Der Ameisenlöwe

In einem arabischen Text stieß ich auf das Wort layth, „Löwe“. Aber das passte nicht in den Kontext, es sollte eher ein Insekt sein, so etwas wie eine Spinne. Der syrische Name stand daneben: aryā dedēbābē, der „Fliegenlöwe“. Und in der Tat, das passte. Wir kennen ihn aber als Ameisenlöwe.
In der Antike gab es mehrere zusammengesetzte Tiere. Von den meisten hören wir nicht mehr, aber der Ameisenlöwe ist noch nicht ausgestorben. Im Gegenteil: 2010 war er noch das Insekt des Jahres. Er ist ein nachtaktiver Netzflügler: Myrmeleon formicarius aus der Familie der Ameisenlöwen (Myrmeleontidae).
Als geflügeltes Insekt ist er einer unter vielen. Außergewöhnlich ist jedoch die Larve dieses Tieres. Zur Beutefang gräbt die kleine Larve ein trichterförmiges Loch im lockeren Sand. Wenn eine Spinne oder Ameise hochläuft und auf der Schräge des Trichters landet, kann sie nicht mehr zurück. Die Larve wirft mit ihren Beinen noch mehr Sand auf, das Beutetier rutscht weiter nach unten und wird zwischen den starken Larvenkiefern zerquetscht.

Mich beschäftigte kurz die Frage, woher der Name „Ameisenlöwe“ stammt. Ein Löwe ist zwar auch ein Raubtier, hat aber ansonsten wenig mit diesem Tier gemeinsam, weder in der Größe noch im Verhalten.
Der Ameisenlöwe ist nicht selten und wurde wegen seiner Jagdtechnik von Menschen überall bemerkt. Die alten Griechen kannten ihn mit Sicherheit. Bei Aristoteles heißt er (vielleicht) λύκος, lykos, „Wolf,“ was ebenfalls schwer zu verstehen ist.

Der Name geht auf die Bibel zurück, genauer gesagt auf die griechische Übersetzung der Septuaginta von Hiob 4:11, ± 100 v. Chr. In Luthers Bibelübersetzung lautet der Vers:

  • „Der Löwe kommt um, wenn er keine Beute hat, und die Jungen der Löwin werden zerstreut.“

Der hebräische Text2 hat hier zwei Wörter, die beide „Löwe“ bedeuten: layish und lavī. Im Deutschen gibt es dafür nur ein Wort. Zweimal dasselbe Wort im selben Vers wäre unschön gewesen, aber zum Glück schafften die Jungtiere und die Umwandlung des zweiten Löwen in ein Weibchen etwas Variation. Die griechischen Bibelübersetzer fanden zweimal „Löwe“ offensichtlich auch nicht schön. Sie übersetzten deshalb das erste „Löwe“ als μυρμηκολέων (myrmēkoléōn), in der Tat wörtlich „Ameisenlöwe“, was auch immer das bedeuten mag.3 (Die lateinische Bibelübersetzung Vulgata ging in ihrer Verzweiflung noch weiter und übersetzte es als tigris, „Tiger”. Löwen und Tiger passen in Texten immer gut zusammen; deswegen.)

Was haben sich die Griechen bei ihrer Übersetzung gedacht, was für ein Tier haben sie sich vorgestellt und wie blieb der Name an dieser unliebsamen Larve hängen? Ich habe es (noch) nicht herausgefunden; Sie vielleicht? Ein Text, der vielleicht etwas weiter helfen könnte, ist Herodot (± 485–425 v. Chr), Historiae iii, 102. Dort handelt es sich um eine Wüste in Indien, in der Menschen Goldpartikel aus dem Sand gewinnen, der von sehr großen Ameisen aufgeworfen wird:

  • In dieser Wüste gibt es Ameisen, die etwas kleiner sind als Hunde, aber größer als Füchse. Ein paar wurden gefangen und leben im Tiergarten des persischen Königs. Diese Ameisen bauen ihre Höhlen unter der Erde und graben genau wie die griechischen Ameisen, denen sie sehr ähnlich sind.4

Hier gibt es immerhin riesige „Ameisen” (μύρμηκες, myrmikes), die allerdings bei weitem nicht die Größe eines Löwen erreichen. Manchmal hat man an das tibetische Murmeltier gedacht, aber es kann genau so gut ein Fantasietier sein—und letzteres trifft auch auf den biblischen Ameisenlöwen zu. Inder, die von großen Ameisen Gold wegnehmen, werden übrigens auch bei → Timotheus von Gaza (± 500) erwähnt).5

Soweit ich es überprüfen kann, kommt der griechische Name myrmēkoléōn in griechischen Texten, die älter als die Bibelübersetzung sind, nicht vor, und danach nur noch sporadisch in christlichen oder christlich beeinflussten Texten.
Das christliche Tierbuch Physiologus aus dem zweiten Jahrhundert erzählt von diesem Tier:

  • Elifas, der König von Theman, sagte: [Hiob 4:11]: „Der Ameisenlöwe ging zugrunde, weil er keine Speise fand.“ Der Physiologus sagte vom Ameisenlöwen, er sei vorne wie ein Löwe, hinten aber wie eine Ameise. Das Vatertier frisst Fleisch, die Mutter aber kaut Hülsenfrüchte. Wenn sie nun den Ameisenlöwe zeugen, zeugen sie ihn als ein Wesen von zweifacher Natur: Er kann kein Fleisch fressen wegen der Natur seiner Mutter und keine Hülsenfrüchte wegen der Natur seines Vaters; also geht er zugrunde, weil er keine Nahrung findet. (Übersetzung Schönberger)6

So wurde der Bibelvers „erklärt“. Wie es mit dem Überleben der Art weiter gehen soll, interessierte den Autor offenbar nicht. Möchten Sie die Predigt noch hören? Hier kommt sie:

  • So ist auch ein Mann mit zwei Seelen unbeständig auf all seinen Wegen (Jak. 1:7f). Man soll nicht auf zwei Wegen wandeln noch doppelzüngig reden beim Gebet. Wehe nämlich, heißt es, einem gespaltenen und sündigen Herzen, das auf zwei Wegen wandelt (Sirach 2:12). Es ist nicht schön, Ja Nein und Nein Ja zu sagen, sondern sprich Ja Ja und Nein Nein, wie es unser Herr Jesus Christus gesagt hat. (Mt 5:37, 2 Kor. 1:17f).
    Schön also hat der Physiologus vom Ameisenlöwen gesprochen.6

Findet er selbst! Es gibt Augenblicken, in denen ich es bedauere, dass das Christentum die westliche Welt erobert hat. Nun ja, davor hatte man viel mehr Götter, Opfer, Kaiserkult, Massaker in Arenen und viel weniger Nächstenliebe.

ANMERKUNGEN
1. Aristoteles, Historia Animalium 623a: Τῶν δ’ ἀραχνίων καὶ τῶν φαλαγγίων ἔστι πολλὰ γένη, τῶν μὲν δηκτικῶν φαλαγγίων δύο, τὸ μὲν ἕτερον ὅμοιον τοῖς καλουμένοις λύκοις μικρὸν καὶ ποικίλον καὶ ὀξὺ καὶ πηδητικόν· καλεῖται δὲ ψύλλα· τὸ δ’ ἕτερον μεῖζον, τὸ μὲν χρῶμα μέλαν, τὰ δὲ σκέλη τὰ πρόσθια μακρὰ ἔχον, καὶ τῇ κινήσει νωθρὸν καὶ βαδίζον ἠρέμα καὶ οὐ κρατερὸν καὶ οὐ πηδῶν. Τὰ δ’ ἄλλα πάντα, ὅσα παρατίθενται οἱ φαρμακοπῶλαι, τὰ μὲν (623a.) οὐδεμίαν τὰ δ’ ἀσθενῆ ποιεῖ τὴν δῆξιν. Ἄλλο δ’ ἐστὶ τῶν καλουμένων λύκων γένος.
2. Job 4:11: לַיִשׁ אֹבֵד מִבְּלִי-טָרֶף וּבְנֵי לָבִיא יִתְפָּרָדוּ.
3. Job 4:11, LXX: μυρμηκολέων ὤλετο παρὰ τὸ μὴ ἔχειν βοράν, σκύμνοι δὲ λεόντων ἔλιπον ἀλλήλους.
4. Hdt. Hist. iii, 102.2: ἐν δὴ ὦν τῇ ἐρημίῃ ταύτῃ καὶ τῇ ψάμμῳ γίνονται μύρμηκες μεγάθεα ἔχοντες κυνῶν μὲν ἐλάσσονα ἀλωπέκων δὲ μέζονα: εἰσὶ γὰρ αὐτῶν καὶ παρὰ βασιλέι τῷ Περσέων ἐνθεῦτεν θηρευθέντες. οὗτοι ὦν οἱ μύρμηκες ποιεύμενοι οἴκησιν ὑπὸ γῆν ἀναφορέουσι τὴν ψάμμον κατά περ οἱ ἐν τοῖσι Ἕλλησι μύρμηκες κατὰ τὸν αὐτὸν τρόπον, εἰσὶ δὲ καὶ αὐτοὶ τὸ εἶδος ὁμοιότατοι: ἡ δὲ ψάμμος ἡ ἀναφερομένη ἐστὶ χρυσῖτις.
5. Tim. Gaz., De animalibus (Περὶ ζῴων), xxxii, 2,3, Hrsg. Haupt 1869, 20; Übers. Rabinowitz und Bodenheimer 1949, 37.
6. Physiologus (Φυσιολόγος) , Griechisch/Deutsch, Hrsg und Übers. Otto Schönberger, Stuttgart 2001, Nr. 20, S. 37: Ἐλιφὰζ ὁ Θαιμανῶν βασιλεὺς ἔλεξε˙ «μυρμηκολέων ὤλετο παρὰ τὸ μὴ ἔχειν βοράν». ὁ Φυσιολόγος ἔλεξε περὶ τοῦ μυρμηκολέοντος ὃτι τὰ μὲν ἐμπρόσθια ἔχει λέοντος, τὰ δὲ ὀπίσθια μύρμηκος. ὁ μὲν πάτηρ σαρκοφάγος ἐστίν, ἡ δὲ μήτηρ ὄσπρια τρώγει. ὃταν δὲ γεννῶσι τὸν μυρμηκολέοντα, γεννῶσιν αὐτὸν δυο φύσεις ἔχοντα, καὶ οὐ δύναται φαγεῖν κρέα διὰ τὴν φύσιν τῆς μητρός οὐδε ὄσπρια διὰ τὴν φύσιν τοῦ πατρός˙ απόλλυται οὔν διὰ τὸ μὴ ἔχειν τροφήν.
Οὓτω καὶ πᾶς ἀνὴρ δίψυχος ἀκατάστατος ἐν πάσαις ταῖς ὁδοῖς αὐτοῦ. οὐ χρὴ βαδίζειν δύο τρίβους οὐδὲ δισσὰ λέγειν ἐν τῃ προσευχῇ· οὐαὶ γάρ, φησί, καρδίᾳ δισσῇ καὶ ἁμαρτωλῷ ἐπιβαίνοντα ἐπὶ δύο τρίβους. οὐ καλὸν εἰπεῖν τὸ ναὶ οὖ, καὶ τὸ οὖ ναί, ἀλλὰ τὸ ναὶ ναί, καὶ τὸ οὖ οὖ, καθὼς εἶπεν ὁ Κύριος ἡμῶν Ἰησοῦς Χριστός.
Καλῶς οὖν ἔλεξεν ὁ Φυσιολόγος περὶ τοῦ μυρμηκολέοντος

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Die Arabisierung der christlichen Bibel

In Kinderbibeln und Bibelfilmen aus Hollywood tragen die Palästinenser aus Jesu Zeit oft Kleidung, die arabisch anmutet. Die Arabisierung der Bibel war ein Prozess, der Jahrhunderte gedauert hat. Auf älteren Gemälden tragen die biblischen Gestalten noch europäische Kleidung. Rembrandt hatte bereits eine Truhe türkischer Kleider zur Hand, um z.B. seinen Abraham orientalisch zu kleiden (1). Isaaks Diener von Benjamin West (2) ist überzeugend wie ein Türke gekleidet. Selbstverständlich ritt er ein Kamel (2, 3).
Natürlich war man sich bewusst, dass die biblischen Erzählungen sich in Palästina, Ägypten, Babylonien und Persien, also im sogenannten Orient abgespielt hatten, wenn auch nicht alle Typen orientalischer Fantasie brauchbar waren. Das biblische Ambiente wird nie so „orientalisch“ wie die wirkliche arabische Welt. Der Orient war wohl zu frivol für christliche Zwecke: Die Pracht und die Sinnlichkeit des vorgestellten Orients wurden ausgelassen. Im 19. Jahrhundert, als die bis heute bildbestimmenden Illustrationen zu der Bibel entstanden, hat man auf die Kleidung geschaut, die palästinensische Bauer und Fischer damals trugen, und diese nach freier Fantasie umgemodelt (4). Überwiegend nüchterne, bescheidene Kleidung ist es geworden. Typisch arabische Kopfbedeckungen werden angewandt; bei Jesus selbst eher nicht, weil die sein charismatisch wallendes Haar verhüllen würden (5, 6). In der neutestamentarischen Umgebung sehen wir einen matten Orient: billige Gewänder und brave Gesichter; keine noblen Wilden oder stolzen Kämpfer; vielmehr rau
beinige, aber aufmerksam zuhörende Bauerntypen. Nur bei den Drei Königen (7) darf der malerische Orient kurz durchbrechen, und natürlich bei der Geschichte über Herodes und Salome. Moreaus Gemälde (8) zeigt einen orientalischen Despoten und eine Tänzerin in kostbarem, nahezu durchsichtigem Stoff.
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Die meisten Künstler und Illustratoren hatten keine Ahnung, was die Menschen im Nahen Osten vor so vielen Jahrhunderten getragen hatten, und griffen auf ihre Phantasie zurück. Manche Illustratoren aus dem späten 19. Jahrhundert hatten aber einige Kenntnis von altägyptischer oder babylonischer Bekleidung. Es ist interessant zu sehen, dass in ihren geschichtsbewussten Bildern die Israeliten oder Juden wie Araber gekleidet sind, anstatt einen alttestamentarischen simlah zu tragen, einen Überwurf aus Wolle oder Leinen, der vom Hals bis die Knie reichte und kurze Ärmel oder gar keine hatte. Im Bild von David und Saul (9) trägt der König eine europäischen Krone, während David eine arabische keffiyeh trägt. Auf manchen Bildern (10, 11, 12) hat Joseph die (vermeintliche) altägyptische Mode adoptiert, während seine Brüder wie Araber gekleidet sind.
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Vielleicht haben die langen, arabisierenden Gewänder den Bibelzeichnern auch deshalb so gut gepasst, weil so viel Stoff darein ging. Die simlah ließ viel Bein sichtbar und die griechisch-römischen Tuniken des Neuen Testaments sogar noch mehr.
Fanden die Viktorianer es unpassend, Jesus in solchen spärliche Bekleidung abzubilden? Oder wollten sie den orientalischen Charakter der Juden betonen?

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Unfähige Propheten

Einer Erzählung zufolge, die Mohammeds erstes Offenbarungserlebnis  schildert, hatte der Prophet sich auf den Berg Hirā’ zurückgezogen, als der Engel Gibrīl (Gabriel) zu ihm kam:

  • Der Prophet selbst erzählte dazu: Während ich schlief, kam Gibrīl zu mir mit einer Brokatdecke, auf der Schriftzeichen standen. Er sagte: „Lies!“ Ich sagte: „Ich kann nicht lesen (mā aqra’u).“ Darauf drückte er mit der Decke meinen Hals so kräftig zu, dass ich dachte, es wäre der Tod. Dann ließ er mich los [und sagte: „Lies!“ Ich antwortete: „Ich kann nicht lesen.“ Darauf drückte er abermals so kräftig, dass ich dachte, es wäre der Tod. Dann ließ er mich los] und sagte wieder: „Lies!“ Ich sagte: „Was soll ich lesen? (mā dhā aqra’u)“ und das sagte ich nur um ihn los zu werden, aus Angst, dass er es noch mal tun würde. Da sagte er: Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen. Lies im Namen deines Herrn, der erschuf,—erschuf den Menschen aus einem Klumpen Blut. Lies! denn dein Herr ist der Allgütige, der (den Menschen) lehrte durch die Feder, den Menschen lehrte, was er nicht wusste. [Koran 96:1–5] Dies rezitierte ich; dann ließ er mich los und ging weg. Als ich aufwachte war es, als wäre es in mein Herz geschrieben.
    Nun gab es kein Geschöpf, das mir verhasster war als Dichter und Besessene; ich konnte sie einfach nicht riechen. Und ich dachte: „O wehe, dieser Nichtswürdige“—er meinte sich selbst—„ist ein Dichter oder Besessener. Aber das werden die Quraisch nie von mir sagen! Ich werde hoch auf den Berg steigen und mich herunterstürzen und töten, dann habe ich Ruhe.“ In der Absicht machte ich mich also auf den Weg, aber als ich mitten auf dem Berg war, hörte ich eine Stimme vom Himmel: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Gibrīl.“ Ich schaute hoch zum Himmel und siehe da, es war Gibrīl in der Gestalt eines Mannes, der mit seinen Füßen neben einander am Horizont stand. Wieder sagte er: „Mohammed! Du bist der Gesandte Gottes, und ich bin Gibrīl.“ Ich sah ihn weiter an und das brachte mich von meinem Vorhaben ab; ich ging weder vorwärts noch rückwärts. Da wollte ich meinen Blick von ihm abwenden, aber in welche Richtung ich auch schaute, überall sah ich ihn wieder so stehen. Dort blieb ich so lange, ohne einen Schritt vorwärts oder Rückwärts zu tun, dass Khadīdja schon ihre Boten sandte um nach mir zu suchen; sie kamen bis oberhalb von Mekka, während ich noch am selben Ort stand. Dann verließ er mich.1

Diese Erzählung beschreibt das, was christliche Theologen eine Berufungsvision nennen. Von verschiedenen Propheten wird im Alten Testament erzählt, wie sie anfangs meinen der Aufgabe, die Gott ihnen auferlegen will, nicht gewachsen zu sein.
Moses wird beauftragt sein Volk aus Ägypten ins Land Kanaan zu führen. Er hat einige Ausreden und bringt zum Schluss vor: „Ach Herr! Ich bin kein redegewandter Mann […] denn unbeholfen ist mein Mund und unbeholfen meine Zunge.“ (2. Mose 4:10).

Jesaja sieht eine Ehrfurcht gebietende Vision des Herrn, umgeben von zwei Seraphim. Er ruft aus: „Wehe mir, ich bin verloren! Denn ein Mann mit unreinen Lippen bin ich …“ (Jesaja 6:5).
Jeremia sagt bei seiner Berufung: „Ach Herr, Herr, ich verstehe nicht zu reden; denn ich bin zu jung“ (Jeremia 1:6).
Hesechiel erschrickt gewaltig und fällt beim Anblick einer überwältigenden Vision auf sein Angesicht (Hesechiel 1–3).

Die Propheten haben Recht. Natürlich sind sie nicht im Stande ihre Aufgabe ohne Weiteres zu erfüllen. Aber Gott macht sie bereit und stärkt sie dazu, gibt ihnen seine Worte ein, worauf es dann gelingt. Jesajas unreine Lippen werden mit einer glühenden Kohle vom Altar gereinigt; dann ist er bereit zu prophezeihen. Hesechiel wird von Gott „emporgehoben“; er hat schon eine Schriftrolle zu essen bekommen, „süß wie Honig,“ und ihm wird die nötige Härte verliehen; Mohammed bekommt die Schrift buchstäblich fast in seinen Hals gepresst. Sowohl Hesechiel (Hes. 3:14–15) als auch Mohammed sind nach der Berufungsvision schwer angeschlagen.
Nur der biblische Prophet Jona sagt nicht, dass er kein Prophet sein kann; er weigert sich einfach. Sein Auftrag ist es in die große Stadt Ninive im Irak zu gehen, aber er nimmt ein Schiff in eine andere Richtung—das ist ein anderer Fall. Mohammed passt in die Reihe der anderen Propheten, die sich zunächst unfähig fühlen.

Ich musste etwas nachdenken über die Wörter mā aqra’u in der Erzählung über Mohammeds Berufung, oben übersetzt als: „Ich kann nicht lesen“— wobei wohlgemerkt in der alten Zeit lesen immer bedeutete: laut lesen, rezitieren.
mā aqra’u word manchmal aufgefasst als: „Was werde/soll ich lesen?“, aber naheliegender wäre in dem Fall mā dhā aqra’u, was etwas später kommt. Der Kontrast zwischen zweimal mā aqra’u und einmal mā dhā aqra’u ist beabsichtigt.
mā aqra’u ist in allerlei Varianten des modernen(!) gesprochenen Arabisch ein neutrales: „Ich lese nicht/werde nicht lesen“. In der Schriftsprache war und ist das aber lā aqra’u.
+ Imperfekt. Nach W. Fischer, Grammatik des klassischen Arabisch, Wiesbaden 21987, § 321 „bestreitet mit Impf. den Vorgang oder dessen Möglichkeit: [… ] mā yarāka, ‘er sieht dich gar nicht, kann dich nicht sehen’.“ Die anderen Grammatiken des klassischen Arabisch haben zu diesem Punkt nichts mitzuteilen.

Auf Grund dieses Paragraphen bei Fischer und der obigen biblischen Vorbilder habe ich in der Erzählung über das erste Offenbarungserlebnis die Übersetzung: „Ich kann nicht lesen“ gewählt.

ANMERKUNGEN

1. At-Tabarī, [Ta’rīkh al-rusul wal-mulūk] Annales, hrsg. M.J. de Goeje et al., 14 Bde., Leiden 1879–1901, i, 1150:

قال رسول الله ص: فجاءني [جبريل] وأنا نائم بنمط من ديباج فيه كتاب ، فقال: اقرأ، فقلت: ما أقرأ. فغتني حتى ظننت أنه الموت، ثم أرسلني فقال: اقرأ، فقلت: [ما أقرأ ؟ قال : فغتني به حتى ظننت أنه الموت، ثم أرسلني، فقال: اقرأ، قلت:] ماذا أقرأ؟ ما أقول ذلك إلا افتداء منه أن يعود إلي بمثل ما صنع بي، قال:(اقرأ باسم ربك الذي خلق) ألى قوله (علم الإنسان ما لم يعلم.) قال: فقرأته. قال: ثم انتهى ثم انصرف عني وهببت من نومي ، وكأنما كتبت في قلبي كتابا. قال: ولم يكن من خلق الله أحد أبغض إلي من شاعر أو مجنون، كنت لا أطيق أن أنظر إليهما، قال: قلت إن الأبعد – يعني نفسه – لشاعر أو مجنون، لا تحدث بها عني قريش أبدًا. لأعمدنّ إلى حالق من الجبل فلأطرحنّ نفسي منه فلأقتلنّها فلأستريحنّ.) قال: فخرجت أريد ذلك حتى إذا كنت في وسط من الجبل سمعت صوتا من السماء يقول : يا محمد، أنت رسول الله وأنا جبرئيل. قال: فرفعت رأسي إلى السماء ، فإذا جبريل في صورة رجل صاف قدميه في أفق السماء يقول: يا محمد، أنت رسول الله وأنا جبرئيل. قال: فوقفت أنظر إليهِ فما أتقدم وما أتأخر، وجعلت أصرف وجهي عنه في آفاق السماء فلا أنظر في ناحية منها إلا رأيته كذلك ، فما زلت واقفا ما أتقدم أمامي ولا أرجع ورائي حتى بعثت خديجة رسلها في طلبي ، ختى بلغوا أعلى مكة ورجعوا إليها وأنا واقف في مكاني؛ ثم انصرف عني.

Der häufiger gelesene Ibn Hishām hat die Teile zum Selbstmordvorhaben aus der Vorlage von Ibn Ishāq gestrichen; deshalb zitiere ich hier die Fassung von at-Tabarī, die den ursprünglichen Wortlaut erhalten hat. Dafür hat Ibn Hishām dreimal den Auftrag: „Lies!“ Das zweite Mal habe ich hier zwischen Klammern hinzugefügt. Dreimal ein Auftrag und zweimal eine Weigerung ist klassisch; das gibt es z.B. auch in der Erzählung von der Berufung des Mönchs Cædmon bei Beda Venerabilis.

Diakritische Zeichen: Ḥirāʾ, Ǧibrīl, Quraiš, aṭṬabarī, taʾrīḫ, Hišām, Isḥāq

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Der Mutalammisbrief: ein arabischer Uriasbrief

Al-Mutalammis war ein vorislamischer arabischer Dichter, der Mitte des 6. Jahrhunderts n. Chr. am Hof des christlichen Könings ‘Amr ibn Hind (reg. 554–69) im irakischen al-Hīra verkehrte. Auch sein Neffe Tarafa ibn ‘Abd war in der Hauptstadt der arabischen Lakhmiden-Dynastie. Der war als Dichter viel wichtiger und wurde richtig berühmt, während Mutalammis nur ein kleines Œuvre hatte, das auch noch zum Großteil von seiner traumatischen Erfahrung mit König ‘Amr und dem sog. Mutalammisbrief (sahīfat al-Mutalammis) handelte.

Hofdichter hatten damals die Aufgabe, in Lobgedichten den Fürsten und dessen Stamm zu besingen und dessen Feinde oder andere minderwertige Personen oder Stämme in Schmähgedichten kleinzumachen. Manchmal lief das aber etwas anders: Wenn ein Dichter zum Beispiel schlechte Laune hatte, einen Kater hatte, sich überschätzte, in Ungnade gefallen war oder wenn der Fürst mit den Zuwendungen sehr zögerlich war, dann wurde auch schon mal ein Schmähgedicht auf den gütigen Herrn selbst gedichtet. Die Dichter nutzten ihre Meinungsfreiheit maximal aus und schimpften mitunter, was das Zeug hielt.
So dichtete Mutalammis zum Beispiel (den Artikel al- bei seinem Namen lasse ich weiterhin weg):

Ein König, der mit seiner eigenen Mutter und derer Dienerschaft Verkehr hat. [Vom vielen Beischlaf] ist er schlaff in seine Gelenken und sein Schwanz ist [dünn geworden] wie ein Kohlstift.

An der Tür lädt er jeden Bittsteller ein, aber wenn er mit ihm allein ist, legt der Mann los wie eine Bestie.1

In Grobheit steht diese Tirade manchen Kommentaren in den heutigen sozialen Medien in nichts nach. Aber bei den alten Dichtern reimte es und war das Metrum in Ordnung.

Der König war not amused und beschloss sich der beiden Dichter, Onkel und Neffe, zu entledigen, indem er sie weit weg schickte. Vielleicht waren sie in al-Hīra schon zu populär um sie vor Ort zu eliminieren? Jedenfalls sandte König ‘Amr sie zum persischen Statthalter in Bahrain, für den er ihnen je einen versiegelten Brief mitgab, gegen dessen Vorlage ihnen allerlei Geschenke zu Teil werden sollten. Ibn Qutaiba beschrieb das später in seinem Buch „Die Poesie und die Dichter“. Das Buch wurde mehr als drei Jahrhunderte nach dem Geschehenen verfasst; ist sein Bericht zuverlässig? Wir werden es nie wissen. Auf jeden Fall ist es unterhaltsame Lektüre. Ibn Qutaiba berichtet: 

Er [Mutalammis] verkehrte am Hofe des ‘Amr ibn Hind, des Königs von al-Hīra, er und Tarafa ibn al-‘Abd, und beide verfassten sie Schmähgedichte auf ihn. Der König schrieb für sie je einen Brief an den [persischen] Statthalter zu Bahrain. Er ließ ihnen gegenüber durchblicken, dass er darin befohlen habe, ihnen Zuwendungen zu geben, aber in Wirklichkeit befahl er sie umzubringen.
Sie machten sich auf, und als sie in Nadjaf angekommen waren, trafen sie am Wegrand einen alten Mann, der gleichzeitig urinierte, ein Stück Brot aß und die Läuse aus seinen Kleidern entfernte und totschlug. Mutalammis sagte:
„So einen blöden alten Kerl habe ich noch nie gesehen.“
„Wieso?’“ fragte der Alte, „Ich entferne etwas Hässliches, führe etwas Gutes herein und ich töte einen Feind. Viel dümmer ist jemand, der sein eigenes Todesurteil mit sich herumträgt.“
Wegen dieser Worte beschlich Mutalammis Zweifel. Es kam ein junger Mann aus al-Hīra vorbei und ihn fragte Mutalammis:
„Kannst du lesen, Junge?“
„Ja,“ antwortete der, worauf er das Siegel brach und dem Jungen den Brief überreichte. Darin stand: „Wenn Mutalammis zu dir kommt, hacke ihm seine Hände und Füße ab und beerdige ihn lebendig!“ Darauf sagte er zu Tarafa:
„Gib ihm auch deinen Brief zu lesen; bei Gott, darin steht bestimmt dasselbe.“
Aber Tarafa sagte: „Nein, mir wagt er so etwas nicht anzutun.“
Mutalammis warf seinen Brief in den Fluss mit den Worten: „Hiermit werfe ich auch mein Haus weg,“ und er zog nach Syrien. Aber Tarafa zog weiter nach Bahrain [und wurde umgebracht].
So wurde der „Mutalammisbrief“ sprichwörtlich.2

Merkwürdig ist, dass Mutalammis und Tarafa in der Erzählung offenbar nicht lesen konnten, während sie das von irgendeinem Jungen auf der Straße durchaus erwarteten. Gingen die Erzähler davon aus, dass die Briefe auf Pahlavi oder vielleicht Aramäisch geschrieben waren? Aber al-Hīra war doch ein arabisches Königreich—und konnte dort ein beliebiger Straßenjunge wirklich eine fremde Amtssprache lesen?

Bei uns heißt ein Brief, der seinem Überbringer Unheil bringt, ein Uriasbrief, nach der biblischen Erzählung von König David und Batseba (2 Samuel 11:14-17). David sah von seinem Dach, wie die schöne Batseba sich wusch und er fühlte sich zu ihr angezogen. Ihr Mann Urias diente als Soldat in seinem Heer. Er war ein Hethiter: ein Ausländer also, aber gut integriert (2 Sam. 11:11). Das eine führte zum anderen: Batseba wurde schwanger vom König; ihr Mann witterte Unheil und wollte nicht mehr zu ihr zurück. Darauf verspürte der König das Bedürfnis Urias aus dem Weg zu räumen, damit er die Frau heiraten konnte. Er sandte Urias zum Oberbefehlshaber Joab, mit einem Brief, in dem Letzterem befohlen wurde Urias bei einer Schlacht ganz vorne aufzustellen, so dass er fallen musste. So geschah es und so hatte David den Weg frei gemacht für seine Ehe mit der Witwe—selbstverständlich nach einer angemessenen Trauerperiode.

Wenn Sie noch klassisch gebildet sind, denken Sie vielleicht auch an den bellerophontischen Brief. Bellerophon wurde nämlich von Proteus zu König Iobates von Lykien gesandt mit dem versiegelten Auftrag, ihn zu töten. Aber darauf hatte der König keine Lust und er schickte den jungen Mann lieber weg, mit der Aufgabe das feuerspeiende Ungeheuer Chimära zu töten, in der Hoffnung, dies würde ihm nicht gelingen. Es kam aber anders als geplant, denn es gelang Bellerophon durchaus, das Ungeheuer zu vernichten.

Und sonst erinnern Sie sich vielleicht daran, was in Tim und Struppi, Der blaue Lotos, den beiden Detektiven Schultze und Schulze in der chinesischen Stadt Hukou widerfährt. Sie haben ein Empfehlungsschreiben für den örtlichen Polizeikommissar, das sie aber verlieren und das von Tims Freund Tschang durch einen Brief ersetzt wird, indem auf Chinesisch zu lesen steht: „Sollten Sie nicht bemerkt haben, dass wir zwei Verrückte sind, so ist dies der offizielle Beweis.“ Der Kommissar lacht laut und lässt sie vor die Tür setzen.3

Ein Uriasbrief sollte also gut versiegelt oder in einer Fremdsprache abgefasst sein—oder beides.

Wahrscheinlich wimmelt es in der Weltliteratur von Mutalammis-, Urias-, oder Bellerophonbriefen. Der Name Uriasbrief passt wohl am besten, denn die dazugehörige Geschichte ist die älteste. Oder gab es noch eine altägyptische oder babylonische Vorlage?

EXKURS ZU URIAS
Keinen Uriasbrief, aber schon einige Parallelen zu Urias sieht David Powers4 in den Erzählungen über Zaid, den der Prophet Mohammed zunächst adoptiert hatte und, der auch nach seiner späteren „Entsohnung“ eine sehr hohe Position in der frühen Elite innehatte.
Die Parallele bestehen darin: Urias war ein Soldat aus dem Ausland, Zaid war ursprünglich als Sklavenjunge aus Nord-Arabien gekommen. David begehrte die Frau seines Soldaten; Mohammed begehrte die Ex-Frau seines Ex-Sohnes (Koran 33:37) und stellte ihn als Heerführer in die erste Reihe, in der Schlacht, die unweigerlich verloren werden musste, so dass er in der Tat umkam. Das Thema für einen folgenden Beitrag?

ANMERKUNGEN
1. K. Vollers, Die Gedichte des Mutalammis, Arabisch und Deutsch, Leipzig 1903, 38/13, 14; kāmil, –dī. Poesie poetisch übersetzen kann ich nicht, aber so bekommen Sie wenigstens einen Eindruck.

مَلِكٌ يُلاَعِبُ أُمَّهُ وَقَطِينَهَا * رِخْوُ المَفَاصِلِ أَيْرُهُ كَالمِرْوَدِ
بالبابِ يَطْلُبُ كُلَّ طَالِبِ حَاجَةِ * فَإذَا خَلَا فَالمَرْءُ غَيْرُ مُسَدَّدِ

2. Ibn Qutaiba, as-Shi‘r was-shu‘arā’, Hg. Ahmad Muhammad Shākir, 2 Bde. Kairo 1966, i, 181–2.

وكان ينادم عمرو بن هند ملك الحيرة، هو وطرفة بن عبد فهجواه، فكتب لهما إلى عامله بالبحرين كتابين، أوهمهما أنه أمر لهما فيهما بالجوائز، وكتب اليه يأمره بقتلهما. فخرجا حتى إذا كانا بالنجف، إذا هما بشيخ على يسار الطريق، يُحدِث ويأكل من خبر في يده، ويتناول القمل من ثيابه فيقصعه. فقال المتلمس: ما رأيت كاليوم شيخًا أحمق. فقال الشيخ: وما رأيتَ من حمقي؟ أُخرج خبيثاً وأْدخل طيباً وأقتل عدواً، أحمق مني والله من حامل حتفه بيده. فاستراب المتلمس يقوله، وطلع عليه غلام من أهل الحيرة، فقال له المتلمس: أتقرأ يا غلام؟ قال: نعم. ففكّ صحيفته ودفعها إليه، فإذا فيها: أما بعد، فإذا أتاك المتلمس فاقطعْ يديه ورجليه وادْفنه جيَّا. فقال لطرفة: ادفع إليه صحيفتك يقرأها، ففيها والله ما في صحيفتي. فقال طرفة“ كَلاّ، لم يكن ليجترئ عليَّ. فقذف المتلمس يصحيفته في نهر الحيرة وقال: قدفت به البيت، وأخذ نحو الشأم. وأخذ طرفة نخو البحرين.
فضُرب المثل بصحيفة المتلمس.

3. Hergé, Tim und Struppi. Der blaue Lotos, Carlsen, 1997, S. 46–47@@.
4. David S. Powers, Zayd, Philadelphia 2014, s. Subject Index unter Uriah the Hittite.

Diakritische Zeichen: al-Ḥīra, Ṭarafa ibn ʿAbd, ṣaḥīfat al-Mutalammis, Baḥrain, Naǧaf, aš-Šiʿr wa’š-šuʿarā’

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Die Arabisierung der Bibel

JezusverjaagthandelaarsIn Kinderbibeln und Bibelfilmen aus Hollywood tragen die Palästinenser aus Jesu Zeit oft Kleidung, die arabisch anmutet. Die Arabisierung der Bibel war ein Prozess, der Jahrhunderte gedauert hat. Als man in der Zeit der Kreuzzüge begann hochwertige Stoffe aus dem Nahen Osten zu importieren, zog man auf Gemälden den biblischen Gestalten orientalische Kleider an anstatt der europäischen, die sie auf älteren Gemälden noch getragen hatten. Auch Rembrandt muss eine Truhe türkischer Kleider zur Hand gehabt haben. Natürlich war man sich bewusst, dass die biblischen Erzählungen sich in Palästina, also im sogenannten Orient abgespielt hatten, wenn auch das biblische Ambiente nie so „orientalisch“ wird wie die wirkliche Arabische Welt. Der Orient war einfach zu frivol für christliche Zwecke.

Im 19. Jahrhundert, als die bis heute bildbestimmenden Illustrationen zur Bibel entstanden, hat man auf die Kleidung geschaut, die palästinensische Bauer und Fischer damals trugen, und diese nach freier Fantasie umgemodelt. Überwiegend nüchterne, bescheidene Kleidung ist es geworden. Typisch arabische Kopfbedeckungen werden angewandt; bei Jesus selbst eher nicht, weil die sein charismatisch wallendes Haar verhüllen würden. In der neutestamentlichen Umgebung sehen wir einen matten Orient: billige Gewänder und brave Gesichter; keine noblen Wilden oder stolzen Kämpfer; vielmehr rauhbeinige, aber aufmerksam zuhörende Bauerntypen.

Nur bei den Drei Königen darf der malerische Orient kurz durchbrechen, und natürlich bei der Geschichte über Herodes und Salome. Dort ist Raum für einen orientalischen Despoten und eine Tänzerin in kostbarem, nahezu durchsichtigem Stoff.
Vielleicht haben die langen, arabisierenden Gewänder den Bibelzeichnern auch gut gepasst, weil so viel Stoff darein ging. In der griechisch-römischen Kleidung war viel nackte Haut sichtbar, und die Tuniken ließen sich leicht ausziehen. So konnte man Jesus und seine Jünger schwerlich aussehen lassen. Jesus oben ohne, das geht nur, wenn er am Kreuz hängt; das hat eine eigene Erotik. Aber die Bergpredigt mit entblößter Brust? Lieber nicht.

Kleidung
• Damen: Kopftuch, Schleier, Burka & Co, Tschadorhot pants
• Herren: Lendentuch, langes Gewand, Burka

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