten, diejenigen die (auf beiden Seiten) dabei gefallen waren, die Empfänger eines Anteils an der Kriegsbeute, die Emigranten (muhādjirūn) nach Abyssinien (Äthiopien) und nach Medina, die Helfer (ansār) dort, und diejenigen, die aus Abyssinien zurückkamen oder in dem Land gestorben waren, alle sind aufgelistet worden; des Weiteren Personen, die an bestimmten Verhandlungen teilgenommen haben und die Mitglieder bestimmter Stämme, die sich dem Propheten angeschlossen hatten. Solche Listen können aus der Regierungskanzlei (dīwān) kopiert worden sein, wo sie anfangs eine Rolle spielten beim Feststellen von jemands Rang und vom Umfang der staatlichen Zuwendung (‘aṭā’), zu der man berechtigt war.1 In der Sira bezwecken die Listen Ähnliches wie die Gattung ‘Verdienste der Gefährten’, nämlich den Ruf der erwähnten Prophetengefährten zu etablieren und zu vergrößern. 
Historiographischer Natur sind die Listen der militärischen Verrichtungen des Propheten.2
Die größten Listenmacher waren al-Wāqidī und Ibn Sa‘d. Letzterer hat sogar Listen von den Kamelen und Ziegen des Propheten veröffentlicht.3

Einen biblischen Hintergrund hat die Auflistung der zwölf ersten Helfer (ansār), die auf eine Stufe mit den zwölf Jüngern Jesu gestellt werden;4 die Beschreibung des Weges, den Mohammed bei seiner Emigration von Mekka nach Medina zurückgelegt hat, vielleicht auch. Die Route5 ist an sich nicht aufsehenerregend;  warum würde jemand sie aufzeichnen? Vielleicht ist sie durch die biblische Liste der Halteplätze während Israels Exodus inspiriert.6

ANMERKUNGEN
1. Siehe A.A. Duri, „Dīwān i,“ in EI 2; G.-R. Puin, Der Dīwān von ʿUmar ibn al-Hattāb, Diss. Bonn 1970.
2. Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, hrsg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 972–3; auch Muhammad ibn Sa‘d, at-Tabaqāt al-kubrā, hrsg. H. Sachau et al., 9 Tle., Leiden 1905–1940, II, i,1–2.
3. Ibn Sa‘d, o.c. I, ii, 176-9. Es ist wenig sinnvoll dies als zuverlässige Quelle der Geschichtsschreibung zu betrachten, wie es  H. Eisenstein zu tun scheint in seinem „Die Maultiere und Esel des Propheten,“ Der Islam, 62 (1985), 98–131.
4. Ibn Ishāq, o.c., 299.
5. Ibn Ishāq, o.c., 332-3.
6. Numeri 33.

Diakritische Zeichen: muhāǧirūn, anṣār, ʿaṭāʾ, al-Ḫaṭṭāb, Ibn Isḥāq, Muḥammad, aṭ-Ṭabaqāt

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Ibn Ishaqs Prophetenbiographie

Vielerorts wird gemeint, dass Ibn Hishām (gest. ± 830) der wichtigste Biograph Mohammeds gewesen sei. Das ist nicht richtig; er war nur Bearbeiter und Herausgeber des früheren Werks von Muhammad ibn Ishāq (704–767).1 Diesen kann man tatsächlich als den wichtigsten Verfasser von siraLiteratur betrachten. Er hatte sich früh auf Erzählungen und Geschichtsschreibung spezialisiert, aber auch im Hadith kannte er sich aus. Sein wichtigster Lehrmeister war al-Zuhrī, und mehrere Verwandte des ältesten Biographen, Urwa ibn az-Zubair, waren seine Informanten.
Nicht alle Gelehrten in Medina wussten Ibn Ishāqs Arbeit zu schätzen. Er lebte in einer Zeit, in der die Produkte der Erzähler nicht länger in Gunst standen und allmählich nur noch Hadithe mit zuverlässigen Überliefererketten gefragt waren. Nach einem Konflikt mit Mālik ibn Anas, dem größten Rechtsgelehrten in Medina, verließ er seine Vaterstadt und zog in den Irak. Dort bat ihn der Abbasidenkalif al-Mansūr (reg. 754–75)  ein umfassendes Geschichtswerk zu schreiben, das die Zeit von der Schöpfung bis zu dessen eigenen Zeit abdecken sollte. Die Materialien, die Ibn Ishāq zuvor gesammelt und seinen Schülern diktiert hatte, nehmen in diesem Werk eine zentrale Stelle ein.

Sein großes Werk bestand aus drei Teilen. Im ersten, al-Mubtada’ („Am Anfang“) behandelte er die Schöpfung der Welt, die Propheten von Adam bis Jesus und die Araber in vorislamischer Zeit. Der zweite Teil, al-Mab‘ath („Die Sendung“), beschrieb das Leben Mohammeds bis zu seiner Emigration nach Medina. Der dritte Teil, al-Maghāzī („Kriegszüge“), handelte von der Tätigkeit Mohammeds in Medina; ein hinzugefügter vierter Teil von seinen Nachfolgern, den Kalifen. Anders als seine Vorgänger sammelte Ibn Ishāq nicht nur Material. Er komponierte ein Werk mit einer Struktur, und ordnete seinen Stoff bald chronologisch, bald thematisch. Offensichtlich gab es nur ein Exemplar des riesigen Werks, in der Hofbibliothek des neu gegründeten Bagdads. Ibn Ishāq „veröffentlichte“ daraus, indem er seinen Schülern Teile diktierte, die sie wortgetreu niederschrieben.
Das Buch selbst gibt es nicht mehr, aber große Bruchstücke, vor allem aus den ersten drei Teilen, sind in zahlreichen Abschriften, Zusammenfassungen und Zitaten von Kompilatoren bewahrt geblieben, die wiederum die Abschriften der ersten Schüler weiterreichten.2 Drei Herausgeber von Ibn Ishāqs Werk sind hier erwähnenswert, weil sie große Teile seiner Texte überliefert haben.

1. Der bekannteste ist in der Tat ‘Abd al-Malik ibn Hishām,1 dessen tausendseitige Auswahl aus Ibn Ishāqs Werk der erste sīra-Text war, der fortan in gleichbleibender Form überliefert wurde. Neben dem Leben Mohammed behandelt er noch das alte Arabien: die Christen und Juden dort, und die Ka‘ba, aber nicht die früheren Propheten. In ausführlichen Anmerkungen erklärte er schwierige Begriffe und fügte er Erzählungen, Poesie und genealogisches Material hinzu. Ibn Hishām nahm keine Texte auf, die er theologisch unkorrekt befand und schnitt Sätze weg, wo er dies nötig erachtete.

2. Der Iraner at-Tabarī (gest. 923)4 hat in seinem riesigen Geschichtswerk Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk beträchtliche Teile von Ibn Ishāqs Werk überliefert. Für dessen ersten Teil, das Kitāb al-Mubtada’, ist at-Tabarī sogar die wichtigste Quelle.5 Der Teil über Mohammed ist eine Rezension, die sehr verwandt ist mit der des Ibn Hishām.6 Zwei auffällige Texte, die Ibn Hishām nicht aufgenommen hatte, sind hier bewahrt worden: einer über Mohammeds Vorhaben, Selbstmord zu begehen7 und die Erzählung von den *Teufelsversen.8 Der Anfang des Ta’rīkh bietet Weltgeschichte. Das Leben Mohammeds bildet den Teil zwischen der Frühgeschichte (hier einschließlich der alten persischen Könige) und die Periode der Kalifen. Viel von Ibn Ishāqs sira-Material ist auch in at-Tabarīs Tafsīr auffindbar, aber dort muss es mühsam aus vielen Stellen zusammengelesen werden.9

3. Der am wenigsten bekannte Herausgeber von einem Teil des Werks ist Ahmad ibn ‘Abd al-Djabbār al-‘Utāridī (794-886).10 Er basierte seine Ausgabe auf die Überlieferung des Yūnus ibn  Bukair (gest. 815), eines Schülers Ibn Ishāqs.11 Was von seinem Text bewahrt geblieben ist, entspricht ungefähr einem Fünftel von Ibn Hishāms Rezension. Es wurde erst 1976 gedruckt und ist nicht übersetzt worden. Al-‘Utāridī überliefert manchmal Erzählstoff von Ibn Ishāq, den Ibn Hishām wohl aussortiert hätte. (@Beispiele sollen her.) Überdies fügt auch er Material hinzu, das überhaupt nicht auf Ibn Ishāq zurückgeht.12

ANMERKUNGEN
1. Über ihn: Schoeler, Charakter, 37–51; Newby, Making, 1–31; Duri, Rise, 32–7; Jones, Ibn Isḥāḳ.
2. Ein Überblick in A. Guillaume, The Life of Muhammad, xxx–xxxi.
3. Watt, Ibn Hishām; Schoeler, Charakter, 50–3.
4. C.E. Bosworth, „Al-Tabarī,“ in EI 2.
5. At-Tabarī, Ta’rīkh, i, 9–872 (Fragmente). Die Prophetenerzählungen stehen auch in Newby, Making.
6. ibid., i, 1073–1837.
7. ibid., i, 1147.
8. ibid., i, 1192–6.
9. Nützliche Hinweise jedoch in Newby, Making.
10. Sezgin, GAS, i, 146.
11. ibid., i, 289.
12. Siehe Muranyi, Riwāya. Beschreibung des Inhalts bereits in Guillaume, New light. Übersetzte Fragmente in Rubin, Eye, Index s.v. Yūnus b. Bukayr, und in Schoeler, Character, Index s.v. Yūnus und al-‘Utāridī.

Bibliographie
Primär:
– Ibn Ishāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, ed. F. Wüstenfeld, Göttingen, 2 dln., 1858–60 [editio princeps des arabischen Texts]. Auch online vorhanden.
– idem: A. Guillaume, The Life of Muhammad. A translation of Isḥāq’s (sic!) Sīrat Rasūl Allāh, Oxford 1955 [auch wichtige Einleitung].
– idem: Das Leben des Propheten, übers. Gernot Rotter, Tübingen 1976,  4. Aufl. Kantern 2008 (Auswahl).
– idem, die Rezension des al-‘Utāridī: Sīrat Ibn Ishāq al-musammā bi-Kitāb al-mubtada’ wal-mab‘ath wal-maġāzī, hrsg. M. Hamīd Allāh, Rabat 1976, nachgedruckt Konya 1981 (eine andere Ausgabe: Ibn Ishāq, Kitāb as-Siyar wal-maġāzī, ed. S. Zakkār, Beirut 1978).
– At-Tabarī, [Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk =] Annales, uitg. M.J. de Goeje et al., 14 Bde., Leiden 1879–1901. In dieser Ausgabe hier online (vollständig?); in einer no name Ausgabe hier
– idem, idem, englische Übersetzung: E. Yarshater (hrsg.), The history of al-Tabarī. An annotated translation, 39 Bde., Albany 1985–1999.
– idem, Djāmi‘ al-bayān fī tafsīr al-Qur’ān, versch. Ausgaben. Online hier.

Sekundär:
– A.A. Duri, The rise of historical writing among the Arabs, hrsg. und übers. L.I. Conrad, Einl. F.M. Donner, Princeton 1983 (= überarbeitete Übers. von Baḥt fī naš’at ʿilm at-ta’rīḫ ‘inda al-‘arab, Beirut 1960).
– A. Guillaume, New light on the life of Muhammad, Manchester o. J. (JSS Monograph 1).
– J.M.B. Jones, ‘Ibn Isḥāḳ,’ in EI2.
– M. Muranyi, ‘Ibn Isḥāq’s Kitāb al-Maġāzī in der riwāya von Yūnus b. Bukair. Bemerkungen zur frühen Überlieferungsgeschichte,’ in JSAI 14 (1991), 214–75.
– G.D. Newby, The making of the last prophet. A reconstruction of the earliest biography of Muhammad, Columbia, SC 1989.
– A. Noth and L.I. Conrad, The early Arabic historical tradition. A source-critical study, Princeton 1994.
– W. Raven, ‘Sīra and the Qurʾān,’ in EQ.
– U. Rubin, The Eye of the Beholder. The life of Muḥammad as viewed by the early Muslims. A textual analysis, Princeton 1995.
– G. Schoeler, Charakter und Authentie der muslimischen Überlieferung über das Leben Mohammeds, Berlin 1996.
– F. Sezgin, Geschichte des arabischen Schrifttums, 9 vols., Leiden 1967–84.
– W.M. Watt, ‘Ibn Hishām,’ in EI2.
– W.M. Watt, ‘The reliability of Ibn Isḥāq’s sources,’ in T. Fahd (Hrsg.), La vie du prophète Mahomet. Colloque de Strasbourg (octobre 1980), Paris 1983, 31–43.

Diakritische Zeichen: Ibn Hišām, Muḥammad ibn Isḥāq, al-Manṣūr, al-Mabʿaṯ, al-Maġāzī, aṭ-Ṭabarī, Taʾrīḫ, Aḥmad ibn ʿAbd al-Ǧabbār al-ʿUṭāridī, Ǧāmiʿ

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Wie stark war Mohammed?

Jemand fragte mich, wie stark Mohammed gewesen sei. Tja, woher soll ich das wissen? Über das Aussehen des Propheten gibt es die unterschiedlichsten Texte. Manche idealisieren ihn und schildern ihn als stark oder athletisch, ein Superman, während andere, in Übereinstimmung mit dem Koran, ihn als einen normalen Mensch beschreiben. Es gibt sogar Texte, nach denen er etwas beleibt war und eine merkwürdige Gangart hatte.
Große Körperkraft fand ich in der Erzählung über einen Ringkampf, den der Prophet überraschend gewann:

  • Mein Vater hat mir erzählt: Rukāna ibn ‘Abd Yazīd, vom Stamm ‘Abd Manāf, war der stärkste Mann von Quraisch. Eines Tages begegnete der Prophet ihm in einer der Schluchten bei Mekka, alleine.
    „Rukāna,“ sagte er, „warum fürchtest du Gott nicht und befolgst du meinen Aufruf nicht?“
    „Wenn ich wüsste, dass es wahr ist, was du sagt, würde ich dir folgen.“
    „Was denkst du, wenn ich dich zu Boden werfe, weißt du dann, dass es wahr ist?“
    „Na dann, komm schon,“ sagte er, und sie fingen an zu ringen. Der Prophet bekam ihn in einen Griff und streckte ihn nieder, ohne dass jener etwas ausrichten konnte.
    „Mach das noch mal, Mohammed,“ sagte er, und dieser warf ihn noch mal zu Boden.
    „Das ist merkwürdig,“ sagte er, „kriegst du mich wirklich zu Boden?“
    „Ich kann dir etwas noch Merkwürdigeres zeigen, wenn du willst; wenn du dann Gott fürchten und mir folgen wirst.“
    „Was denn?“
    „Wenn ich diesen Baum hier rufe, kommt er zu mir.“
    „Ach ja? Mach das denn mal!“
    Der Prophet rief den Baum, und der kam nach vorne, bis er genau vor ihm stand. Darauf sagte er: „Gehe zurück an deinen Platz!“ und der Baum tat es.
    Rukāna ging zu seinen Leuten und sagte: „Mit dem Kerl kannst du die ganze Welt bezaubern; ich habe noch nie jemanden mit stärkerer Zauberkraft als die seinige gesehen,“ und dann erzählte er, was ihm widerfahren war.

Aber diese Erzählung ist natürlich eine Wundergeschichte. Ein fester Bestandteil der prophetischen Wundergeschichten, bereits im Koran, ist immer die Herausforderung, und die ist hier sehr konkret. Unter normalen Umständen hätte der Prophet nicht gegen Rukāna gewinnen können; das gelang nur, weil Gott ihm half. Und der ganze Ringkampf diente einem höheren Ziel: Rukānas Bekehrung.
Über die eigene Körperkraft des Propheten erfahren wir hier also nicht viel. Die einzig mögliche Schlussfolgerung ist: Diesem Erzähler nach war Mohammed deutlich weniger stark als der stärkste Mann seines Stammes. Hätte er ihn aus eigener Kraft besiegen können, wäre es kein Wunder gewesen, und es hätte diese Erzählung nicht gegeben.

Quelle: Ibn Isḥāq: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, uitg. F. Wüstenfeld, Göttingen 1858–60, 258.

‫{‬أمر ركانة المطلبي ومصارعته للنبي ص‫}
‬


قال ابن إسحاق : وحدثني أبي إسحاق بن يسار ، قال: كان ركانة بن عبد يزيد بن هاشم بن عبد المطلب بن عبد مناف أشد قريش، فخلا يوما برسول الله ص في بعض شعاب مكة، فقال له رسول الله ص: يا ركانة، ألا تتقي الله وتقبل ما أدعوك إليه ؟ قال: إني لو أعلم أن الذي تقول حق لاتبعتك، فقال (له) رسول الله ص: أفرأيت إن صرعتك، أتعلم أن ما أقول حق ؟ قال : نعم ؛ قال : فقم حتي أصارعك. قال: فقام إليه ركانة يصارعه، فلما بطش به رسول الله ص أضجعه، وهو لا يملك من نفسه شيئا، ثم قال: عد يا محمد ، فعاد فصرعه، فقال: يا محمد. والله إن هذا للعجب، أتصرعني؟ فقال رسول الله ص: وأعجب من ذلك إن شئت أن أريكه، إن اتقيت الله واتبعت أمري ، قال: ما هو ؟ قال: أدعو لك هذه الشجرة التي ترى فتأتيني، قال: ادعها، فدعاها، فأقبلت حتى وقفت بين يدي رسول الله ص. قال: فقال لها: ارجعي إلى مكانك. قال: فرجعت إلى مكانها قال: فذهب ركانة إلى قومه فقال: يا بني عبد مناف، ساحروا بصاحبكم أهل الأرض، فوالله ما رأيت أسحر منه قط، ثم أخبرهم بالذي رأى والذي صنع.

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Dreihundert und

Im Film 300 versuchen dreihundert Spartaner und noch einige andere Griechen in der Schlacht bei den Thermopylen (480 v. Chr.) einer großen persischen Übermacht Paroli zu bieten. Die Zahl 300 wird schon beim griechischen Autor Herodot (± 480–425 v. Chr.) erwähnt.1

Dieselbe Zahl kommt auch in der Bibel vor: in der Gideonerzählung, im Buch der Richter.2 Auch dort wird von einer kleinen Schar von erlesenen Kriegern erzählt, die sich gegen eine Übermacht von Midianitern, gewaltig „wie eine Menge Heuschrecken,“ aufgestellt habe. In der Nacht vor der Schlacht hat jemand im feindlichen Lager einen Albtraum, nämlich dass Gideon siegen und das ganze Lager ihm in die Hände fallen wird. Der Sieg des kleinen Trupps wird mit ausdrücklicher Hilfe Gottes errungen.
Richter datiert, so viel ich weiß, auf ± 1000 v. Chr. und ist also erheblich älter als die griechische Erzählung. Dass Herodot das Buch der Richter gekannt hätte, das auf Hebräisch geschrieben ist und zu seiner Zeit nur von Juden in Mesopotamien und Palästina gelesen wurde, ist unwahrscheinlich. Er muss von sich aus auf die Zahl 300 gekommen sein, oder die Erzählung ist in irgendeiner abgeleiteten Form in der alten Welt zirkuliert.

Mit Sicherheit abhängig von der Bibel oder einer jüdischen Bearbeitung der Gideonlegende waren jedoch die arabischen Erzähler, die über Mohammeds Schlacht bei Badr berichteten.3 Dreihundert und noch einige Anhänger des Propheten, als Muslime grundsätzlich Elitekämpfer, überfallen dort eine erheblich stärkere Karawane der noch heidnischen Quraisch. Im feindlichen Lager hat jemand in der Nacht vor der Schlacht einen Traum, in dem die Niederlage vorhergesagt wird; genau so wie in der Gideonerzählung. Auch hier gelingt es der kleinen Schar, mit Gottes Hilfe die größere Gruppe zu besiegen.
Die ± 300 Mann, die Übermacht des Feindes, der Traum und die Hilfe Gottes: So viele Übereinstimmungen können kein Zufall sein; darauf hat Von Mžik bereits vor einem Jahrhundert hingewiesen.4 Es ist abermals ein Beispiel des jüdisch-christlichen Einflusses auf die Biographie des Propheten Mohammeds.

Wie zahlreich sollten, erzähltechnisch betrachtet, die Gegner bei Badr sein? Es sollten nicht so unwahrscheinlich viele wie bei Gideon sein; die Erzählkunst hatte im Lauf der Jahrhunderte schon Fortschritte gemacht. Dass ein Muslim einem Heiden überlegen ist, ist selbstredend. Dass er auch zwei schafft, liegt nahe: durch die Kraft seines Glaubens nämlich.5 Aber zehn, zum Beispiel, wäre wirklich zu viel; dann würde die Erzählung in eine andere Gattung abdriften. Figuren wie Superman, Asterix und Obelix, Bud Spencer und Terence Hill werden mit unbeschränkten Zahlen von Gegnern fertig, aber sie sind deutlich in fantastischen Erzählungen zu Hause. Und die sind ziemlich fade, weil darin die Kämpfe nicht spannend oder real vorstellbar werden. Die Gegner bei Badr belaufen sich auf insgesamt 950; das bedeutet: ein Muslim auf etwas mehr als drei Heiden. Das ist grenzwertig und neigt schon einigermaßen zum Fantastischen, aber wird es doch nicht. Die Erzählung will uns ja klar machen, dass die Schlacht mit Gottes Hilfe gewonnen worden sei, und in den Augen sowohl des Erzählers als der ersten Hörer ist daran nichts Fiktives oder Fantastisches. Die Wahrscheinlichkeit ist so für sie gerade noch nicht beeinträchtigt.

ANMERKUNGEN
1. Herodot, Historiae vii, 205.
2. Richter 7:2–22.
3. Ibn Isḥāq, in: Das Leben Muhammed’s nach Muhammed Ibn Ishâk bearbeitet von Abd el-Malik Ibn Hischâm, […] hrsg. F. Wüstenfeld, 3 Bde., Göttingen 1858–60, S. 428–9, 506, 516 (Arabische Texte). In englischer Übersetzung: A. Guillaume, The Life of Muhammad, A Translation of Isḥāq’s (so!) Sīrat Rasūl Allāh, Oxford 1955, S. 290, 336, 340.
4. Hans von Mžik, ‘Die Gideon-Saul-Legende und die Überlieferung der Schlacht bei Badr. Ein Beitrag zur ältesten Geschichte des Islām,’ Wiener Zeitschift für die Kunde des Morgenlandes 29 (1915), S. 371–383.
5. Das bestätigt ein Hadith: Muslim, @@@, @@@

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Hat es Mohammed wirklich gegeben?

Die Frage wird neuerdings gelegentlich gestellt; auch hat es schon einige Gelehrte gegeben, die sie negativ beantwortet haben. Sowohl die Frage wie auch die Antworten stammen offensichtlich vor allem aus Kreisen von Islamhassern.
Aber sogar wenn ich mich ganz streng und minimalistisch aufstelle, sage ich: Ja, den Mohammed muss es gegeben haben. Für seine Existenz gibt es zu viele Hinweise, auch aus der frühesten Zeit und aus ganz unterschiedlichen Umgebungen, als dass sie verneint werden könnte. Ihn völlig aus dem Nichts zu erfinden hätte die Zusammenarbeit so vieler Menschen jeden Schlages erfordert, wie es redlicherweise nicht möglich ist.
Die Hypothese von Chr. Luxenberg u.a. aus der sog. *Inârah-Gruppe, nach der Mohammed kein Eigenname ist, sondern nur ein Adjektiv, „gepriesen“ oder „lobenswert“, das sich auf Jesus beziehe, kommt mir absurd vor. Bei Gelegenheit komme ich vielleicht darauf zurück; vielleicht auch nicht, denn viel Aufmerksamkeit scheint mir die Idee nicht wert zu sein.

Was wissen wir über Mohammed?
Diese Frage ist interessanter, und hier trennen sich gleich wieder die Geister.

– Muslime wissen alles, was sie über ihren Propheten wissen wollen durch die Kraft ihres Glaubens; ganz einfach.

– „Klassisch“ orientierte Arabisten wie ich, denen so ein Glaube nicht beschert worden ist, haben es schwieriger. Im 19. Jahrhundert meinten die Gelehrten noch vieles über Mohammed zu wissen; viel mehr als über Jesus, und man hielt es noch lange für möglich eine wissenschaftliche Biografie des Propheten zu schreiben. In unserer Zeit dagegen ist die „sichere Kenntnis“ zu fast gar nichts reduziert. Allerdings scheint in den letzten Jahren die „Kenntnis“ wieder Konjunktur zu haben. Sie täuschen sich nicht: Was man über den Propheten zu wissen meint, geht auf und ab, ist zeitgeistempfindlich. Darüber hier mehr.
Persönlich bin ich den Texten gegenüber sehr kritisch; ich „glaube“ nicht viel. Man könnte auch sagen: Ich bin etwas altmodisch, denn die Welle des neuen „Wissens“ hat mich noch nicht erreicht. Für mich steht fest, dass es Mohammed gegeben hat, aber auch, dass es nicht viel über ihn zu wissen gibt. Angesichts meiner Überzeugung, dass auch gründliche Forschung nicht zu einer handfesten Prophetenbiographie führen wird, hat ein Fachkollege mich „pessimistisch“ genannt. Er hat mich nicht verstanden. Pessimistisch ist man, wenn man düsteren Prognosen hat, in diesem Fall: das Eintreten ergiebiger Forschungsergebnisse zu seinem Bedauern nicht zu erwarten vermag. Aber es ist nicht so, dass ich gerne eine reichhaltige und zuverlässige Mohammedbiographie gehabt hätte und jetzt deprimiert bin, weil es diese nicht gibt. Ob nun viel oder wenig über den Propheten bekannt ist, mich persönlich berühren die Forschungsergebnisse nicht. Nur wenn mit ihnen gemogelt wird, dann werde ich ein wenig traurig.

– Nicht-Spezialisten, Arabisten oder nicht, die sich ab und zu mit Mohammed beschäftigen und allerlei über ihn „glauben“: Sie haben einen nicht-religiösen Glauben an die Prophetenbiographie, der oft auf einem horror vacui basiert und schwierig auszurotten ist. Oft haben sie ihre Kenntnis Enzyklopädien, Einführungen und Zusammenfassungen entnommen. Dagegen ist nichts einzuwenden, aber man sollte sich schon bewusst sein, dass diese oft auf älterer Forschung und auch auf Pseudokenntnis basieren. In solchen populären Veröffentlichungen traut man sich nämlich nicht zuzugeben, dass man etwas nicht weiß. Ein Enzyklopädieartikel oder eine Einführung mit vielen weißen Flecken oder Fragezeichen wird nicht akzeptiert, also werden die Lücken beliebig aufgefüllt.

– Letztendlich gibt es Menschen, die sich durch die Medien auf Grund von ganz wenigen und oft unrichtigen Informationen eine Meinung über Mohammed andrehen lassen, die sie, sollten sie je einen biographischen Quellentext lesen, darin meistens bestätigt sehen wollen. Aber warum sollte man über jemanden, der schon so lange tot ist und über den man so wenig weiß, überhaupt eine Meinung haben? Vergleiche: Über Hitler haben die meisten Menschen noch eine Meinung, aber über Napoleon? über Karl den Fünften? Die sind wirklich zu weit weg; ein Laie kennt sie einfach nicht.

Eine kleine Menge biografischer Texte (sīra) kann man mit gutem Willen bis ins Jahr 690, vielleicht 680 zurückzuführen. Mohammed ist nach der meist gängigen Überlieferung 632 gestorben; da gähnt also eine Lücke von einem halben Jahrhundert. Eine ähnliche Wissenslücke existiert zwischen dem Sterbejahr Jesu und den frühesten Evangelien. Zufall? Vielleicht ist das bei der Entstehung einer neuen Religion eher die Regel. Der Gründer wird nach seinem Tode von eventuellen unangenehmen Zügen gereinigt. Nach einem halben Jahrhundert ist ausreichend vergessen, wie er wirklich war, so dass man einen bereinigten Gründer, Heiligen, Propheten, Messias oder was auch immer auf den „Markt“ bringen kann. (Dieses Phänomen sollte lieber von Religionswissenschaftlern studiert werden, oder wird es wahrscheinlich schon längst.)

LESEN?
Einführende Bücher und Büchlein zum Propheten gibt es jede Menge. Oft wiederholen sie die Standarderzählung und einander und bleibt die Frage, ob es über das Leben Mohammeds überhaupt etwas zu wissen gibt, unbehandelt. Wenn man nämlich all zu viel anzweifelt, wird das Buch zu dünn und der Verleger sauer und werden vielleicht Muslime entrüstet, was doch bestimmt niemand möchte. Ein gut geschriebenes, kleines Buch, das sich ziemlich klug hindurchwindet ist:
– Marco Schöller, Mohammed, Suhrkamp Basis Bibiographie 34, 2008.
Zur Prophetenbiographie werden Sie hier auf Dauer noch mehr zu lesen finden. Achten Sie auf das Stichtwort Sira.

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